Induzierte pluripotente Zellen (iPS) gelten als die derzeit größte Hoffnung der Medizin. Doch ausgerechnet der Forscher, der die Zellmodifikation entdeckte, warnte jetzt auf einer Tagung vor unerwünschten Nebenwirkungen der Wunderzellen. Hat man zu früh auf ein falsches Pferd gesetzt?


Wenn es derzeit einen Topstar unter den medizinisch forschenden Wissenschaftlern gibt, dann dürfte das Shinya Yamanaka sein.

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Dem Japaner gelang es im vergangenen Jahr ausdifferenzierte Hautzellen zurück in einen Zustand zu verwandeln, der embryonalen Stammzellen gleicht.
Das Ganze erledigte er mithilfe von nur vier Genen (Oct-3/4, SOX2, c-Myc, and Klf4), die er mithilfe von viralen Fähren in das Erbgut einschleußte.

Er erschuf damit iPS-Zellen, also Zellen, die durch eine geschickte Manipulation wieder das Potenzial erworben haben, sich in andere Zelltypen zu entwickeln.

Viele Mediziner erhofften, dass sich in wenigen Jahren Herz-, Nerven- oder Knorpelzellen aus iPS-Zellen züchten ließen.
Also jene Zellen, die der Körper nicht erneuert, obwohl auch diese Zellen Alterungsprozessen und dem Zelltod unterworfen sind.
 
Mithilfe von Yamanakas Technologie wollte man diesen “Naturfehler” rückgängig machen, indem man beispielsweise Herzinfarktpatienten Hautzellen entnehmen würde und wenige Monate später daraus entwickelte individuelle Herzzellen auf das Organ zu injizieren – wodurch die Patienten ohne Herzschrittmacher nach kurzer Zeit wieder ihre volle Herzleistung erreichen sollten.

So viel zu einer von vielen Hoffnungen.

Jetzt ließen Yamanakas Äußerungen auf dem Meeting der International Society for Stem Cell Research aufhorchen.

Er berichtete am Samstag, laut the Scientist, über massive Gesundheitsproblemen der Mäuse, die seiner iPS-Zellen erhalten hatten (die Ergebnisse sind noch nicht veröffentlicht).

Demnach entwickelte die Hälfte der Mäuse, bei denen der Transkriptionsfaktor c-Myc durch die Viren verändert war Tumoren. Zwar scheint die Arbeitsgruppe das Problem durch die Stilllegung von c-Myc in den Griff gekriegt zu haben, jedoch macht derzeit ein anderes Problem der Arbeitsgruppe schwer zu schaffen:

Insgesamt zeigten alle Tiere, denen iPS-Zellen injiziert wurden, eine stark erhöhte Sterblichkeit. Dies galt sowohl für Tiere mit c-Myc, als auch mit c-Myc-Minus (stillgelegt).

Über die Ursache kann Yamanaka derzeit nur spekulieren. Weitere Versuche mit Leber- und Magenzellen hätten ihm gezeigt, dass sich diese Zellen nicht so weit zurückprogrammieren ließen wie Hautzellen.
 
Er hält es daher für möglich, dass vielleicht auch die Hautzellen (Fibroblasten) nicht ausreichend reprogrammabel wären und dadurch den frühen Tod der Mäuse verursachten.

Zusammengefasst heißt das: Für die Klinik taugen die iPS-Zellen derzeit nichts und es ist unklar, ob sich das jemals ändern wird …