Ärzte sollen alte Männer nicht mehr mit dem PSA-Test auf Prostatakrebs testen. Das empfiehlt die amerikanische Expertenkommission U.S. Preventive Services Task Force im Fachjournal Annals of Internal Medicine.


Überraschenderweise begründen die Urologen ihre Empfehlung nicht mit Zweifeln an der Aussagefähigkeit des PSA-Tests, sondern mit dem Sinn einer Behandlung von Männern, die ohnehin nicht länger als 10 weitere Jahre zu leben haben.

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In Deutschland fühlt man sich an die seit 2005 öffentlich geführte Rationalisierungsdiskussion erinnert, derzufolge 75-jährige Menschen keine künstlichen Hüftgelenke mehr erhalten sollten und über Dialyse für 80-Jährige nachgedacht wurde – eine häufig unfaire Diskussion, bei der jedem Experten Nazi-Gedankengut unterstellt wird und der Begriff des „unwerten Lebens” in den Mund gelegt wird.

Ned Calonge, dem wissenschaftlichen Leiter der Kommission, wird wahrscheinlich niemand derartige Hintergedanken unterstellen.

Tatsächlich lohnt es sich sogar, die wichtigsten Fakten für die Empfehlung aufzuführen:

Erstens: Sterben nicht weniger alte Menschen an den Folgen eines Prostatakarzinoms, bei einer so späten Erkennung.
Zweitens: Ist es eher die Regel, als die Ausnahme, dass bei der operativen Entfernung von Prostatakrebs etwas schief geht. Für die operierten Männer bedeutet das meist, dass sie Windeln tragen müssen, weil sie inkontinent geworden sind. Sie nach dem Eingriff impotent sind und in manchen Fällen sogar schwere Verdauungsbeschwerden haben, durch Verletzungen an den Eingeweiden. An die Prostata kommt man nun mal nicht so einfach heran, wie an den Blinddarm …

Die Experten raten daher – sofern im hohen Alter – doch etwas bei PSA-Test und Biopsie entdeckt wird, eine abwartende und beobachtende Haltung einzunehmen.
Nur wenn sich der Tumor so verändert, das er Beschwerden verursacht, sollte eingegriffen werden.

Gleichzeitig raten sie jedoch allen 50-Jährigen Männern, eine Früherkennung mit dem PSA-Test durchzuführen.

In Deutschland wird dem PSA-Test aufgrund seiner unsicheren Aussagen nicht über dem Weg getraut. Die gesetzlichen Krankenkassen haben ihn deshalb aus ihrem Leistungskatalog gestrichen. Durch “gutes Zureden” erfeut er sich dennoch für etwa 25 Euro einer hohen Beliebtheit.

Eine solide Information rund um den PSA-Test bietet die AOK.

Kommentare (2)

  1. #1 Marc Scheloske
    August 6, 2008

    Der Hauptgrund für diese neue Empfehlung scheint ja die seit langem bekannte Tatsache zu sein, daß wir bei den 75-jährigen Männern sehr viele Prostatakarzinome finden, die aber (da sehr häufig nur langsam wachsend) niemals Probleme bereiten würden – die “Patienten” sterben zuvor aus anderen Gründen.

    Es ist schlicht die Frage nach dem Nutzen einer Erkennung in diesem hohen Alter – die falsch positiven befunde und die Nebenwirkungen, die du skizzierst, eingerechnet. Wir hatten erst vor wenigen bei Bert ebenfalls dieses Thema. Dort am Beispiel der Hormontherapie, die wohl auch nur in den wenigsten Fällen ratsam ist.

  2. #2 Stephan Gruber
    August 9, 2008

    Ich schließe mich der Meinung von Marc an. Es stellt sich die Frage des Nutzens verglichen mit den Nebenwirkungen. Ich habe Mal in einem Vortrag gehört, dass Prostatakrebs einer der überbehandeltesten Krankheiten ist. Die Wahl der Behandlung bzw. begleitendes Beobachten ist oft eine Entscheidung die nicht auf gesicherten Daten beruht. Es ist oft schwer Veränderungen in der Prostata als gutartig oder bösartig zu klassifizieren, da die Bildgebung unspezifisch sein kann und man bei der Biopsie zuerst Mal richtig treffen muß. Ich denke mir trotzdem: Lieber überbehandlet am Leben wie schonend behandelt tot. Diese Entscheidung muß aber sowieso jeder selbst treffen. Eine pauschale Abschaffung des Screenings für über 75 jährige halte ich trotzdem für keine gute Idee. Schon eher eine angemessene Zurückhaltung der Behandlungsformen.