Zu den dümmsten Nachrichten der vergangenen Woche gehörte die Meldung über die Schwermetallverunreinigung von Ayurveda-Medikamenten.
Verbreitet haben die Nachricht: Zeit, Focus und sogar das Ärzteblatt.
Wir konnten da Sachen lesen von „verunreinigten” oder „belasteten” Mitteln und dann stand da auch etwas von „obwohl die Hersteller eine einwandfreie Herstellung garantiert hatten”.
Aber nun mal im Ernst. Wenn da keine Metalle drin wären, dann wäre das auch keine Ayurveda-Medizin! Metalle sind die Wirkstoffe der Rasashastra-Schule der Ayurveda-Medizin!
Kann man den Redakteuren einen Vorwurf machen? Naja, die Hauptschuld an dieser Verdummung trägt ein renommiertes Fachjournal. Ausgerechnet das amerikanische Ärzteblatt JAMA hat nämlich die Studie von Robert Saper veröffentlicht, der … welch Sensation … tatsächlich herausgefunden hat, dass Ayurveda-Medizin Metalle enthält.
Welch ein Schlaukopf. Vielleicht warnt Saper ja in der nächsten Woche auch vor Schmerzen bei der Akupunktur-Behandlung und die üblichen Verdächtigen geben das dann pflichtschuldig gleich weiter. Achtung: Schmerzgefahren bei der Akupunktur Behandlung, denn da werden Sie gestochen (klingt ein bisschen wie Feldbusch und spielt auch in derselben Liga).
Aber ist es nicht gut, wenn darauf hingewiesen wird, dass in Ayurveda-Medikamenten Metalle enthalten sind? Ich habe sogar gehört, dass die Blei enthalten sollen.
Ja natürlich tun die da Blei rein. Die gesamte Rasashastra Schule der Ayurveda-Medizin basiert auf der Anwendung von Metallen. Wobei Blei nur eines der zu verwendenden Metalle ist. Traditionell werden bei dieser Medizin Kupfer, Silber, Blei, Eisen, Zinn, Zink und sogar Quecksilber verarbeitet.
Was sogar Quecksilber? Wollen die ihre Patienten denn vergiften?
Naja, es ist halt eine andere Medizin – aber das Quecksilber (und auch die anderen Metalle) wird nicht als reines Metall verabreicht, sondern aufgekocht, dann wieder zerstoßen, dann wieder aufgekocht bis nur noch weißes ascheartiges Pulver übrig bleibt (die Zubereitung dauert häufig Jahre). Das Produkt, das am Ende entsteht, heißt Bhasma und schwimmt sogar auf Wasser (versucht das Mal mit reinem Quecksilber).
Allerdings ist Quecksilber nur ein Mittel, andere beliebte Zutaten sind das bereits erwähnte Blei und natürlich auch Arsen.
Ja, aber ist es nicht trotzdem gut, wenn man darauf hinweist, dass alternative Medikamente gesundheitsschädliche Stoffe enthalten? Ich meine, wer von uns hat schon die Rasashastra gelesen?
Nein, es ist hochgradig albern. Wer Ayurveda-Medizin ohne Behandler bezieht, hat das Grundprinzip der alternativen Heilungsmethoden missverstanden. Eine ganzheitliche Behandlung ohne Vertrauen in den Behandler kann niemanden heilen.
Dieser westliche Versuch alle möglichen Elemente der traditionellen chinesischen Medizin und Ayurveda und was-weiß-ich-nicht-noch-aus Tibet wahllos zu kombinieren, nichts in seinem Leben zu verändern und dann zu hoffen, dass die chronische Krankheit verschwindet, unterschlägt das wichtigste Element all dieser Lehren: Das Vertrauen in die Heiler.
In traditionellen Gesellschaften würde niemand auf die Idee kommen Medikamente ohne Konsultation eines Heilers über eine anonyme Quelle (hier das Internet und Onlineapotheken) zu beziehen. Wer fragt man sich, kommt überhaupt auf solche Ideen, Medikamente ohne Arzt zu beziehen?
Und genau solche Fragen offenbaren die gesamte Misere der aktuellen Medizin: Denn obwohl die aktuelle Schulmedizin einen ganzen Haufen von sinnvollen Medikamente und Methoden auf den Markt gebracht hat, sind die ausführenden Menschen häufig so frei von Mitgefühl, dass sich niemand wundern dürfte, weshalb so viele Patienten das Vertrauen in sie verloren haben.
Aber was ist das auch für ein System, in dem ein Medizinstudium nur diejenigen abschließen können, die besonders gut und schnell auswendig lernen können? Wünscht man sich diese Fähigkeiten von einem Arzt, wenn Krankheiten peinigen?
Update 02.12.2008
Alter Wein in neuen Schläuchen – oder wie ein alter Thread eine neue Diskussion entfachen konnte.
Manche Leute glauben, dass es in Amerika lediglich fundamentalistisch eingestellte Christen gibt, die bemüht sind, jeden wissenschaftlichen Beleg über die Evolution auszulöschen.
Doch das ist nur die eine Seite der Medaille. Auf der anderen Seite gibt es dort fundamentalistisch eingestellte Menschen, die “wissenschaftsgläubig” sind und übereifrig nach “esoterischen” Beiträgen in naturwissenschaftlich-orientierten Gemeinschaften suchen und sich diebisch freuen, wenn sie die Urheber dieser Beiträge als “ungläubig” oder nicht aufgeklärt brandmarken können.
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