Früher, als die Ärzteschaft noch zu den bevorzugten Mitgliedern von Golfklubs gehörte und sogar unter der Woche ausreichend Zeit hatte, ihr Handicap zu trainieren … redete keiner über IGeL und Zuverdienstmöglichkeiten.
Die Krankenkassen waren gerecht, die Pharmaindustrie noch nicht vom Preiskampf der Generika-Hersteller gebeutelt, die KV (Kassenärztliche Vereinigung) ein freundlicher Plauderverein und der Staat hielt sich mit Vorschriften dezent zurück.
Ach, was waren das für Zeiten, als der gesamte örtliche Arztverein zu einer Tagung (mitsamt Ehefrauen natürlich) nach Barbados eingeladen wurde und besonders eifrige Rezeptaussteller als Gegenleistung das beliebte Golfcabrio für die repräsentativ tätige Arztfrau erhielten.
Zwar schreiben viele, alle Berichte über goldene Zeitalter in der Vergangenheit wären gelogen, doch bekanntlich gibt es immer Ausnahmen.
Heutzutage ist alles anders und vor allem schlechter. Mehr Arbeit, dafür weniger Geld – auf diesen gemeinsamen Nenner lässt sich die Situation ganz gut zusammenfassen.
Manche Ärzte behaupten sogar, sie bräuchten die Privatpatienten in ihrer Praxis so dringend, weil Sie anders die Kassenpatienten (GKV) nicht versorgen können. Also in dem Sinne, dass die Privatpatienten (bei denen man erheblich mehr abrechnen kann) die Leistungen, die der Arzt beim GKV-Patienten vornimmt, subventionieren.
Eine interessante Theorie, die mit Verweis auf die niedrigen EBM-Festbeträge, für weniger gut Informierte sogar plausibel klingen mag.
Aber wie arm sind die heutigen Ärzte wirklich?
Andreas Köhler, der Vorstandsvorsitzende der Kassenärztlichen Bundesvereinigung behauptete in der Bild vom 18. August: „Im Durchschnitt stehen dem niedergelassenen Arzt vielfach nur 2000 bis 3000 Euro netto zur Verfügung”.
Der Spiegel konterte zwar, dass diese Aussage widersprüchlich wäre und erhebliche faktische Fehler aufwiese. Denn laut Statistischem Bundesamt kämen die niedergelassenen Ärzte in Deutschland (nach Abzug der Praxiskosten) auf ein durchschnittliches Bruttoeinkommen von 9750 Euro pro Monat, was nach Abzug von Krankenversicherung, Versorungswerk und bei Steuerklasse III ein durchschnittliches Nettoeinkommen von 5310 Euro ergeben würde.
Also gut das Doppelte von der von Köhler behaupteten Summe.
Dennoch hatte Köhlers Armuts-These (ist halt ein echter Profi) Erfolg und so kam es wie erwartet zum Beschluss der großen Koalition (ok, offiziell waren es unabhängige Schlichter), die am 28. August vereinbarte, dass die Kassenärzte 2,7 Milliarden mehr zur Verfügung haben sollen, was in den Praxen einer Erhöhung der Kasseneinnahmen um 10 Prozent entsprechen soll. Die Versicherten soll diese Anhebung etwa 0,28 zusätzliche Prozentpunkte kosten (Köhler).
Nicht ganz ungeschickt vor der Entscheidung dürfte man die Ausführungen des Hautarzt Dr. Florian Diaz Pesantes bewerten, der mitsamt malerischem Foto am 28.08. in der Bild behauptete: Meine Putzfrau verdient mehr als ich.
Seinen Berechnungen zufolge erwirtschaftete er einen Stundenlohn von 5,90 Euro, seiner Putzfrau will er hingegen 10 Euro pro Stunde gezahlt haben. Die Praxis hat er mittlerweile aufgegeben. Der Bild sagte er: „Das Gesundheitssystem hat mich ruiniert“. Kleine Praxen würden systematisch kaputt gespart und solide ärztliche Arbeit wäre nicht mehr gewünscht, lautet sein bitteres Fazit.
Bei modernen Hautärzte dürfte sein Schicksal wenig Mitleid hervorgerufen haben, schließlich zeigt gerade diese Berufsgruppe eines der größten Geschicke im Umgang mit Selbstzahler-Leistungen.
Falten glätten, Schweißdrüsen herausoperieren, Hormontherapie, Haarsprechstunde – das sind die Zauberworte, mit denen man heutzutage als Hautarzt in der höchsten Einkommensklasse spielt
Das häufigste Problem besteht darin, dem Patienten zu vertickern, dass alles, was er sonst in überteuerten Schönheitspraxen vermutet, auch in der hiesigen Praxis angeboten wird, die er eher mit der Behandlung von Fußpilz oder Tripper verbindet.
Mit medizinischer Versorgung hat das dann natürlich nichts mehr zu tun. Aber man kann ja ein anderes Bewusstsein schaffen, warum sollen sich Leute eigentlich gesund fühlen, obwohl sie hässlich sind? Natürlich muss das als Geschäftsidee umformuliert werden. Also irgendwas mit gesteigertem Selbstwertgefühl und so weiter.
Wir kommen also zu den IGeL-Leistungen. IGeL sind Individuelle Gesundheitsleistungen, die von den Krankenkassen nicht erstattet werden. Laut wissenschaftlichem Institut der AOK werden damit jedes Jahr eine Milliarde Euro umgesetzt.
Ein riesiger Kuchen also, von dem sich viele gerne ein Stückchen abschneiden.
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