Wenn ein Professor auf einem Kongress spricht, dessen Präsident er ist, sollte man besondere Vorsicht walten lassen.
Im aktuellen Fall hat Professor Günther Deuschl (Kiel) beim Kongress der Deutschen Gesellschaft für Neurologie in Hamburg verkündet, Azilect könne den Krankheitsverlauf von Parkinson verzögern.
Das wäre natürlich ein Knüller, den bislang gibt es kein Parkinsonmedikament, das mehr kann, als Symptome zu lindern.
Folglich gab es gleich einen ganzen Haufen Falschmeldungen. Diesmal in zweifacher Hinsicht:
„Neues Parkinson-Mittel könnte Krankheit verzögern (Welt online), „Vielversprechendes Parkinson-Medikament entdeckt” (Krankenkassen Ratgeber) oder auch „Möglicherweise gibt es bald ein Medikament, das das Fortschreiten der Parkinson-Krankheit bremsen kann” schrieb das Hamburger Abendblatt.
Allesamt blödsinnige Meldungen, da Deuschl über die Wirkungen von Azilect sprach.
Und Azilect ist bereits seit Juli 2005 in Deutschland zugelassen.
Insofern gibt es kein neues Medikament und auch keine neue Entdeckung (Falschmeldung der ersten Kategorie).
In der zweiten Kategorie spielen die besser informierten Medien, wie beispielsweise der Focus: Neues Mittel verzögert das Zittern (Focus Online).
Tatsächlich entspricht diese Meldung schon eher der Ankündigung, denn bei der ADAGIO-Studie (1176 Patienten, 129 Krankenhäusern, 14 Länder) sollte die Auswirkungen der Therapie mit Rasagilin über einen Zeitraum von 18 Monaten getestet werden. Angeblich soll dabei herausgekommen sein, dass Rasagilin den Ausbruch der Erkrankung verzögert.
Aber Deuschl hat auch diesmal keine Zahlen genannt. Und langsam muss man fragen: Warum? Denn nach so langer Zeit befindet sich Rasagilin in der Bringschuld.
Schließlich ist weder die Substanzklasse, noch der Wirkmechanismus von Rasagilin neu oder besonders innovativ. Die einzige Kategorie, in der Rasagilin (Azilect) außerordentliches leistet, ist die Preiskategorie. Das Medikament kostet derzeit 5,8 mal so viel wie das vergleichbare Selegelin.
Ein aktueller Preisvergleich zeigt:
- Azilect kostet 170,17 Euro (30 Stück 1 mg)
- Selegelin kostet 29,33 Euro (30 Stück 1 mg)
Beide Substanzen haben die gleiche Funktion: Sie hemmen die Monoaminooxidase-B.
Bereits 2005, zum Zeitpunkt der Zulassung von Azilect, beklagte das Arzneimittel-Telegramm den geringen innovativen Wert von Azilect.
„Gegenüber Plazebo kommt es zu einer Verbesserung des mittleren Punktwertes um 4,2 (1 mg) und 3,6 (2 mg) bei Ausgangswerten von etwa 25.3. Dieser Unterschied ist zwar statistisch signifikant, jedoch von fraglicher klinischer Relevanz und liegt in der Größenordnung der Wirkung von Selegilin”.
Nach einer kurzen Diskussion über Nebenwirkungen schloss das Arzneimittel-Telegramm seine Neuvorstellung folgendermaßen:
„Eine Überlegenheit gegenüber dem deutlich preiswerteren Selegilin (MOVERGAN u.a.) ist nicht belegt. Wir sehen keinen Stellenwert für die teure Pseudoinnovation”
Und jetzt soll dasselbe Mittel Wunder bewirken? Wäre es da nicht an der Zeit, dass Herr Deuschl konkrete Zahlen nennt? Oder soll man sogar vermuten, dass er die Zahlen aufgrund ihrer geringen Aussagekraft zurückhält? Oder gibt es … nein, lassen wir das lieber.
Wir haben jedenfalls keinerlei Veranlassung uns über ein neues Wundermittel zu freuen.
Wir sind stattdessen enttäuscht, dass hier so leichtfertig mit der Hoffnung vieler Parkinsonerkrankter umgegangen wurde.
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