Zu den ersten Insider-Empfehlungen, die ich (als Outsider) von Krankenhausärzten erhielt, gehörte der Rat täglich eine geringe Dosis Aspirin einzunehmen, um damit das persönliche Herzinfarkt- und Schlaganfallrisiko zu senken.
Damals gab es noch nicht das billige ASS von Ratiopharm und weil der freundliche Arzt das wusste, bot er an, bei seiner nächsten Bestellung aus den USA etwas mitzuordern oder sich vom nächsten Kongress etwas für mich mitbringen zu lassen. Das war eine noble und gutgemeinte Geste.
Seit dem hat sich viel verändert. Der hohe Preisunterschied für Acetylsalicylsäure (ASS) ist seit Ratiopharms Generika passé, doch die Gerüchte über die Wunderwirkungen von Aspirin “die man gar nicht alle zusammen auf die Packung schreiben kann” (wie ein Bayer-Mann einst sagte) halten (auch in professionellen Kreisen) noch immer an.
Jetzt hat jedoch die schottische Forscherin Jill Belch im Fachjournal BMJ mal genauer hingeguckt. Insgesamt acht Jahre lang überprüfte sie die vermutete präventive Wirkung von ASS.
Dabei zeigte sich, dass das Medikament keine erstmals auftretenden Ereignisse wie Herzinfarkt oder Schlaganfall verhindern kann. Lediglich unerwünschte Nebenwirkungen wie Magen- oder Darmbluten begünstigte das Medikament in geringem Umfang.
1276 Diabetes-Patienten über 40 Jahren wurden für die Studie untersucht, alle hatten bislang noch keinen Herzinfarkt erlitten.
Während die Hälfte der Patienten Acetylsalicylsäure (ASS) in einer Konzentration von 2 mal 100 mg täglich erhielt, erhielten die anderen Patienten lediglich ein wirkungsloses Scheinmedikament (Placebo).
Nach Ablauf der acht Jahre waren in der ASS-Gruppe 116 Herzinfarkte aufgetreten, in der Placebo-Gruppe waren es 117. Statistisch betrachtet ist dabei kein Unterschied feststellbar.
Zusätzlich zeigte die Studie keinerlei präventiven Einfluss auf die Verhinderung von Schlaganfällen oder Todesfälle durch Herzerkrankungen.
Lediglich in Bezug auf unerwünschte Nebenwirkungen, lag die ASS-Gruppe geringfügig vorne.
Die Ergebnisse zeigten eine leichte Erhöhung der Wahrscheinlichkeit von inneren Blutungen, die entweder im Magen oder im Darm aufgetreten waren.
Studienautorin Belch warnt aufgrund ihrer Ergebnisse vor einer eigenmächtigen Vorsorge mithilfe von ASS.
Belch weist jedoch gleichzeitig darauf hin, dass die Therapie nach einem Herzinfarkt oder Schlaganfall mit ASS gesichert sei. Insofern wäre es sinnvoll einem zweiten Ereignis mithilfe der Medikamentation entgegenzuwirken, wohingegen der erste Herzinfarkt oder Schlaganfall durch präventiv gegebenes ASS nicht verhindert werden kann.
Für Normalsterbliche bedeutet das Ergebnis erneut, dass es keinen Sinn macht, im gesunden Zustand dauerhaft Medikamente einzunehmen, da man dadurch keine Risiken abwenden kann.
Traurig dürfte die Nachricht nur Pharmafirmen machen, die viel Geld in Werbung investieren, um Medikamente zu Lifestyle-Produkten zu machen.
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