Über Wissenschaft wird immer mehr in Blogs geschrieben und immer weniger in Redaktionen. Das ist eine These, die Natures Top-Autor Geoff Brumfiel in der Ausgabe vom 18. März aufstellt und worüber er sich gar nicht freut.
Denn er sieht darin eine große Gefahr für den unabhängigen Wissenschaftsjournalismus.

i-73df8677674088ae367914307952680e-Labor-3.jpg

Er begründet seine Eingangs-beobachtung mit der fortwährenden Streichung von Stellen in Redaktionen.

Als Beginn der “Ausdünnung” macht er allerdings ausnahmsweise mal nicht die aktuelle Finanzkrise verantwortlich, sondern sieht deren Anfänge in den 90er Jahren, als die Zeitungen und Zeitschriften feststellten, dass Wissenschaftsjournalismus keine Anzeigenkunden bindet, wenig Leser hat – aber insgesamt eine teure Angelegenheit ist.

Unser Marc hat das ja mal von der anderen Seite beschrieben.

Ich bin jetzt nicht der Erste, der Brumfiels Artikel aufgreift, schneller war Carolin Neumann vom Blog medienlese.com und dort haben auch die üblichen Verdächtigen Fischer und Könneker (dreimal dürft ihr raten, wer Erster war) gleich fachkundig kommentiert.

Nach Brumfiels Analyse besteht jedenfalls, die größte Gefahr für die Unabhängigkeit darin, dass viele gute Journalisten in die Wirtschaft gewechselt haben und von dort aus so gute Pressemitteilungen (PMs) schreiben, dass die wenigen verbliebenen Redakteure – die allesamt unter enormen Zeitdruck arbeiten – diese guten PMs als gefundenes Fressen auffassen, ganz geringfügig umschreiben, nicht mehr nachrecherchieren und dadurch auf ihre vier Meldungen pro Tag kommen.

In Deutschland soll nach Ansicht von Holger Wormer (früher Süddeutsche-Redakteur und für die Skandale zuständig, jetzt Professor in Dortmund) die Analyse aufgrund der Wissenschafts-Seite von der FAZ nicht so ganz deutlich zutreffen, aber ob sich da nicht bereits erste professorale Ausfallserscheinungen bei Wormer breitmachen – ist die nächste Frage.

Was mir an Brumfiels Analyse etwas gefehlt hat, ist der nachhaltige Grund, weshalb Blog-Journalismus auf Dauer den redaktionellen Journalismus nicht ersetzen kann.

Reden wir also über Geld.

Brumfiel schreibt, dass sich manche freie Autoren mit ihren Blogs um ein eigenständiges Geschäftsmodell bemühen, was er jedoch nicht schreibt, ist die Aussichtslosigkeit davon irgendwann mal leben zu können. Hier hat mal einer der erfolgreicheren deutschen Blog-Autoren seine Einkünfte durch Google Werbung (Adsense) veröffentlicht.

Also trotz Platz 69 in den deutschen Blogcharts erhielt er über Anzeigen nicht mehr als 70 Euro (pro Monat).

Darüber kann man sich erschrecken, aber mit was anderem darf man nicht rechnen.

Heißt also: Sobald der Enthusiasmus nachlässt, wird über kurz oder lang jeder Blog eingestellt werden. Die Liste der toten Blogs wird entsprechend auch immer länger.

Aber Qualität …

Kommentare (4)

  1. #1 Fischer
    März 25, 2009

    Naja, glaube kaum, dass Datenwachschutz jetzt so das tolle Beispiel ist. Für mich sind die deutschen Blogcharts nicht mal am Horizont sichtbar, und ich schalte auch kein Google Adsense, aber ich kann mich über mein Blog-generiertes Einkommen absolut nicht beklagen.

  2. #2 Peter Artmann
    März 25, 2009

    Wie? Spenden?

    Immerhin schön zu hören, dass bei Dir Aufwand und Ertrag zusammenpassen.

  3. #3 Fischer
    März 25, 2009

    Nee, das Spendenaufkommen ist notorisch lahm. Das sind eher anderweitige Aufträge, die mit der Blog-Reputation zusammenhängen. Ich würd auch nicht sagen, dass der Ertrag den Aufwand rechtfertigt, aber dafür, dass Bloggen meistens ziemlich brotlose Kunst ist, kommt da inzwischen schon ein ganz schöner Batzen rüber.

    Ist natürlich auch kein universelles Geschäftsmodell für ne ganze Branche. Da muss man schon reichlich Glück für haben.

  4. #4 Stefan Jacobasch
    März 26, 2009

    Am Wochenende hatte ich die aktuelle Ausgabe der “Max Planck Forschung” im Briefkasten. Das fast 100 Seiten dicke Magazin war durchweg spannend und gut lesbar. Wenn wir mal beiseite lassen, dass es sich dabei natürlich um pure PR für die Max Planck-Forscher handelt, so würde ich doch sagen, dass viele Beiträge so auch 1:1 in “Zeit Wissen”, “brand eins”, “Technology Review” etc. pp. hätten stehen können.

    Mein Eindruck: Die PR-Arbeiter werden immer besser, während der unabhängige Journalismus sparen muss und abbaut. Blogs sind (noch) nichts, was ausgleichend auf diese Entwicklung wirkt.