Schon wieder eine Plagiatsaffäre – diesmal in Ungarn. Die Schuld nur den unehrlichen Pseudo-Doktoren zuzuschieben greift aber zu kurz.
Karl-Theodor zu Guttenberg hat sich durch eine Plagiatsaffäre im Zusammenhang mit seiner Dissertation aus der Politik entfernt, dem ungarischen Präsidenten Pal Schmitt könnte nun dasselbe passieren. Auch der österreichische Politiker Johannes Hahn (er ist immerhin EU-Kommissar) wurde mit ähnlichen Vorwürfen konfrontiert (in Österreich dauert aber vieles ein bisschen länger). Nicht einmal das Plagiieren von Doktorarbeiten ist mehr eine originelle Idee. Was kann man dagegen tun, dass sich dieses Vergehen so ausbreitet? Und wer ist daran schuld?
Das Problem kann eigentlich nur auftreten, wenn die Arbeit an einer Dissertation von der klassischen akademischen Arbeit abgekoppelt ist. Wer, wie das in den Naturwissenschaften üblich ist, täglich im Labor steht oder am Computer sitzt, wer permanent Kontakt mit Kollegen und mit betreuenden Professoren ist, der hat gar nicht die Möglichkeit, Plagiate zu begehen. Der Arbeitsfortschritt von Dissertanten, die fest an ihrem Institut verwurzelt sind, wird ohnehin ständig überwacht – zumindest sollte das so sein. Schwieriger ist diese Art von Dissertations-begleitendem Monitoring natürlich bei Leuten, die nebenbei berufsbegleitend an einer Dissertation arbeiten und nur wenig Kontakt mit ihrer Universität haben.
Die akademischen Betreuer tragen Verantwortung
In jedem Fall aber sollte eine Dissertation wissenschaftliche Substanz beinhalten, die es vorher noch nicht gegeben hat (zumindest nicht in derselben Form und basierend auf den selben Methoden) sonst ist das Thema falsch gewählt. Ein Dissertationsprojekt, dessen Ergebnis anderswo bereits fertig in einer Bibliothek steht, darf eigentlich gar nicht begonnen werden.
Insofern greift es zu kurz, wenn in der Diskussion um abgeschriebene Doktorarbeiten nur die Schummler-Doktoren selbst kritisiert werden. Genauso peinlich ist die Sache für die betreuenden Professoren. Niemand ist gezwungen, Dissertanten zu betreuen – doch wenn er es macht, dann hat er für wissenschaftliche Qualität zu sorgen. Ein Dissertationsbetreuer steht auch mit seinem Namen für die Qualtität der abgegebenen Arbeit – wie auch die Universität, die den Titel vergibt.
Wenn Doktorarbeiten abgeschrieben werden, ist das also nicht nur ein Symptom dafür, das gewisse Leute zu wenig Anstand haben, sondern auch Zeichen, dass Dissertationen aus den Wohnzimmern eifriger Titelsammler zurück an die Universitäten geholt werden müssen. Wissenschaftliches Arbeiten ist dazu da um Wissen zu generieren. Und wer Wissen neu generiert, der kann seine Resultate von niemandem abschreiben.
Das Trauerspiel mit den Diplomarbeiten
Viel schlimmer ist die Situation natürlich bei Diplomarbeiten: An vielen Universitäten haben einzelne Professoren viel mehr Diplomarbeiten zu betreuen als sich realistischerweise mit ausreichender fachlicher Tiefe überblicken lässt.
Im naturwissenschaftlichen Bereich gibt es zum Glück viele Diplomarbeitsthemen, die sich direkt aus der aktuellen wissenschaftlichen Forschung der Institute ergeben: Eine Frage, die im Labor gerade dringend beantwortet werden soll, bekommt ein Diplomand eben als Aufgabe zugeschoben. Auch hier ist die Gefahr eines Plagiats eigentlich von vornherein gebannt. Hat ein Professor aber dutzende Diplomanden im Semester abzufertigen, bleibt ihm gar nichts anderes übrig, als ihnen irgendwelche lieblosen Themen zuzuschieben, über die man im Internet vielleicht bereits viel mehr runterladen kann, als der Professor für möglich hält.
Die Botschaft, die wir aus den Plagiatsaffären mitnehmen sollen ist also: Sorgen wir für sinnvolle Betreuungsverhältnisse an den Universitäten! Geben wir dem Uni-Personal die Möglichkeit, sich mit jeder akademischen Arbeit intensiv auseinanderzusetzen! Die Studierenden werden dadurch nicht nur gezwungen, ihre Arbeiten selbst zu verfassen – je enger sie in den wissenschaftlichen Alltag an den Instituten eingebunden werden können, umso mehr werden sie lernen.
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