Todesfälle durch anti-wissenschaftlichen Wunderglauben sind furchtbar. Nach einzelnen Schuldigen zu suchen löst keine Probleme.
Es ist ein trauriges Thema – und eines, bei dem man nicht polemisieren soll: Wie der Schweizer „Tages-Anzeiger” berichtete, ist eine Frau beim Lichtfasten gestorben. Es heißt, sie habe eine Radikalfastenkur begonnen, wie sie die australische Esoterikerin Jasmuheen anpries: Drei Wochen lang müsse man fasten, in der ersten Woche dürfe man auch nichts trinken, dann stelle sich der Körper auf die Aufnahme von Prana um – einer Art von Lichtenergie. Statt Nahrung brauche man dann nur noch Licht. Bekannt wurde diese selbstzerstörerische Fastenmethode durch den Film „Am Anfang war das Licht” von P.A. Straubinger, über den ich bereits ausführlicher berichtet habe.
In verschiedenen Blogs wurde bereits darüber geschrieben – und nicht nur dort. Es ist nicht besonders überraschend, dass nun die Frage gestellt wird: Wer trägt Schuld an diesem traurigen Todesfall? Jasmuheen? Der Film? P.A. Straubinger?
Nein. Es wäre viel zu simpel, einer bestimmten Person die Schuld an dieser Tragödie aufzubürden. So mächtig ist kein Film und kein Filmemacher – zum Glück nicht. Ein Film wie „Am Anfang war das Licht” bringt keine Leute um. Aber er ist ein Symptom einer Geisteshaltung, die gesellschaftlich äußerst problematisch ist – einem tief verankerten esoterischen Wunderglauben, gepaart mit geringer wissenschaftlicher Bildung und einem tiefen Misstrauen gegenüber naturwissenschaftlichen Erkenntnissen.
Menschen, die von anti-wissenschaftlichen und esoterischen Theorien ins Unglück gestürzt werden, gibt es leider immer wieder: Es gibt Leute, die von dubiosen Sekten in psychische Abhängigkeit gezerrt werden. Es gibt Leute, die sich finanziell ruinieren, weil ihnen esoterische Berater oder Gesundbeter einreden, es sei ihre einzige Chance. Es gibt Leute, die einen vielleicht lebensrettenden Arztbesuch verweigern, weil sie auf unwirksame Alternativmittelchen setzen. Jeder einzelne Fall ist eine persönliche Tragödie. Allen Opfern gebührt Mitgefühl, ein überlegener Abschottungsreflex nach dem Motto „selber Schuld – Dummheit bestraft sich eben selbst”, ist völlig fehl am Platz.
Gefährdet sind Menschen in Krisenphasen, die irgendwo Halt suchen – und dabei oft an die Falschen geraten. Welche esoterische Theorie dann eine Katastrophe auslöst, ist am Ende wohl reiner Zufall. Wer vom einen Eso-Trend verschont bleibt, verfängt sich eben in einem anderen. Wenn wir bei einem konkreten Fall nach Schuldigen suchen, machen wir einen logischen Fehler, der auch in Gesundheitsdebatten oft zu beobachten ist: „Mein Kind ist lungenkrank – ist die Autobahn schuld?”, wird dann gefragt. Wer ist letztes Jahr an einem Krebs gestorben, der durch erhöhte Strahlung in Transatlantikflügen ausgelöst wurde? Hat ein großes Grillfest vor zehn Jahren Todesfälle durch Herzverfettung verursacht? All diese Fragen machen keinen Sinn. Schädlich sind nicht Einzelursachen, sondern ein ungesunder Lebensstil, der sich aus vielen einzelnen Ursachen zusammensetzt. Ob das Auto meines Nachbarn Lungenkrebs auslöst, lässt sich nicht sagen. Dass der Straßenverkehr durch Abgase und Feinstaub insgesamt gesundheitliche Schäden hervorruft, ist allerdings unbestritten.
Genauso sollte man auch im Esoterik-Bereich nicht nach singulären Schuldigen suchen, aber wir sollten darauf aufmerksam machen, dass dieses anti-wissenschaftliche Gedankengebäude insgesamt sehr gefährlich sein kann. Wenn man die Schuld nur an einem einzelnen Faktor festmacht, besteht die Gefahr, andere Problemfelder zu übersehen. Wenn ein Stück Autobahn gesperrt wird, ist damit der Kampf gegen Lungenprobleme nicht gewonnen. Hätte es ein bestimmtes Buch oder einen bestimmten Film nie gegeben, wäre die Welt deshalb nicht rational und aufgeklärt. Wir sollten immer mit dem nötigen Ernst auf alle Gefahren hinweisen. Lustig war das Thema nie. Jetzt erst recht nicht mehr.
Mehr zum Lichtfasten-Film auf www.naklar.at
Anmerkung: Kursiver Text oben nachträchlich eingefügt.
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