Mit Quanten-Billards habe ich mich einige Zeit lang selbst wissenschaftlich beschäftigt. Ich möchte im Lauf der Zeit hier einige Einblicke in dieses spannende Gebiet bieten – doch zuerst mal: Was ist das überhaupt für ein Zeug?
Billard ist ein Spiel, das physikalisch ziemlich leicht zu verstehen ist. Wenn ich mit dem Queue die Kugel anstoße, wird sie sich von mir wegbewegen, wenn die Kugel die Bande trifft, wird sie reflektiert werden, wenn eine Kugel die andere berührt, werden sich beide mit geänderter Geschwindigkeit und Richtung weiterbewegen. Die Gesetze der klassischen Mechanik, die solche Bewegungen und Stöße mit wunderbarer Präzision beschreiben, sind seit langem genau bekannt. Niemand wird von irgendwelchen physikalischen Ereignissen am Billardtisch besonders überrascht sein – höchstens vom Talent der Spieler. Die Physik dahinter erscheint uns recht vertraut. Trotzdem gibt es heute viele Physiker, die sich mit Billardproblemen beschäftigen.
Die Welt der großen Dinge …
Stellen wir uns nun vor, wir würden die Größe des Billardtisches ändern. Was würde geschehen, wenn unser Tisch mehrere Kilometer lang wäre? Passend dazu stellen wir uns auch noch Billardkugeln groß wie Einfamilienhäuser vor, und auch den Queue lassen wir entsprechend wachsen. Wenn wir selbst nun groß und stark genug wären, um mit diesem Riesenbillard zu spielen – wie würde das Spiel verlaufen? Die Kugeln würden sich genauso bewegen wie vorher. Wenn wir dieses Billardspiel im Fernsehen übertragen würden könnte niemand nur aufgrund der Bahnen der Kugeln sagen, ob es sich um den großen oder um den gewöhnlichen Billardtisch handelt. Die Gesetze der klassischen Mechanik sind auf dieselbe Weise anwendbar, unabhängig von der Größe unseres Systems. Diese Tatsache nennt man Skaleninvarianz.
… und die Welt des Kleinen
Was geschieht nun, wenn wir den Billardtisch immer kleiner machen? Zunächst überhaupt nichts. Auch auf einem zündholzschachtelgroßen Tisch mit winzigen Kugeln und zahnstocherartigen Queues könnte man – theoretisch – wie gewohnt Billard spielen. Wenn man allerdings die Abmessungen des Tisches weiter verkleinert, bis wir unser Billardspiel nur noch unter einem guten Mikroskop sehen können, bemerken wir, dass die Billardkugeln langsam beginnen, sich etwas ungewöhnlich zu benehmen. Die klassischen Kugelstoß-Gesetze an die wir uns so sehr gewöhnt haben, beschreiben das was wir sehen nur noch näherungsweise. Wenn wir in die Größenordnung von einzelnen Mikrometern (Millionstel Metern) oder gar Nanometern (Milliardstel Metern) kommen, und unsere Billardkugeln nur noch aus einem einzigen Teilchen (einem Atom oder Elektron) bestehen, dann erkennen wir, dass unsere Vorstellung von Kügelchen, die sich auf geraden Linien fortbewegen und aneinanderstoßen, endgültig keine Sinnvolle Betrachtungsweise mehr ist. Wir brauchen die Quantenphysik, um das Verhalten der Teilchen richtig vorhersagen zu können.
Halbleiterbillards
Winzigkleine Billardsysteme können also ein nettes Spielzeugmodell für Theoretiker sein. Ist das alles? Wenn das so wäre, hätten die Physiker wohl schon längst das Interesse daran verloren. Es steckt mehr dahinter. Solche winzigen Billards gibt es wirklich: Statt der Kugel verwendet man ein einzelnes Elektron, den “Tisch” kann man mikrometergroß herstellen – in Halbleiterstrukturen. Der Einfachheit halber hat unser Quanten-Billardtisch nur zwei Löcher: Eines links, das ist der Eingang, durch den das Elektron hereintritt, das andere rechts, dort kann das Elektron hinaus. Es kann sich aber auch, nachdem es mehrmals an den Wänden angestoßen ist, in das Eingangsloch zurückbewegen. Wenn nun immer wieder einzelne Elektronen von links in das Billard eintreten und (zumindest viele von ihnen) rechts wieder austreten, dann wird elektrische Ladung transportiert, es fließt Strom. Unser Billard ist also nun ein winziger elektronischer Bauteil, ein Stromleiter, wie ein Mini-Kabel.
Bei einer Lampe mit Dimmschalter kann man kontinuierlich einstellen, wie viel Strom fließt. Wenn der Stromfluss in einem Mini-Draht aber nur aus einigen wenigen Elektronen besteht, ist das anders. Ein einzelnes Elektron geht entweder durch den Draht oder eben nicht. Niemals wird man ein halbes Elektron messen. Daraus ergeben sich quanten-Phänomene, die man am Computer berechnen und im Experiment überprüfen kann. Der Quanten-Hall-Effekt, für dessen Erklärung 1985 der Nobelpreis an Klaus von Klitzing vergeben wurde, ist Beispiel für einen Quanten-Effekt, der in solchen Mini-Billards nachweisbar ist. Er ermöglicht Strommessungen mit bisher unübertroffener Präzision.
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