Ich habe heute einen Generator gebaut. Er funktioniert ganz wunderbar, und ich habe mich dabei nicht verletzt. „Wie kann das sein, du bist doch Theoretiker”, werden jetzt Leute fragen, die mich gut kennen. Nun: Ich habe mir ein bisschen helfen lassen, von einem zwölfjährigen Mädchen.
Die Wiener Universitäten sind derzeit in Kinderhand: Die Kinderuni ist eine jährlich wiederkehrende Aktion, bei der tausende Kinder Vorträge hören, experimentieren oder basteln können. Ich halte das für eine ganz großartige Idee, inzwischen hat sie sich erfreulicherweise auf viele Universitätsstädte ausgebreitet. Auch heuer helfe ich dabei auch selbst ein bisschen mit.
Die Kinderuni soll Kindern zeigen, wie spannend Wissenschaft ist. Für eine technisch-naturwissenschaftliche Universität ist natürlich besonders erfreulich, dass der Mädchenanteil dort ungefähr bei 50% liegt – das lässt hoffen: Der Frauenanteil bei den Studierenden ist nämlich bei Studienrichtungen wie Physik oder Maschinenbau noch immer peinlich niedrig.
Interessant ist, dass schon bei der Kinderuni zwischen eher frauen- und eher männerdominierten Fachgebieten unterschieden werden kann: Bei Architektur-Themen sieht man viele Mädchen, bei mathematischen ist das Verhältnis recht ausgeglichen, und dort wo es ums Schrauben, Hämmern und Sägen geht sind die Mädchen wieder einmal heftig unterrepräsentiert. Ob die Eltern dafür verantwortlich sind, weil sie ihre Kinder (bewusst oder unbewusst) bei geschlechtsspezifisch ausgewählten Kinderuni-Vorlesungen anmelden, oder ob sich in diesem Alter die Kinder selbst aus eigenem Antrieb in bereits internalisierte Rollenbilder fügen, kann ich nicht überprüfen. Aber wie auch immer: Mich erstaunt wie stabil sich diese Rollenbilder über Jahrzehnte erhalten.
Heute habe ich in einer Bastelgruppe assistiert, in der jedes Kind (und ich auch, so nebenbei) einen kleinen Generator basteln durfte. Ganz klischeegemäß war diese Gruppe sehr männlich dominiert: Nur ein einziges Mädchen saß dabei – das war allerdings unsere Musterschülerin. Schneller als alle anderen verstand sie was zu tun war, souverän wickelte sie die Spule auf.
„Toll, du bist schon fertig!”, sagte ich. „Dann kannst du schon mal zum anderen Tisch gehen, dort zeigt man dir dann, wie man die Drähte zusammenlötet.” Sie blickte mich verständnislos an: „Löten? Das ist doch ureinfach [1]. Das mach ich selbst!” Und als ich sehe, wie professionell sie mit dem Lötkolben umgeht, die Drähte verzinnt und fixiert, lasse ich sie meine Spule auch noch löten. Wer weiß, ob ich das selbst so gut hingebracht hätte.
Diese Chance auf Nachwuchs-Rekrutierung will ich mir natürlich nicht entgehen lassen: „Willst du später auch mal etwas Technisches studieren, wenn du dich da so gut auskennst”, frage ich. „Nein. Ich will später eine Modeschule machen”, antwortet sie.
Naja. Schade. Aber die Welt braucht vermutlich auch gute Modedesignerinnen. Bis sowohl im Modedesign als auch in der Elektrotechnik die Geschlechterverhältnisse ausgeglichen sind, wird wohl noch einige Zeit vergehen.
[1] Sprachwissenschaftliche Anmerkung für alle Nicht-Wiener: “Ur” ist in Ostösterreich eine urpraktische Vorsilbe, mit der man ureinfach Wörter verstärken kann. Sie ist urverbreitet und hat sich sogar schon ur als eigenes Wort etabliert, mit dem man ganze Satzteile ur unterstreichen kann. Urcool, jedenfalls.
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