Wir haben also doch einen freien Willen, hat nun ein Quantenphysiker herausgefunden. So ein Glück!


Die Wissenschaft und der freie Wille – das ist ein Zweikampf, der seit dem Zeitalter der Aufklärung immer wieder mit feurigem Eifer inszeniert wird. Wenn die Welt völlig deterministisch abläuft, wie ein hochkompliziertes Uhrwerk, wenn sich aus dem Zustand der Welt an einem bestimmten Augenblick durch die Naturgesetze ganz zwangsläufig der Zustand im darauffolgende Augenblick ergibt – kann man dann überhaupt noch von Willensfreiheit reden?

Naturwissenschaft: Jetzt neu – mit freiem Willen!

Hans Briegel, ein Quantenphysiker aus Innsbruck, hat letzte Woche in „Nature Scientific Reports” ein Paper veröffentlicht, in dem er versucht, dem Phänomen des freien Willens näherzukommen – in den Medien hat das für einiges Aufsehen gesorgt. „Naturgesetze lassen freien Willen zu” oder „Der freie Wille hängt vom Zufall ab” titeln Zeitungen. Na wenn das kein Grund ist, sich die Sache mal näher anzusehen!

Briegel stellt darin ein Modell für die Entstehung freier Gedanken vor. So ein Modell muss jedenfalls anders funktionieren als ein simpler Taschenrechner, der auf einen bestimmten Input jedes Mal gleich reagiert. Die Nervensysteme von sehr simplen Organismen, etwa der Meeresschnecke Aplysia, kann man auch dieser Kategorie zuordnen, meint Briegel. Aplysia hat besonders große Neuronen und ihr Nervensystem ist recht einfach, daher ist sie ein beliebtes Untersuchungsobjekt in der Neurobiologie. Auch wenn wir uns nicht zu Diagnosen über das Seelenleben der Aplysia hinreißen lassen wollen – es fällt wohl niemandem schwer, sich das Nervensystem eines einfachen Tieres als rein reflexartig vorzustellen: Elektrische Signale lösen auf deterministische Weise eine Reaktion aus, beispielsweise eine Bewegung. In sich gehen, kontemplieren und sich nach innerem Kampf zu einer Entscheidung durchringen kann Aplysia wohl nicht.

Ein Netz aus Erfahrungen

Wenn wir nachdenken und entscheiden, verarbeiten wir Erinnerungen an vergangene Erkenntnisse und Erfahrungen. Unsere Gedanken wandern in Briegels Modell von einem Gedächtnisinhalt zum nächsten. Der Gedanke wird als Zufallswanderer modelliert, der sich in einem Netz von Gedächtnisinhalten bewegt und nach bestimmten Zufallswahrscheinlichkeiten von einem Punkt zu einem der benachbarten Punkte wandert. Das ist unabhängig davon, ob der Gedächtnisinhalt an einem bestimmten Punkt dieses Erinnerungs-Netzes eine tatsächliche vergangene Begebenheit widerspiegelt oder nachträglich verändert worden ist. Das denkende Subjekt kann mit Gedächtnisinhalten „spielen”, wie Briegel sagt, und dadurch in unserer Erinnerung Episoden einspeichern, die nie so geschehen sind, die aber ebenfalls Teil des Gedankennetzes sind, in dem sich unser Denken bewegt.

Das Netz und der Zufall

Zwei Punkte sind wichtig für das Entstehen von freiem Willen, schreibt Briegel: Erstens das Erinnerungs-Netz, das als Simulationsplattform dient, in der über eine Entscheidung nachgedacht werden kann, anstatt einem bloßen Reflex folgen zu müssen. Die Denkprozesse finden in einem Netz statt, dessen Gedächtnisinhalte selbst durch die Denkprozesse überformt und verändert wurden. Zweitens: Der Zufall. Es muss, so meint Briegel, einen Zufalls-Prozess geben, mit der die Gedanken von einem Erinnerungsinhalt auf einen anderen wechseln. Ein Kandidat dafür ist der Quantenzufall, als möglicherweise fundamentalste Version des Zufalls in der Physik.

Das Ende eines historischen Streits?

Ist damit nun der freie Wille mit der deterministischen Physik versöhnt? Wohl kaum. Das Netz, in dem der Denkprozess abläuft und das durch diesen Denkprozess seinerseits ständig verändert wird, erinnert sehr stark an bisher schon bestehende Konzepte von neuronalen Netzen. Mit der Frage nach der Freiheit des Willens hat das noch nicht allzu viel zu tun, denn auch die Modifikation dieses Netzes kann nach völlig deterministischen Regeln vorgeben. Briegel selbst schreibt, dass man ein solches System künstlich nachbauen könnte. Auch in einer Turing-Maschine? Wenn es klare, von Anfang an bekannte Regeln gibt, nach denen sich ein System weiterentwickelt, kann ich dann von freiem Willen sprechen? Briegel selbst äußert sich in seinem Paper darüber auch nur sehr vorsichtig – was freilich viele Medien wieder mal nicht hindert, reißerisch zu formulieren.

Mein Chef, der Zufall

Interssant ist jedenfalls, dass auch hier wieder der Zufall eine entscheidende Rolle spielt. Auf Zufalls-Argumente stößt man nämlich in der Diskussion rund um freien Willen und das Bewusstsein immer wieder. Wir können oder wollen uns nicht vorstellen, dass unser kreatives, freies Denken, auf das wir so stolz sind, klaren naturwissenschaftlichen festgelegten Regeln folgt. Also muss irgendein Zufall her, ein Deus ex Machina, der uns der bedrohlichen deterministischen Kausalkette entreißt (am besten mit Hilfe der Quantenphysik – auch wenn niemand so genau weiß, warum Quantenzufall nun wirklich so grundlegend anders sein soll als eine Lottoziehung). Selbst wenn so etwas funktioniert und wir vom Zufall gesteuert werden: Was haben wir dann gewonnen?

Wenn wir auf dieser Ebene über freien Willen nachdenken, dann kann es ihn schon definitionsgemäß nicht geben. Entweder unser Denken beruht auf naturwissenschaftlichen Gesetzen, dann bestimmen diese Gesetze was ich denke und beschließe. Oder es gibt ein Zufallselement, das den naturwissenschaftlichen Regeln nicht unterworfen ist und quasi dem Universum zusätzliche, neue Information hineinfüttert, ohne irgendeine kausale Ursache – also auch ohne dass ich oder sonstjemand darauf Einfluss nehmen könnte. Das allerdings hat mit Freiheit auch nichts zu tun. Warum soll mich das Diktat eines Zufallsereignisses freier sein lassen als das Diktat eines mechanistischen Prozesses?

Es gibt Leute wie den deutschen Neurophysiologen Wolf Singer, die eine solche Argumentation zum Anlass nehmen, den freien Willen zu leugnen und sogar über die Frage nachzudenken, ob wir für üble Taten überhaupt zur Verantwortung gezogen werden können, wenn wir uns doch gar nicht freiwillig für sie entscheiden. Ich halte das für eine Vermischung von Kategorien.

Reduktionismus: Alles ist Physik?

Der freie Wille ist ein sehr nützliches Gedankenkonzept, wenn wir über Psychologie oder über Soziologie nachdenken. Er ist ein Begriff, der in ganz bestimmten wissenschaftlichen Feldern beheimatet ist. In physikalischen Theorien kommt er nicht vor. Freilich: Man kann Wissenschaften auf andere Wissenschaften zurückführen, damit hatten wir schon große Erfolge. Wir haben heute großes Vertrauen in die Annahme, dass die Chemie prinzipiell auf die Quantenphysik zurückgeführt werden kann – auch wenn es unsere Fähigkeiten heute bei Weitem übersteigt, komplizierte Chemische Reaktionen wirklich exakt Quantenteilchen für Quantenteilchen am Computer nachzuberechnen. Wir haben gelernt, dass sich Eigenschaften von biologischen Zellen sehr gut durch Chemie (und auch Physik) erklären lassen. Wir wissen, dass Gedanken mit der elektrochemischen Aktivität von Nervenzellen zu tun haben. Nirgendwo in dieser Kette gibt es eine deutliche Trennlinie, und ich bin selbst – als Reduktionist – überzeugt, dass wir die Zusammenhänge zwischen diesen Gebieten immer besser verstehen und nie auf eine unüberbrückbare Trennlinie stoßen werden. Trotzdem werden wir niemals menschliche Gedanken mit Formeln der fundamentalen Physik beschreiben. Selbst wenn wir es könnten: Es wäre einfach verdammt unpraktisch.

Menschliche Gedankenkonzepte und sprachliche Begriffe haben sich entwickelt, weil sie nützlich sind. In der Wissenschaft sind sie meist nur in einem überschaubaren wissenschaftlichen Gebiet nützlich. Auch wenn wir an die „Einheit der Wissenschaft” glauben und die Welt als ein deterministisches Uhrwerk betrachten, werden wir doch zugeben, dass wir in unserem täglichen Leben Kategorien wie „Bewusstsein”, „Wille” oder auch „Freundschaft” und „Hass” ganz zweifellos eine sehr bedeutsame Realität zugestehen. Das ist kein Makel, das ist bewährte Taktik.

Emergente Eigenschaften

In der Physik waren Begriffe wie „Temperatur” oder „Druck” bekannt, lange bevor diese Begriffe mit dem Rest der Physik sauber in Verbindung gebracht werden konnten. Ludwig Boltzmann konnte dann durch schöne Formeln zeigen, dass sich diesen Begriffen eine saubere Bedeutung zuordnen lässt, wenn man das mechanische Verhalten von Atomen berechnet. Die Temperatur hat mit der durchschnittlichen Geschwindigkeit der Atome zu tun, der Druck mit dem Impuls, den sie auf einen umgebenden Behälter ausüben, wenn sie an der Wand anstoßen. Boltzmann beschrieb diese Größen statistisch – das ist nur bei einer großen Anzahl von Teilchen wirklich sinnvoll. Den Druck eines einzelnen Atoms angeben zu wollen, ist ein eher nutzloses Unterfangen. Druck und Temperatur sind emergente Eigenschaften eines Gases, die nicht in den einzelnen Gasatomen festgeschrieben sind. Trotzdem käme niemand auf die Idee zu sagen: Druck und Temperatur gibt es nicht! Es gibt nur Geschwindigkeitsvektoren und Massen von Teilchen, sonst nichts! Druck und Temperatur sind eine Illusion!

Nein – Druck und Temperatur haben sich als nützliche Begriffe erwiesen, daher verwenden wir sie. Mit dem freien Willen ist es wohl ähnlich: Auf Ebene der fundamentalen Physik ist er eher nutzlos. Aber er ist ein emergentes Phänomen, das aus dem Zusammenspiel einer großen Anzahl von Nervenzellen entsteht – und als solches emergentes Phänomen ist er sichtbar und erkennbar, auch wenn er auf fundamentaler Ebene genauso verschwindet wie der Druck bei Betrachtung eines einzelnen Atoms. Darüber sollten wir uns nicht wundern, das ist ganz normal.

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Kommentare (45)

  1. #1 Dagda
    Juli 24, 2012

    Ich kann dazu nur das Buch “Freedom evolves” von Daniel Dennet empfehlen.

    Und nur als Anmerkung, wenn ich mich nicht täusche gehen modernere philosphische Argumente über den freien Willen davon aus, dass es einen wie auch immer gearteten freien willen nur in einer halbwegs deterministischen Welt geben kann, weil nur hier die möglichkeit einer wie auch immer gearteten Urheberschaft besteht.

  2. #2 mcw
    Juli 25, 2012

    Die Analogie mit Druck und Geschwindigkeitsvektoren hat mir besonders gefallen 😀 Schöner Artikel.

  3. #3 Adoa Coturniv
    Juli 25, 2012

    Das ist mal gut gesagt: Der freie Wille ist genauso emergent, wie Druck und Temperatur und verliert auf mikroskopischer Ebene völlig seine Bedeutung.

    Zumal die Geschichte mit dem Zufall auch eher relativ ist: Ein chaotisches aber deterministisches dynamisches System kann auf mesoskopischer oder gar makroskopischer Skala ein guter Zufallszahlen-Lieferant sein. So richtig »gebraucht« wird der Zufall aus der Quantenmechanik hierfür zumindest nicht …

  4. #4 Sven
    Juli 25, 2012

    Zu dem Thema sehr empfehlenswert: “Jenseits von Gut und Böse” von Michael Schmidt-Salomon. Auch er erklärt “die Illusion der Willensfreiheit” als eine emergente Eigenschaft des Gehirns, und er geht weiter und beleuchtet das ganze aus ethischer (vs. moralischer Sicht) – und vor allem, warum uns der Abschied vom gedanklichen Diktat der Willensfreiheit freier macht. 🙂

  5. #5 schak
    Juli 25, 2012

    Guter Artikel….

    Selbst wenn so etwas funktioniert und wir vom Zufall gesteuert werden: Was haben wir dann gewonnen?

    Diesen Satz kann ich zu 100% unterstützen. Was soll dieses “Gejammere” on man nun einen freien Willen hat oder nicht. Wo ist das Problem ? Oder ist das nicht eher wieder eine Ausrede keine Verantwortung übernehmen zu müssen die die Menschheit so gerne benutzt wie z.B: in Religion oder Astrologie (Gottes Wille, die Sterne sagen es usw.) ?

    Freier Wille definiert sich doch meiner Meinung darüber ob andere mir etwas vorschreiben oder nicht. Selbst wenn das Gehirn deterministisch ist, ist es immer noch meine Entscheidung, selbst wenn diese auf Grund der Eingaben quasi vordefiniert ist.

    Und das Argument, dass ein Mörder ja gar nicht anders kann stimmt auch nicht, denn seine Entscheidung mag zwar deterministisch sein, aber die Inputs kommen aus der Umwelt. Wenn wir uns also einen Mörder “züchten”, dann bekommen wir einen. In der Politik ist es ähnlich: Jahrelang “züchten” sich die Menschen Politiker die Ihnen alles versprechen und Geld ausgeben und jetzt wundern sich alle warum es eine Finanzkrise gibt. (/Ironiemode aus)

  6. #6 Joseph Kuhn
    Juli 25, 2012

    @ Dagda: Diese “kombatibilistische” (Determinismus und Willensfreiheit vereinbarende) Sicht hat in der Tat einiges für sich. Ich fand z.B. “Illusion Freiheit?” von Michael Pauen dazu ganz überzeugend.

    @ Florian Aigner: Die Einsicht, dass der Zufall für die Willensfreiheit nichts bringt, gehört zu den Uraltbeständen der Willensfreiheitsdebatte. Das gilt zumindest dann, wenn man nicht, wie es Popper und Eccles vor vielen Jahren einmal getan haben, davon ausgeht, dass es einen übernatürlichen Geist gibt, der quantentheoretische Lücken der physikalischen Bestimmtheit nutzen kann, um so in den Weltenlauf einzugreifen. Mit einem übernatürlichen Geist handelt man sich aber so viele Probleme an anderer Stelle ein, dass man sich solche “Erfindungen” gründlich überlegen sollte. Das Higgs-Teilchen zu postuliert zu haben, scheint mir weitaus weniger gewagt gewesen zu sein (obwohl ich davon nicht verstehe).

    Ein Zweites: Ob das “reduktionistische Programm” durchzuhalten ist, ist fraglich. Dazu kann ich das andernorts schon einmal empfohlene Buch “Von der Materie” von Lévy-Leblond empfehlen – oder wenn man es ganz hart haben will, die einschlägigen Werke der Philosophie des Geistes. Schon die Tatsache, dass man mit einem reduktionistischen Programm offensichtlich nicht ohne den Emergenzbegriff auskommt, sollte vorsichtig stimmen.

  7. #7 Tim
    Juli 25, 2012

    Aber er [der freie Wille] ist ein emergentes Phänomen, das aus dem Zusammenspiel einer großen Anzahl von Nervenzellen entsteht

    Das ist aber nicht ganz sauber formuliert. Besser wäre:
    Die Illusion des freien Willens ist ein emergentes Phänomen. Freiheit kann natürlich auch durch Emergenz nicht in ein deterministisches System kommen.

  8. #8 fuenke
    Juli 25, 2012

    Die ganze Diskussion um den freien Willen lässt sich auf maximal zwei zulässige Vorstellungen reduzieren. Entweder die Welt ist deterministisch und es gibt keinen freien Willen. Oder die Physik in der Welt ist deterministisch, jedoch gibt es etwas metaphysisches, was die deterministische Welt beeinflusst, womit sie nicht mehr deterministisch ist. Die Vorstellung einer metaphysischen “Seele” im menschlichen Körper würde dann den freien Willen erklären.

    Die Vorstellung eines “echten” Zufalls ist nicht nur absolut lächerlich und widerspricht jeglicher wissenschaftlichkeit, es ist auch etwas, das niemals in irgendeiner Art und Weise bewiesen werden könnte. Dass die metaphysikaversen Naturwissenschaftler alle ganz heiß drauf sind durch ein solches Konzept zu erklären, wieso es doch einen freien Willen geben kann, lässt mich schon erahnen, durch welches Wunschdenken, eine solche Interpretation zu stande kam.

    Versteht mich nicht falsch, ich bin ein Freund der Naturwissenschaften, auch der Physik. Und eine qualifizierte Aussage über die Richtigkeit der herrschenden Theorien, also Quantentheorie ets., kann ich ohne ein Studium in dem Bereich nicht machen. Aber es gibt Bereiche, wo die Physik an ihre Grenzen stößt…

  9. #9 Jo
    Juli 25, 2012

    Ich bräuchte bei jeder dieser Freien Willen Diskussionen zuerst eine klare Definition des Freien Willens. Zumindest erschliesst sich diese bei mir nicht immer bzw. scheint mir als so mancher nicht immer vom selben ausgeht.

    in einem Satz formuliert, meine derzeitige Meinung, ist: Das Ich ist frei, das reduzierte Ich aber nicht.

  10. Prof. Briegel ist Physiker und kein Psychologe. Willensbildung ist aber ein psychischer Vorgang – neutral formuliert – oder psychologisch ausgedrückt: eine kognitive Aktivität; traditionell-alltagspsychologisch wird von einem “geistigen” Akt gesprochen. Gerade deswegen ist das informationstheoretische “Modell” von Herrn Briegel umso bemerkenswerter!

    Das Entscheidende daran ist nämlich die real eben “informationstheoretische” (und nicht physikalische!) Konstruktion von Gedächtnisäquivalenten und noch dazu solche “kompositorischer” Art, ganz ähnlich realem Denken. “Zufall” in dem Modell(!) bedeutet dabei offenbar nur frei kombinierbar. Sogar dazu gibt es ein psychologisches Äquivalent: das sog. “assoziative” Denken, das für Träume und Einfälle typisch ist. Es sieht wie “zufällig” aus, hat aber lediglich andere als logische Voraussetzungen, nämlich “Ähnlichkeiten”.

    In einigen fundamentalen Elementen kommt das Briegel’sche “Modell” deswegen gewissen Einzelheiten realer Willenbildung nahe. Das kann hier nur angedeutet werden. (Einiges mehr im zweiten Teil des Textes hier ab “Wirklicher psychologischer Sachverstand…”)

  11. PS: Ich kann den Link am Schluss meines vorstehenden Postings nicht anklicken; die Seite, zu der er führen soll, hat diese URL https://www.bfg-bayern.de/ethik/Gymnasium/hirnforschung.htm

  12. #12 Thanus
    Juli 25, 2012

    Mir ist überhaupt nicht klar, inwiefern Briegel mit seinem “Paper” die Diskussion um die Willensfreiheit auch nur einen einzigen Schritt vorangebracht haben will. Daran ist nichts neu, gar nichts.

  13. #13 nave in vista
    Juli 25, 2012

    Eine merkwürdige Vorstellungen, dass ausgerechnet der “Zufall” den freien Willen retten soll.

    Das hieße ja, das wir nicht aufgrund von Ursachen (sprich: Gründen) handelten, sondern aufgrund des Zufalls. Das ist doch für den “freien Willen” eine viel fataler Vorstellung, oder etwa nicht?

    Da finde ich kompatibilistische Erklärungen schon vielversprechender, die davon ausgehen, dass vollständiger Determinsmus und freier Wille kein Gegensatz sind.

    Daniel Dennett zum Thema:

  14. #14 nave in vista
    Juli 25, 2012

    Folgendes Dennett-Video passt noch besser:

  15. #15 Alfons
    Juli 25, 2012

    1. Wenn ich mal Kant anführen dürfte: Die Physik kann Kant zufolge (s. Kritik der reinen Vernunft) prinzipiell niemals einen freien Willen “entdecken” oder “widerlegen”: Wir *interpretieren* die Vorgänge in der Welt als miteinander kausal verbunden. Kausalität ist ein Konstruktionsprinzip des menschlichen Geistes. Das gilt auch im Bereich der Physik: In der Physik findet man entweder Ursache-Wirkungs-Beziehungen – oder aber gar nichts (und das ist dann der “Zufall”). Die Frage des “freien Willens” kann somit durch die Physik prinzipiell nicht entschieden werden, weil sie (bzw. der Mensch überhaupt) “blind” ist für Vorgänge, die nicht dem Kausalitätsprinzip folgen. Ich frage mich, warum dieser Aspekt in der Debatte so selten zur Sprache kommt.
    2. Erwähnt werden sollte in diesem Zusammenhang auch der Gödel’sche Unvollständigkeitssatz, demzufolge sich mit arithmetischen Axiomensystemen nicht alle in dem jeweiligen System formulierbaren Aussagen (bzw. ihr Gegenteil) herleiten lassen. Das ist insofern relevant, als sich auch die Vorgänge im Gehirn nach arithmetischen Systemen modellieren lassen. M. a. W.: auch wenn wir wissen, wie das Gehirn funktioniert (d. h. nach welchen mathematischen Prinzipien Neurone verschaltet werden etc.), können Ereignisse auftreten, die völlig unerwartet sind (hierin könnte man eine “Freiheit des Willens” sehen).
    3. Welche praktischen Konsequenzen hat die Debatte eigentlich? Bzw.: Hat sie überhaupt irgendwelche Konsequenzen? Denn egal, ob ich nun frei oder determiniert bin: das *Gefühl* der Freiheit werde ich nicht los – ich *muss* mich zwischen Handlungsoptionen entscheiden.

  16. #16 Joseph Kuhn
    Juli 25, 2012

    @ nave in vista: Sind “Ursachen” (Kausalfaktoren) und “Gründe” (z.B. in Argumenten) überhaupt dasselbe? Können “Gründe” auch “Ursachen” sein? Ist Handeln aus “Gründen” Handeln aus “Einsicht” (statt aus Notwendigkeit) und ist Handeln aus Einsicht frei (oder determiniert durch die Einsicht in die Notwendigkeit)?

    P.S.: Dass ich in meinem ersten Kommentar “kombatibilistisch” statt “kompatibilistisch” geschrieben habe, war keine freie Entscheidung. Zufall wird es auch nicht gewesen sein. Vollständig determiniert auch nicht, ich hätte es ja richtig schreiben können.

  17. #17 Dagda
    Juli 25, 2012

    @ fuenke

    Die ganze Diskussion um den freien Willen lässt sich auf maximal zwei zulässige Vorstellungen reduzieren. Entweder die Welt ist deterministisch und es gibt keinen freien Willen. Oder die Physik in der Welt ist deterministisch, jedoch gibt es etwas metaphysisches, was die deterministische Welt beeinflusst, womit sie nicht mehr deterministisch ist. Die Vorstellung einer metaphysischen “Seele” im menschlichen Körper würde dann den freien Willen erklären.

    Hm nö da würde ich wiedersprechen. Willensfreiheit und Determinismus haben erstmal nichts miteinander zu tun, es gibt auch keinen guten Grund das anzunehmen. Warum auch?

  18. #18 fuenke
    Juli 26, 2012

    Der Mensch hat die Vorstellung, er hätte die Macht, in einer Entscheidungssituation frei zwischen Alternativen wählen zu können. Ihm nach der Entscheidung zu sagen “Deine Entscheidung stand schon fest, bevor du dich entschieden hast (weil die Welt und damit auch du durch Naturgesetze determiniert bist und es nichts metaphysisches gibt)”, würde dieser Vorstellung widersprechen. Die Vorstellung des freien Willens ist also die Vorstellung, dass das “Ich” die Möglichkeit hat, die determinierten Vorgänge im Gehirn beeinflussen zu können.

    Ob diese Vorstellung nun eine Illusion ist (es also nichts metaphysisches gibt) oder ob sie der Wahrheit entspricht (das “Ich” also ein metaphysisches Etwas ist) sollte eigentlich Thema der Diskussion sein.

    Du siehst also, die Willensfreiheit und der Determinismus haben sehr viel miteinander zu tun. Falls dir das deine Frage nicht beantwortet hat, solltest du präziser Audrücken, wo genau deine Verständnisschwierigkeiten liegen.

  19. #19 nave in vista
    Juli 26, 2012

    @ Joseph Kuhn

    “Sind “Ursachen” (Kausalfaktoren) und “Gründe” (z.B. in Argumenten) überhaupt dasselbe? Können “Gründe” auch “Ursachen” sein? Ist Handeln aus “Gründen” Handeln aus “Einsicht” (statt aus Notwendigkeit) und ist Handeln aus Einsicht frei (oder determiniert durch die Einsicht in die Notwendigkeit)?”

    Sie haben natürlich recht, genau dies sind die Detailfragen in die man bei einer genauen Diskussion kommt, etwa die Frage, ob Entitäten mit intentionalem Gehalt, etwa Argumente, als Ursachen fungieren können. Wenn sie, wie von Florian Aigner vorgeschlagen, als emergente Eigenschaften wie etwa Temperatur und Druck zu verstehen sind, könnten sie das in etwa dem Sinne, wie der Wasserdruck den Auftrieb bewirkt.

    Aber für die Frage, ob der Zufall die Willensfreiheit garantieren kann, ist dies m.E. erstmal unerheblich. In dieser Frage ist nur wichtig, welche Welt mit einem freien Willen eher vereinbar ist. Eine, in der regelmäßig A aus B resultiert; oder eine, in der das nicht der Fall ist, weil ein echter Zufall mitspielt.

    Wenn man natürlich hinter den echten Zufall einen nichtmateriellen Geist postuliert, der den Zufall irgendwie “steuert” (Etwa das von Ihnen genannte “Quantenbewusstsein”), dann ist natürlich ein “freier Wille” da, aber was wäre mit diesem gewonnen? Die Annahme würde nicht nur so viele metaphysische Zusatzannahmen implizieren, dass sie kaum einen Erklärungswert hätte, sie wäre zudem auch denkbar weit von unserem intuitiven Verständnis des freien Willens entfernt, denn dieser orientiert sich ja an innerweltlichen Gegebenheiten.

    “Dass ich in meinem ersten Kommentar “kombatibilistisch” statt “kompatibilistisch” geschrieben habe, war keine freie Entscheidung. Zufall wird es auch nicht gewesen sein. Vollständig determiniert auch nicht, ich hätte es ja richtig schreiben können.”

    Das Beispiel ist gut gewählt, da es die Frage nach unbewussten Ursachen/Gründen aufwirft. Ein Vulgärfreudianer könnte etwa argumentieren, dass sie durchaus determiniert waren, da sie z.B. unbewusst gar nicht an Kompatibilität, sondern an einen Widerstreit (engl. “combat”) zwischen freiem Willen und Determination gedacht haben und dies in der Folge unbewusst in den Text geschmuggelt hätten. Sie hätten also durchaus “Gründe” in einem gewissen Sinne gehabt.

    Ein Verfechter des Zufalls könnte hingegen behaupten, ein zufälliges Rauschen in Ihrem Gehirn hätte sie dazu gebracht, zwei lautlich ähnliche Buchstaben (p und b) zu vertauschen und es gäbe keinerlei “Grund” im Sinne einer kausalen Abfolge.

    Mir ist natürlich bewusst, dass beide “Erklärungen” höchstwahrscheinlich empirisch falsch sind, sie dienen mir hier nur zur Illustration zweier Weltmodelle.

    Die konzeptuell wichtige Frage ist, welches Weltmodell wäre eher vereinbar mit dem freien Willen? Im ersten Falle gäbe es zumindest Gründe, die uns prinzipiell zugänglich und prinzipiell vielleicht auch veränderbar wären. Im zweiten Falle wäre das nicht der Fall, und der freie Wille stünde noch schlechter da. Im ersteren Falle wären der Wille also zumindest “freier” als im zweiten.

    Die Frage, ob Sie es hätten richtig schreiben können, hängt schlicht davon ab, ob alles determiniert ist, oder nicht. Wenn alles determiniert ist, dann hätten sie natürlich nicht anders handeln können. Zur Entscheidung der Frage des Determinismus trägt das Beispiel nichts bei, denn daraus, dass sie es falsch geschrieben haben, folgt nicht, dass sie es hätten richtig schreiben können, auch wenn sie abstrakt betrachtet die Kompetenz dazu haben.

    Nebenbei bemerkt: ein sehr eleganter Weg, einen Schreibfehler zu korrigieren! 😉

  20. #20 adenosine
    Juli 26, 2012

    Das auch ein zufälliges Rauschen die Gedanken mit bestimmt ist schon wahrscheinlich, das schadet auch nicht, solange es nicht dazu führt, dass man zufällig aus dem Fenster springt. Freier Wille heißt für mich „nicht fremd bestimmt“. Ich kann meine Handlungen großteils nach meinen eigenen Bedürfnissen selbstverständlich unter Berücksichtigung der äußeren Bedingungen mitbestimmen.

  21. #21 BreitSide
    Juli 26, 2012

    xxx

  22. #22 Dagda
    Juli 26, 2012

    @ Fuenke

    Du siehst also, die Willensfreiheit und der Determinismus haben sehr viel miteinander zu tun. Falls dir das deine Frage nicht beantwortet hat, solltest du präziser Audrücken, wo genau deine Verständnisschwierigkeiten liegen.

    Nö seh ich nicht. Das Problem scheint zu sein dass du einen Widerspruch zwieschen vorhersagbarkeit und willensfreiheit siehst. Aber das sind 2 ganz verschiedene Dinge, die nichts miteinander zu tun haben. Willensfreiheit beschäftigt sich mit den Gründen für eine Entscheidung.
    Determinismus nur mit der prinzipiellen Berechenbarkeit eines Zustandes der Welt von einem Ursprungszustand heraus.
    Man nehme nur das häufig gebrachte Beispiel des Kennedy-Attentats und der Vorstellung, was wäre wenn man die Zeit zurückdrehen würde und man das Attentat immer wieder ablaufen lassen würde, was sagt die Tatsache dass Lee Harvey Oswald immer wieder abdrückt über seine Willensfreiheit aus?

  23. #23 fuenke
    Juli 27, 2012

    Könnte man die Zeit zurückdrehen bzw. würde man ein Paralelluniversum schaffen, in dem jeder Zustand exakt gleich des Zustandes unseres Universums zum Zeitpunkt vor dem Kennedy-Attentat war, und würde exakt der gleiche Vorgang wieder ablaufen (Determinismus), dann wäre der Wille keiner der Beteiligten frei. Natürlich müsste dieses Experiment mehrfach wiederholt werden, damit es statistische Gültigkeit hat.

    Frei ist der Wille nicht, wenn er einfach nur aus dem Zustand davor und den Naturgesetzen kausal abgeleitet werden kann. Frei ist der Wille nicht, wenn die Handlung jedes Menschen niemals hätte anders aussehen können, als die die sich ergibt. Nur wenn ich in einer Situation verschiedene Entscheidungsmöglichkeiten habe, ist mein Wille frei. Eine rein determinierte Welt schließt aber aus, dass es jemals eine Möglichkeit zur Entscheidung gab, denn was passieren wird, stand schon beim Urknall fest. Ein freier Wille bedeutet aber, dass erst feststeht, wie ich mich entschieden habe, wenn ich mich entschieden habe.

    Ich bin mir nicht sicher ob wir verschiedene Definitionen für die Willensfreiheit haben. Wie ist deine?

  24. Danke für die Zusammenfassung von Briegel. Ich bin überrascht, dass solche Artikel immer wieder auftauchen. Wir verstehen unter dem freien Willen gemeinhin doch Entscheidungsfreiheit. Ich soll mich – wenn ich frei von Zwängen bin – trotz ALLEM für oder gegen etwas mir physikalisch mögliches entscheiden können. Eine solche Entscheidungsfreiheit setzt allerdings voraus, dass es gewissermaßen Entscheidungen ohne physikalische Ursachen gibt. Ein von der Physik unabhängiges Wollen wäre am Werk – und das gibt es doch wohl nicht.
    Die falsche Vorstellung von Willensfreiheit lässt sich natürlich nicht mit Zufallsereignissen retten – im Gegenteil. Zufälle dürften wohl eher etwas sein, das mir beim Entscheidungsprozess gewissermaßen Knüppel zwischen die Beine wirft.
    Wolf Singer hat schon etwas mehr drauf als hier angedeutet wird.
    Der Vergleich zwischen Temperatur und Druck und den Eigenschaften der Atome einerseits und einer Willensfreiheit und den Eigenschaften von Nervenzellen andererseits wirkt zwar anschaulich. Aber eigentlich wird hier nur gesagt: in komplexen Systemen können emergente Eigenschaften auftreten. Und das ist ja nun nicht neu.
    Wenn Florian Aigner im letzten Absatz tatsächlich den freien Willen meint, und nicht die Illusion vom freien Willen, gibt es außerdem ein Problem:
    In der Physik waren nicht nur die Begriffe Temperatur oder Druck bekannt, sondern beides auch als reale, messbare Phänomene, oder? Kochendes Wasser verbrennt mir die Finger und lässt den Kessel platzen.
    Aber niemand konnte mir bislang ein überzeugendes Beispiel für eine Entscheidung bieten, die einen freien Willen (s.o.) beweist. Der freie Wille ist eben NICHT „sichtbar und erkennbar“, wie es Florian Aigner im letzten Absatz behauptet. (Vielleicht meint er, wie gesagt, die Illusion vom Freien Willen?) Solange die Existenz eines freien Willens nicht bewiesen ist – anders als etwa das Vorhandensein eines Phänomens wie Druck – ist es doch auch nicht sehr sinnvoll, den freien Willen als Emergenz zu beschreiben, die aus einem System von Nervenzellen entstanden sein könnte.
    Das ist ein wenig so, als würde man versuchen zu erklären, wieso Homöopathie wirkt – obwohl sie das nicht tut, auch wenn viele Leute daran glauben. Vielleicht eine Emergenz aus dem furchtbar komplexen System unserer Physiologie, die wir noch so wenig verstanden haben?
    Wenn die Frage aber ist, warum sich die ILLUSION eines freien Willens entwickelt und durchgesetzt hat – da gibt es bereits interessante Erklärungsversuche, die über Emergenz hinausgehen. Siehe etwa Dan Wegner: „Illusion of Conscious Will“.

  25. #25 Florian Aigner
    Juli 27, 2012

    @ Markus C. Schulte von Drach:

    Ich stimme in vielen Punkten zu, mir geht es aber genau darum, dass die Grenzziehung zwischen “freiem Willen” und “Illusion des freien Willens” nicht sinnvoll ist.

    Bleiben wir bei Ihren Beispielen: Sie sagen, dass es den freien Willen nicht richtig gibt, weil unser Empfinden (die “Illusion des freien Willens”) eine emergente Eigenschaft ist und auf fundamentaler Ebene nicht real ist. Sie sagen, dass Druck und Temperatur nützliche Begriffe sind, weil man mit ihnen Phänomene erklären kann – etwa verbrannte Finger oder explodierende Kessel. Damit sprechen Sie genau das Wesentliche an: Druck und Temperatur sind nützliche Konzepte, unabhängig davon, ob sie sich fundamentalphysikalisch erklären lassen oder nicht. Genauso ist aber in meinem täglichen Leben auch das Konzept “der Wille ist frei” nützlich. Wir verwenden das Konzept ständig im Umgang mit unseren Mitmenschen. Ob diese Freiheit nun eine Illusion ist oder nicht, das spielt für uns keine Rolle.

    Ich glaube, dass das Verhalten unseres Hirns grundsätzlich auf die Physik zurückführbar ist – in diesem Sinn bin also kein Verfechter des freien Willes, meinentwegen bin ich sogar Determinist. Doch selbst wenn das so ist, verwende ich im täglichen Leben natürlich (wie jeder andere auch) die Hypothese des Freien Willens, genau wie jemand, der sich mit Druckkesseln beschäftigt, mit den Begriffen “Druck und Temperatur” befasst, anstatt an Teilchenkollisionen zu denken.

    Wir müssen jedes Wort in dem Zusammenhang verwenden, in dem es Sinn hat, sonst begehen wir Kategorienfehler. Ich verwende daher nach wie vor ganz entspannt den Begriff des “freien Willens” (und nicht: Illusion des Freien Willens), weil das ein nützliches Konzept ist – im psychologischen und sozialwissenschaftlichen Berich, nicht in der Physik. Ein freier Wille in einem reduktionistischen Sinn – also ein Wille, der einerseits außerhalb des physischen Kausal-Netzes steht, aber andererseits durch Handlungsentscheidungen auf die physische Welt einwirkt, erscheint mir ziemlich absurd.

  26. #26 Florian Aigner
    Juli 27, 2012

    Anmerkung zur Homöopathie:
    Sie ist tatäschlich etwas grundlegend anderes:
    Im Gegensatz zu alltäglich nützlichen Konzepten wie “Druck” oder “freier Wille” ist die Homöopathie nur für den ein nützliches Werkzeug, der an ihr verdient. Wissenschaftlich haltbar ist sie deshalt nicht. Also hinfort damit!

  27. Danke für die Klarstellungen. In einem Punkt habe ich noch ein Problem – genau wie Singer und Roth. Das Konzept erscheint uns nützlich, aber es hat eben ganz konkrete Folgen zum Beispiel im Umgang mit Straftätern. Hier sollte man sich von dem Konzept lösen – das würde zu einem sinnvolleren und menschlicheren Umgang mit den Tätern führen. Natürlich ist es immer schwierig, im Rahmen kleiner Kommentarfelder Standpunkte zu erklären. Ich bin deshalb mal so unverschämt und verweise auf den Roman Der fremde Wille (TB: Der Parasit), in dem ich versucht habe, das Thema Freier Wille, Verbrechen und Justiz abzuhandeln. Sorry, sorry, sorry for Spamming.

  28. #28 Florian Aigner
    Juli 27, 2012

    @ Schulte von Drach:
    Ach, diese Form von Eigenwerbung ist doch wohl ok, kein Problem.

    Bei Staftätern, im Sozialarbeits-Bereich, stellt sich natürlich immer die Frage, wie man mit den Leuten umgeht: Sieht man sie als Opfer ihrer Umwelt (determiniert?) oder als Akteure, die aktiv gegen Regeln verstoßen haben?

    Ich bin kein Strafrichter und kein Sozialarbeiter – ich traue mir auf diesem kompliziertem Gebiet kein Urteil zu. Jedenfalls sollten wir utilitaristisch (und nicht physikalisch-axiomatisch) an diese Frage herangehen: Wie müssen wir mit Straftätern umgehen, damit in unserer Gesellschaft möglichst viele Menschen möglichst freudvoll leben können? Zur Erörterung dieser Frage ist Physik ziemlich unnötig. Auch hier bin ich also wieder für ein Auseinanderhalten der Wissenschafts-Bereiche: Argumentieren wir nicht grundlagenphysikalisch (oder neurophysiologisch), wo die Physik (oder die Neurophysiologie) nicht hingehört. (Falls Sie diesen Eindruck hatten: Ich stelle Wolf Singer sicher nicht als oberflächlichen Vereinfacher hin, auch wenn mir seine Argumentation nicht gefällt.)

    Was mich noch interessieren würde: Haben Sie eine Meinung zu Roger Penrose?

  29. #29 Joseph Kuhn
    Juli 27, 2012

    @ Markus C. Schulte von Drach: Warum sollte man sich im Umgang mit Straftätern vom Konzept des freien Willens lösen? Wenn man jetzt einmal die ganzen philosphischen und neurophysiologischen Spitzfindigkeiten weglässt (wie frei kann der Wille überhaupt sein, damit wir überhaupt noch als Urheber unserer Entscheidungen gelten können; kann der “Wille” wirklich frei sein, d.h. sind wir frei zu wollen, was wir wollen, oder geht es nur um die Freiheit der Umsetzung einer willentlichen Entscheidung; kann diese Umsetzung frei sein, wenn Libet und andere nachgewiesen haben, dass sie unbewusst vorbereitet wird usw. usw.), so empfinden wir uns im Alltag doch dann als “frei”, wenn wir Entscheidungsalternativen wahrnehmen und abwägen können. Das ist immer nur relativ der Fall, weil wir z.B. durch unsere Sozialisation geprägt sind und situativen Einflussfaktoren (z.B. einer Ablenkung) unterliegen. “Frei” sind wir aber definitiv nicht mehr, wenn wir z.B. durch Drogen oder einen Wahn in unserem “normalen Entscheidungsvermögen” beeinträchtigt sind. Das wird aber in Strafprozessen als Frage nach der Einschränkung der Schuldfähigkeit schon berücksichtigt. Was würde man also gewinnen, wenn man jetzt ins Spiel bringt, dass auch das “normale Entscheidungsvermögen” irgendwie physikalisch realisiert sein muss? Ich glaube, das bringt für alle Alltagsfragen nichts. So verstehe ich auch Leute wie Gerhard Roth, die sich gegen prinzipielle kausale Lücken in hirnphysiologischen Prozessen wenden, aber natürlich nicht dagegen, dass eben jene hirnphysiologischen Prozesse fähig sind, Entscheidungsalternativen mental zu repräsentieren und abzuwägen. Anders formuliert: Für den Umgang mit Straftätern ist es egal, ob man das in der Phylogenese entstandene menschliche Entscheidungsvermögen als philosophischer Determinist oder aus einer anderen Position heraus interpretiert. Für die Frage, warum ein Mann mit Gewalterfahrungen in der eigenen Kindheit seinem eigenen Kind gegenüber gewalttätig geworden ist, ist daraus nichts zu gewinnen. Viel virulenter für Strafprozesse müssten die alten Fragen nach den Sozialisationsbedingungen für eine Tat sein.

  30. #30 Dagda
    Juli 28, 2012

    @ Fuenke

    Frei ist der Wille nicht, wenn er einfach nur aus dem Zustand davor und den Naturgesetzen kausal abgeleitet werden kann. Frei ist der Wille nicht, wenn die Handlung jedes Menschen niemals hätte anders aussehen können, als die die sich ergibt. Nur wenn ich in einer Situation verschiedene Entscheidungsmöglichkeiten habe, ist mein Wille frei. Eine rein determinierte Welt schließt aber aus, dass es jemals eine Möglichkeit zur Entscheidung gab, denn was passieren wird, stand schon beim Urknall fest. Ein freier Wille bedeutet aber, dass erst feststeht, wie ich mich entschieden habe, wenn ich mich entschieden habe.

    Aber wieso? Da gilt der Lutherspruch: Ich stehe hier und kann nicht anders. Man darf also davon ausgehen dass er das immer wieder machen würde. Weil er gründe dafür hatte das zu tun was er gemacht hat. Diese Gründe sind ja erstmal davon verschieden , was physikalisch passiert.
    Hinzu kommt, dass es Dinge gibt, die Entscheidungen treffen können (meinetwegen Computer)und andere Dinge die das nicht können (Steine oder fallende Computer) und diese Entscheidungen haben eine Bedeutung und diese Entscheidungen sind erstmal unabhängig davon ob ein strenger Determinismus oder nur ein schwacher Determinismus (meinetwegen makroskopisch deterministisch, aber einer gewissen elementaren Stufe (“Quanten”) gibt es keinen determinismus mehr) vorliegt.
    Meine Idee von Willensfreiheit ist die dass man in jeder gegebenen Situation nach den eigenen Ideen und Wünschen und Idealen handeln kann. Letztlich ist es unerheblich ob man sich in einer Wiederholung der Situation anders entscheiden würde (und wenn man sich in einer Situation immmer wieder anders entscheiden würde wirft das für mich die Frage auf warum man jetzt die eine Entscheidung der anderen Vorziehen sollte und ob man dann nicht gleich würfel werfen könnte).

  31. #31 Dr. Webbaer
    Juli 29, 2012

    Mit dem freien Willen ist es wohl ähnlich: Auf Ebene der fundamentalen Physik ist er eher nutzlos. Aber er ist ein emergentes Phänomen, das aus dem Zusammenspiel einer großen Anzahl von Nervenzellen entsteht – und als solches emergentes Phänomen ist er sichtbar und erkennbar, auch wenn er auf fundamentaler Ebene genauso verschwindet wie der Druck bei Betrachtung eines einzelnen Atoms. Darüber sollten wir uns nicht wundern, das ist ganz normal.

    Grundsätzlich wieder sehr klug angemerkt, abär diejenige Determinismus-Theorie, die individuelles Schuldverhalten nihilisieren soll, wäre noch besser zu zerhacken.

    MFG
    Dr. Webbaer

  32. Hm, ich habe den Einddruck, irgendwie geht in den Diskussionen häufig verloren, dass “Gründe” für ein Verhalten nie losgelöst sind von unserem Gehirn, in dem alles auf der Grundlage der physikalischen Grundgesetze abläuft…
    Wenn sich die Ansicht durchsetzen würde, dass Straftäter nicht “böse Menschen” sind, die sich doch anders hätten entscheiden können, dann würde sich 1. die Untersuchung der Ursachen verbessern, und daraus könnte man lernen, in der Zukunft Fehler zu vermeiden. (Da ist ja auch schon einiges passiert.)
    2. könnte sich der Umgang mit ihnen vielleicht ändern. Verbrecher müssen nicht bestraft werden, sondern die Chance haben, sich unter der Einwirkung neuer Einflüsse zu ändern. Solange eine Gefahr von ihnen ausgeht, muss außerdem die Gesellschaft vor ihnen geschützt werden. Das kann in manchen Fällen für den Rest ihres Lebens sein. Aber nicht, weil sie eine so lange Strafe verdient haben, sondern weil sie so stark gestört/krank sind, dass eine (Re-)Sozialisierung nicht funktioniert. Solange wir den freien Willen in der Rechtsprechung voraussetzen, betrachten wir die meisten Verbrecher weiter als Menschen, die sich hätten gegen die Tat entscheiden können, irgendwie also böse waren und bestraft werden müssen… und diese Situation finde ich bedauerlich. Einige Gerichtspsychiater behaupten sogar, manche Jugendlichen könnten sich dagegen entscheiden, sich in einer Peergroup zu sozialisieren, die negative Einflüsse auf sie hat. Sie sollen sich also wie Münchhausen am eigenen Schopf aus dem Schlamassel herausziehen – weil sie ja einen freien Willen haben. Das ist absurd.
    Ich finde, dass die Juristen die grundlegenden Erkenntnisse der Physik und die neuern Erkenntnisse der Hirnforschung berücksichtigen müssen. Wieso sollte man da eine Trennlinie ziehen? Gerade der Hinweis auf die Wirkung von Drogen zeigt übrigens, dass das nicht konsequent durchgezogen wird und nicht durchgezogen werden kann. Drogen und frühkindliche Traumata z.B., die Betroffene zu Soziopathen machen können – wo sind da die prinzipiellen Unterschiede? Außer, dass die Traumata langfristig wirken, die Drogen erstmal kurzfristig.
    Zu Pentrose: Nach dem wenigen, dass ich von ihm weiß, habe ich den Eindruck, dass er ziemlich spekuliert. Ich harre da lieber noch auf dem Boden der halbwegs gesicherten Erkenntnisse aus, bis wir mehr über die Hirnprozesse wissen. Bislang habe nich noch nichts Handfestes wahrgenommen, das einem freien Willen physikalische Rahmenbedingungen geben würde.
    Ich hoffe, mir werden gewisse, der Enge von Raum und Zeit geschuldete Unschärfen in meinen Formulierungen nachgesehen. Was ich sagen will, ist hoffentlich klar.

  33. #33 Dr. Webbaer
    Juli 30, 2012

    Solange wir den freien Willen in der Rechtsprechung voraussetzen, betrachten wir die meisten Verbrecher weiter als Menschen, die sich hätten gegen die Tat entscheiden können, irgendwie also böse waren und bestraft werden müssen… und diese Situation finde ich bedauerlich.

    Manche finden das bedauerlich, andere sehen nur so eine persönliche Verantwortung und das Ernstnehmen anderer als Mensch (oder Bär) erst möglich. – Man kann alternativ aber auch in Verhausschweinung machen, np.

    MFG
    Dr. Webbaer

  34. #34 Joseph Kuhn
    Juli 31, 2012

    @ Markus C. Schulte von Drach

    “Wenn sich die Ansicht durchsetzen würde, dass Straftäter nicht “böse Menschen” sind, die sich doch anders hätten entscheiden können, dann würde sich 1. die Untersuchung der Ursachen verbessern, und daraus könnte man lernen, in der Zukunft Fehler zu vermeiden.”

    Inwiefern sollte sich denn durch eine solche Grundannahme, dass sich die Straftäter nicht hätten anders entscheiden können, die Suche nach Ursachen verbessern? Hört man dann auf, nach Anhaltspunkten in der Sozialisation und in der Auslösesituation zu suchen und macht statt dessen Hirnscans? Mal pragmatisch gefragt, bevor ich zur grundsätzlichen Problematik dieses Vorschlags komme: Wie erfolgversprechend ist wohl dieses Unterfangen, wenn man auf absehbare Zeit nicht einmal in der Lage ist, bei einer Versuchsperson durch bildgebende Verfahren eine Überlegung dazu zu identifizieren, wie morgen das Wetter wird? Aber angenommen, das gelänge doch: Wie würden Sie intervenieren? Indem Sie mit dem Straftäter darüber sprechen, welche Auffälligkeiten Sie in seinem Hirn wahrgenommen haben und dass Sie daher in einem wie auch immer gearteten medizinischen Eingriff sein Hirn verändern werden?

    Falls Sie sich für die Variante Hirnscan und medizinischer Eingriff entscheiden: Würden Sie sagen, das sollte man dann auch bei schlechten Schülern machen, bei unangenehmen Kollegen, bei lügenden Politikern, bei Esoterikern, bei Journalisten mit merkwürdigen Ansichten? Die können sich dann ja auch alle nicht “anders entscheiden”. Nur der, der über solche Fragen entscheidet, der kann seltsamerweise Handlungsalternativen mental repräsentieren und abwägen.

    Also: Wenn es für alle Menschen, auch Sie, prinzipiell keine Möglichkeit gibt, sich “anders zu entscheiden”, dann sind wir wieder da, wo auch B.F. Skinner vor 60 Jahren war (aber nicht geblieben ist): Verhaltensänderung ist dann nur durch “Umprogrammierung” in einem sehr wörtlichen Sinne möglich, durch psychologische Konditionierung, durch medizinische Operationen oder durch Medikamente. Wäre das wirklich “menschlicher”, oder nicht eher das Ende dessen, was wir als Menschsein mit persönlicher Verantwortung ansehen? Dann erübrigt sich in der Tat auch das Gespräch über “gut” und “böse”, ebenso wie darüber, ob das hier Geschriebene vernünftig ist oder nicht (es ist eben “bedingt”, ich konnte nicht anders, ebenso wie Ihre Reaktion darauf nur “bedingt” wäre, also unter Vernunftgesichtspunkten, die aber niemand haben kann, nicht ernstzunehmen).

    Die Alternative wäre, sich auf den Standpunkt von Hirnforschern wie Gerhard Roth zu stellen, die uns Menschen sehr wohl die Möglichkeit zugestehen, Handlungsalternativen mental zu repräsentieren und abzuwägen. Da spielen dann “Gründe” (wie auch immer pyhsikalisch realisiert) eine Rolle, und zu diesen Gründen können auch moralische gehören, also “gut” und “böse”. So herum passt die Anordnung von Entscheidungsmöglichkeiten und moralischer Abwägung, nicht andersherum.

    Wie halten Sie es nun mit der Alternative, dass das, was Sie vielleicht antworten, eine Gründe abwägende Reaktion auf meine Gründe ist, oder nur ein vernunftloser Reflex, der mechanisch in die Tastatur geleitet wird?

  35. @ Joseph Kuhn
    Da ich meiner Meinung nach ziemlich genau dort stehe, wo auch Roth steht, erspare ich mir eine ausführliche Antwort und verweise auf ihn. Keine Ahnung, wieso Sie meinen, dass Roth eine Alternative zu meinem Standpunkt wäre.
    Zur Ursachenforschung: Ich gehe davon aus, dass die Bereitschaft, die Ursachen überhaupt stärker zu berücksichtigen, deutlich wachsen würde, wenn wir den bösen Willen zusammen mit dem freien Willen vergessen. Ich denke, dass die Motivation, das soziale Umfeld wichtiger zu nehmen und Kindern bessere Bedingungen zu bieten, noch deutlich wachsen kann. Das reicht mir erstmal. Welche Methoden man wann und wie zur Verbrechensvorbeugung sonst noch anwenden könnte oder sollte, ist eine andere Diskussion. Mir geht es hier erstmal nicht um Hirnscans.
    Ihre Frage am Ende zeigt, dass Sie falsche Vorstellungen davon haben, was ich – und ich denke, was auch Roth und Singer – für Abläufe unterstellen, an deren Ende eine Entscheidung steht. Was passiert beim Abwägen? Was ist ein Reflex? Beides auf diese platte Weise gegenüberzustellen, wird der Diskussion nicht gerecht.

  36. #36 Dr. Webbaer
    Juli 31, 2012

    Zur Ursachenforschung: Ich gehe davon aus, dass die Bereitschaft, die Ursachen überhaupt stärker zu berücksichtigen, deutlich wachsen würde, wenn wir den bösen Willen zusammen mit dem freien Willen vergessen.

    Ihnen ist klar, dass ein Systemteilnehmer in keinem Fall den Determinismus seines Systems feststellen kann?

    MFG
    Dr. Webbaer

  37. #37 Joseph Kuhn
    Juli 31, 2012

    @ Markus C. Schulte von Drach

    “Da ich meiner Meinung nach ziemlich genau dort stehe, wo auch Roth steht … .”

    Seien Sie mir nicht böse, aber ich fürchte, eine solche Aussage macht aus Ihrem Mund keinen Sinn. Einsichtig festzustellen, dass Sie und Roth das Gleiche meinen, setzt voraus, was Sie abstreiten: Dass unser Denken nicht in jeder Beziehung kausal determiniert ist, sondern Gründe/Bedeutungen etc. verstehen und abwägen kann. Sie haben dagegen mit diesem Satz nur eine bedeutungslose Buchstabenfolge eingetippt, die einem Wesen, das Gründe verstehen kann, als zufällig wie mit Bedeutung erfüllt vorkommt. Dagegen kann ich ganz begründet sagen, dass ich in etwa da stehe, wo Nida-Rümelin steht, vielleicht auch Michael Pauen, und erspare mir eine ausführliche Antwort und verweise auf die Beiden 😉

  38. #38 threepoints...
    Juli 31, 2012

    Alle Besprechungen des freien Willens diskutieren die Bildung einer Entscheidung im Bewusstsein, obwohl dies doch nicht die eigendliche Kritik am freien Willen gewesen sei. Die eigendliche Kritik besteht in der neuronalen Aktivität “vor” jeder Bewusstwerdung. Was da also als Determination angeführt wird, kriegen wir im Bewusstsein gar nicht mit.

    Aber natürlich … für das alltägliche Leben ist diese Fragestellung nach dem freien Willen überhaupt nicht relevant. Der war, ist und wird wahrscheinlichst weiterhin wie gewohnt vorrausgesetzt werden. Denn er hat sich trotz gelegendlicher Zweifel durchaus seit langer Zeit als brauchbar erwiesen.

    Allerdings halte ich das Libet-Experiment nicht aussagekräftig genug um gleich eine Fragestellung derartig aufzuwerfen. Dazu gehörte noch eine bessere Kenntnis über die gemessenen Gehirnaktivitäten.

    Meine Zweifel am “freien” Willen speisen sich aus ganz anderen Bedingungen. Ich schweige jedoch darüber.

  39. #39 threepoints...
    Juli 31, 2012

    Ansonsten widerspricht sich auch die Annahme eines freien Willens mit den Maßgaben und Errungenschaften der Zivilisation. Vor allem, wenn man hier gerne auch anwendet, dass ein Mörder oder Dieb eben anders hätte handeln können. Hat nicht erst dieser Mörder seinen freien Willen dadurch bewiesen, dass er sich über die Gesetze und das gute BEnehmen in Ziilisation hinweggesetzt hat?
    Einen freien Willen in der Entscheidung zwischen Zitroneneis oder Schokoladeneis zu entdecken ist hierbei dann doch zu naiv. Aus diesen Überlegungen muß man zwangsläufig schliessen, dass der “freie” Wille in Zivilisation überhaupt nicht erwünscht sei – es sei denn, das Individuum unterwirft sich ambitionslos dieser seiner Zivilisation und seiner Konventionen. Aber dabei ist sein freier Wille eben schon eingeschränkt und deffinitionsgemäß also nicht mehr vorhanden.

  40. #40 Dagda
    Juli 31, 2012

    @ Threepoints
    Über das Libet Experiment sind glaube ich die meisten diskussionen über den freien Willen lange hinweggegangen.

    Aber zu etwas anderem, natürlich ist der freie Wille keine Antithese zur Zivilisation. Schon gar nicht der “freie” Wille. Sie versuchen gerade das Paradox der Aufforderung spontan zu sein auf den freien Willen umzumünzen, aber ich denke dass dies nicht überzeugend gelingen wird, da man sich in vielen Dingen frei entscheiden kann ohne Grenzen und Gesetze zu übertreten, man also frei und gesetzestreu sein kann. Aber klar zum freien Willen gehört auch die Denkbarkeit eines Mordes bzw. eines Verbrechens im allgemeinen.

  41. @Joseph Kuhn
    Aha, was ich sage, macht also keinen Sinn. Im Gegensatz zu dem, was Sie sagen, natürlich. “Einsichtig festzustellen …” Himmel! Tja, da bin ich jetzt doch böse. Sie interpretieren meine Kommentare entweder hinterhältig oder ohne sie richtig zu lesen. Ich gehe mal von Letzterem aus. Der süffisante Ton überascht mich allerdings sehr. Was soll das?
    Ich versuche es nochmal: Sie hatten Roths Standpunkt so dargestellt: Er gesteht Menschen die Möglichkeit zu, Handlungsalternativen mental zu repräsentieren und abzuwägen. Da spielen dann “Gründe” eine Rolle, und zu diesen Gründen können auch moralische gehören, also “gut” und “böse”.
    Da bin ich ganz bei Roth, wie ich gesagt habe. Nur dass ich außerdem davon ausgehe, dass die Abwägeprozesse natürlich auch kausal determiniert sind, und Gründe ebenfalls. Was denn sonst? Das sehen Sie offenbar anders. Pauen und Nida-Rümelin sind inkonsequent, und sogar Roth folgt letztlich Pauen, ohne wirklich überzeugend darstellen zu können, wie er diesen Sprung von den Hirnprozessen, die physikalisch determiniert sein müssen, ausgehend vollziehen.
    Und auch wenn Sie jetzt noch immer nicht verstehen, was ich hier sagen will, dann sparen Sie sich trotzdem bitte diese Überheblichkeit. Könnte ja sein, dass ich doch nicht so verwirrt bin, wie Sie hier – warum auch immer – darzustellen versuchen.

  42. #42 Joseph Kuhn
    August 1, 2012

    @ Markus C. Schulte von Drach:

    Huch, das ist ja eine arg humorlose Reaktion. “Süffisant” und “überheblich” war mein Kommentar eigentlich nicht gedacht, sorry, wenn das so rüberkam. Eher in gewisser Weise “hinterhältig”, wie Sie oben auch schrieben, und zwar in dem Sinne, dass ich in Ihren Äußerungen den alten performativen Selbstwiderspruch deterministischer Positionen zu erkennen glaube, das Denken an sich als determiniert zu sehen, das eigene aber als begründet. Das zu explizit zu machen, sehe ich keineswegs als Gegenüberstellung “in platter Weise”, wie Sie sagen (wo ich das jetzt so zitiere, fällt mir auf, ein wenig überheblich waren Sie ja auch?), sondern als eines der zentralen Probleme der Willensfreiheitsdebatte. Wie Sie richtig sagen, müssen “Gründe” eine materielle Fundierung in den Hirnprozessen haben, gleichzeitig verlieren Gründe aber ihre Spezifik, wenn man Begründungszusammenhänge einfach als kausal “durchdeterminiert” sieht, oder wie immer man das nennen will. Wie dieses Dilemma zu lösen ist, weiß ich nicht, ich sehe auch in der Literatur zur Analytischen Philosophie des Geistes, soweit ich sie übersehen kann, keine Lösung dafür, bestenfalls sprachliche Vorbereitungen für eine Lösung (z.B. den Supervenienzansatz). Daher war ich daran interessiert, wie Sie diesen – zumindest für mich aus Ihren Äußerungen herauslesbaren Widerspruch – auf Nachfrage auflösen. Es hätte ja etwas Weiterführendes dabei sein können. Aber gut, nun ist die Milch verschüttet, lassen wir´s dabei bewenden.

  43. #43 weikma
    August 14, 2012

    Der freie Wille ist eine interessante Thematik. Verlangt aber eine herangehensweise aus verschiedenen Blickwinkeln. Daher hätte ich mir mehr vom Teil “Reduktionismus Alles ist Physik” erwartet. Ein sehr empfehlenswertes Buch (weiß nicht ob es bei den zahlreichen Kommentaren bereits erwähnt wurde) dazu stammt vom schweizer Philosophen Peter Bieri und heißt “Wie wollen wir leben”. Einen Vorgeschmack zum Buch findet man beispielsweise bei der FAZ https://tinyurl.com/8tsq2ln

  44. #44 women's sweaters
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    Mai 18, 2013

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    Mai 29, 2013

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