Österreich wird jetzt Weltklasse. Erst im Sport und dann sicher auch in der Wissenschaft.
Manche Staaten stehen knapp vor dem finanziellen Kollaps, andere haben mit Naturkatastrophen zu kämpfen. Österreich allerdings wurde von einer ganz besonders tragischen Krise getroffen: Bei den Olympischen Sommerspielen 2012 errang das Land keine einzige Medaille. Nun kündigt Bundeskanzler Faymann endlich Konsequenzen an: In allen Schulklassen soll es in Zukunft täglich eine Turnstunde geben. Zweifellos stehen jetzt blühende Zeiten bevor.
Medaillen-Bilanz
Das schmachvolle Abschneiden Österreichs bei den PISA-Tests hatte zwar keine bildungspolitischen Konsequenzen, doch nach den Olympischen Spielen 2012 ist es nun doch Zeit für eine Schulreform. Analysieren wir die Situation näher: Seit 1945 hat Österreich 1.3% aller olympischen Goldmedaillen gewonnen, und knapp 1.7% der olympischen Medaillen insgesamt. Das bedeutet, dass über 98% der Medaillen von Nicht-Österreichern gewonnen wurden. Dieses Ungleichgewicht ist natürlich auf die Dauer untragbar.
Ich habe keinen Zweifel daran, dass eine tägliche Turnstunde einen olympischen Medaillenregen zur Folge haben wird. Schließlich erinnere ich mich mit wonnevoller Freude an meinen eigenen Turnunterricht, in dem wir mit individuell abgestimmtem Training grandios gefördert wurden: Der Turnlehrer blickte in die Runde, analysierte mit Kennerblick unsere Trainingsbedürfnisse und sprach: „Burschen: Fußball.“ Diese an vielen Schulen gelebte Tradition erklärt, warum Österreich im Fußball so erfolgreich ist: Seit Jahrzehnten gehört unsere Nationalmannschaft zu den 170 besten der Welt.
Und die Nobelpreise?
Interessant ist es, sich die österreichische Bilanz in der Naturwissenschaft anzusehen: Vergleichbar mit einer olympischen Medaille ist dort natürlich nur der Nobelpreis. Seit 1945 hat Österreich drei Nobelpreise in den naturwissenschafts-Kategorien (Physik, Chemie, Medizin) gewonnen: 1945 ging der Physik-Nobelpreis an Wolfgang Pauli. (Er lebte damals zwar längst nicht mehr in Österreich, hatte aus Angst vor den Nazis erfolglos versucht, die Schweizer Staatsbürgerschaft zu bekommen und wurde dann 1946 US-Amerikaner – aber sein Nobelpreis zählt für Österreich! Da dulden wir keine Widerrede!) Und 1973 konnten sich gleich zwei Österreicher über den Medizin-Nobelpreis freuen: Konrad Lorenz und Karl von Frisch. In den drei naturwissenschaftlichen Nobelpreis-Disziplinen kommt man damit insgesamt auf eine Österreicher-Quote von 0.7%.
Wenn also eine Olympia-Medaillenquote von 1.7% eine tägliche Turnstunde rechtfertigt, dann wird die Nobelpreis-Quote von bloß 0.7% mit Sicherheit mehrere tägliche Naturwissenschafts-Stunden in allen Schulklassen zur Folge haben. Die Naturwissenschaft des Landes wird aufblühen, junge Genies werden unsere Universitäten überschwemmen. High-Tech-Firmen werden nach Österreich kommen, weil es hier so grandios geschultes Personal gibt – das noch dazu sportlich trainiert und fit ist.
Plan B
Doch was machen wir, wenn der Bundeskanzler diesen logischen Schritt von der täglichen Turnstunde zur täglichen Physik-, Chemie- und Biologiestunde doch nicht gehen will? Dann bleibt uns nur noch eines: Wir müssen das Internationale Olympische Komitee davon überzeugen, die Naturwissenschaften aufzunehmen. Eine Medaille für Physik, die Chemie-Mannschaftswertung, die Physiologie-Staffel in der Klasse bis 75 Kilogramm – irgendetwas würde Österreich schon gewinnen. Sponsoren-Logos auf Labormessgeräten werden künftig die Forschung finanzieren helfen, Wissenschaftler werden bei der Rückkehr von großen Konferenzen am Flughafen von einer fahnenschwenkenden jubelnden Menschenmenge empfangen werden. Wir vergeben den schwarzen Gürtel im Differentialgleichungs-Lösen, und die Jugend wird begeistert sein. Kein Zweifel: Die Wissenschaft ist auf dem Weg in ein goldenes Zeitalter.
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