Ein Kommentar zur Bundespräsidentschaftswahl in Österreich: Was die Politik von der Wissenschaftskommunikation lernen könnte
Österreich hat also gewählt – es ging um das Amt des Bundespräsidenten. Norbert Hofer, der Vertreter der rechten FPÖ, kann sich über einen triumphalen Wahlerfolg freuen. Mehr als 35% der Stimmen gingen an ihn, die Vertreter der beiden Regierungsparteien mussten sich mit jeweils ungefähr 11% begnügen. Das ist eine Situation, die Österreichs politische Machtverhältnisse radikal durchschüttelt.
Im zweiten Wahlgang tritt Hofer nun gegen den grünen Alexander Van der Bellen an, der knapp vor der unabhängigen Kandidatin Irmgard Griss Zweiter wurde – mit etwas mehr als 21%.
Norbert Hofer ist der Kandidat einer Partei, die dem europäischen Einigungsprozess extrem kritisch gegenübersteht, die sehr scharfe Töne gegenüber Asylwerbern anschlägt und enge Verbindungen zu teilweise weit rechts stehenden studentischen Burschenschaften pflegt. Wie er es mit kritischem, evidenzbasierten, wissenschaftlichem Denken hält, hat Norbert Hofer mit seinen parlamentarischen Anfragen zum Thema Chemtrails bewiesen – Berührungsängste mit der verschwörungstheoretischen Aluhut-Szene hat er offensichtlich keine.
Erste Befragungen zeigen, dass der Zuspruch zu Norbert Hofer extrem bildungsabhängig ist: In Bevölkerungsgruppen mit niedrigem Bildungsstandard liegt er weit vorne, in höher gebildeten Kreisen liegt er hinten. Das führt natürlich sofort zu lautem, überheblichem Geschrei: Die Leute sind einfach zu dumm. Sie wählen das Falsche. So können einander die Regierungsparteien und alle anderen, die mit der rechten FPÖ nichts anfangen können, mitleidsvoll auf die Schulter klopfen und so tun, als hätten sie gar nichts falsch gemacht. Das Volk hat einfach nicht verstanden, was gut ist. Da kann man wohl nichts machen.
Diese Haltung ist arrogant, falsch und gefährlich.
Recht zu haben genügt nicht. Wenn man der Meinung ist, dass eine Rückkehr zum Nationalismus, eine Abkehr von der EU und eine Entsolidarisierung mit den Schwächsten keine gute Idee ist, dann muss man auch fähig sein, das auf überzeugende Weise zu erklären. Wer das nicht schafft, mag noch so schöne, demokratische, zukunftsweisende Grundsätze haben – in der Politik ist er nicht richtig.
Was in der Wissenschaft gelingt, muss auch in der Politik möglich sein
Ich sehe jeden Tag, wie viele Naturwissenschaftler es gibt, die es schaffen, hochkomplexe, abstrakte Forschungsinhalte allgemeinverständlich zu erklären. Natürlich kann man dabei nicht immer jedes Detail präsentieren, natürlich muss man je nach Zielpublikum unterschiedliche Vereinfachungen finden. Aber es funktioniert.
Und wenn man, liebe Politiker, die Stringtheorie, die analytische Chemie oder die Photonik so präsentieren kann, dass man die Grundideen auch als Laie kapiert, dann wird euch das doch mit politischen Themen auch gelingen, oder? Ist Europapolitik wirklich komplizierter als Quantenphysik? Ist das Flüchtlingsthema wirklich schwerer zu erklären als ein Quark-Gluon-Plasma?
Wenn man überzeugt ist, Recht zu haben, dann muss man auch in der Lage sein, seine Ideen einfach, verständlich und treffend zu präsentieren. Das hat nichts mit Populismus zu tun, das ist eine Frage des Anstandes.
Beim Kampf gegen esoterischen Aberglauben ist es genauso: Es genügt nicht zu wissen, dass es keine Chemtrails gibt, dass Astrologie nutzlos ist und Wünschelruten nichts bringen. Man muss all diese Dinge, auch wenn es mühsam ist, immer und immer wieder erklären – und zwar so, dass es auch verstanden wird.
Wer das nicht schafft, war nicht gut genug. Es genügt nicht, die richtigen Fakten zusammenzutragen. Wenn man damit nicht überzeugen kann, dann muss man den Fehler zuallererst mal bei sich selbst suchen, nicht bei einer Bevölkerung, die angeblich einfach nicht schlau genug ist.
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