Autoritärer Führungsstil ist ineffizient – in der Politik wie auch in der Wissenschaft.
Islam Karimov ist tot – zumindest wurde das heute von verschiedenen Medien berichtet. Der Mann, der Usbekistan seit 1991 als ziemlich autoritärer Präsident mit harter Hand geführt hat, soll angeblich einen Gehirnschlag erlitten haben.
Als Mitteleuropäer hatte man mit diesem Herren normalerweise recht wenig zu tun. Mir ist die Führerfigur Karimov im Gedächtnis geblieben, weil ich vor drei Jahren in Usbekistan war, und zufällig gerade Karimovs Heimatstadt Samarkand besuchte, als auch der Präsident mit seiner Gefolgschaft dort eintraf.
Es war ein beeindruckendes Erlebnis: Der Präsident kam, und eine Stadt stand still. Das gesamte historische Stadtzentrum wurde abgesperrt, hunderte Polizeibusse wurden Stoßstange an Stoßstange aneinandergereiht, um den Zutritt zu verwehren. „Warum?“ fragten wir die Polizisten. „Islam Karimov“, erklärten sie. Würde die Stadt morgen wieder zugänglich sein? Vielleicht, hieß es. Das weiß man nicht. Islam Karimov. Deshalb.
Es wurde spät, wir bekamen Hunger. Doch die gesamte Stadt befand sich im Ausnahmezustand. Die Läden wurden geschlossen, die Restaurants ebenfalls. Warum ist das nötig? Ganz klar: “Islam Karimov!”
Zum Glück befand sich unser Hotel nicht in der abgesperrten Zone. Wir fragten dort, wo man noch etwas zu essen bekommen könnte. Der Portier konnte auch nicht helfen. Schulterzuckend erklärte er: „Islam Karimov“.
Ich plünderte im Hotelzimmer meinen Müsliriegel-Vorrat, und am nächsten Tag gelang es uns nach mehreren gescheiterten Versuchen schließlich doch noch, einen Polizisten zu finden, der uns den Zutritt zum weltberühmten Registan, dem Schmuckstück Samarkands, gewährte. Aber zu sehen, wie eine ganze Stadt irrationalerweise den gewohnten Alltag stilllegt, wie bereitwillig und unhinterfragt Unannehmlichkeiten in Kauf genommen werden, wie problemlos man zu akzeptieren bereit ist, dass keine nähere Information zur Verfügung steht – das war für mich ein kulturell interessantes Erlebnis.
Alphamännchen
Daran muss ich immer wieder zurückdenken, wenn ich zu Hause Kontakt zu alternden Alphamännchen habe, zu Patriarchen, die fest der Meinung sind, die Welt habe um sie zu kreisen und um sonst nichts.
In der Wissenschaft gibt es relativ wenige von ihnen. Natürlich kenne ich auch altehrwürdige Professoren und mächtige Institutsvorstände, die ihren Untergebenen klar signalisieren, dass Widerspruch zwecklos ist, die ihren Dissertanten allenfalls gnadenhalber Einlass gewähren, wenn sie mit zittriger Hand an die Bürotür klopfen, die nach Konferenzvorträgen kritische Fragen als impertinente Anmaßung betrachten und auf arrogant-herablassende Weise beantworten – aber sie sind mittlerweile eher die Ausnahme.
Und gerade die erfolgreichsten Wissenschaftler, gerade die intelligentesten Köpfe mit den beeindruckendsten Resultaten sind auffallend oft jene, die es nicht nötig haben, ihre Autorität mit Machtdemonstrationen zu festigen. Sie können eigene Fehler zugeben und installieren oft recht flache Hierarchien.
Natürlich steht der Dissertant nicht auf derselben Stufe wie die Professorin, die seine Arbeit korrigiert. Aber wenn sie klug ist, wird sie nicht über ihn herrschen, sondern ihn als wertvollen Kollegen sehen, der ihren Rat genau deshalb annehmen wird, weil sie fachlich besser ist als er. Hierarchien ergeben sich in der Wissenschaft oft ganz natürlich, weil einer dem anderen etwas beibringen kann, nicht weil irgendjemand vom oberen Management befördert wurde.
Diese so rationale Art von Hierarchien finde ich in der Wissenschaft äußerst schön und wertvoll. Ich würde mir wünschen, dass es sie auch anderswo gäbe. Vielleicht auch in der Politik – dann müssten die armen Polizisten in Usbekistan nicht herumstehen, ohne zu wissen, wie lange sie den Platz noch absperren müssen, und die Touristen müssten nicht hungrig ins Bett.
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