Ein Konzern wird zum Satan erklärt. Aber was sind die Fakten?
Monsanto ist der Feind. Das als Weltkonzern inkarnierte Böse, Satans Eintrag im Firmenbuch, ein Hybrid aus Darth Vader, Hannibal Lecter und Sauron. In ihrer Firmenzentrale steht ein Schrein mit Hitlers Schnurrbart, regelmäßig beträufelt mit dem frischen Blut flauschiger Katzenbabys, und selbst der hält es dort nur aus, weil er Angst vor den genmanipulierten Frankenstein-Superpflanzen hat, die ihn dort Tag und Nacht bewachen.
So ungefähr ist der Eindruck, der sich aufdrängt, wenn man die Internetberichterstattung über den Biotech-Konzern Monsanto und seine Übernahme durch Bayer mitverfolgt. Das „Monsanto-Tribunal“ soll im Oktober 2016 in Den Haag zusammenkommen und ein Urteil fällen – das klingt nach internationalem Gerichtshof, nach schwerer Schuld und strafrechtlicher Relevanz. Dass es sich in Wahrheit bloß um eine NGO mit frecher PR-Strategie handelt, wird gerne übersehen. Unter dem Hashtag #monsantoevil kann man schockierende Fakten über den Konzern nachlesen, basierend auf bunten handgeschriebenen Postern und ähnlich seriösen Quellen.
Es wird Zeit, tief durchzuatmen und zur Rationalität zurückzukehren: Monsanto ist nicht böse, Monsanto will uns nicht töten, und Monsanto ist auch kein edler Heiland, der aus purer Menschenliebe den Hunger auf der Welt beseitigen wird. Monsanto ist ein Biotechnologiekonzern und macht genau das, was ein Biotechnologiekonzern eben tut: Produkte entwickeln, verkaufen, Geld verdienen. Solche Produkte können positive oder auch negative Auswirkungen haben. Darüber kann man sachlich diskutieren, jede Aufregung ist unnötig.
Gerücht 1: Monsanto vergiftet uns mit Glyphosat
Über den Wirkstoff Glyphosat wird besonders emotional diskutiert. Er ist der wesentliche Bestandteil des Herbizids Roundup, das von Monsanto verkauft wird. Der Wirkmechanismus von Glyphosat ist genau bekannt: Es blockiert ein bestimmtes Enzym, das die Pflanzen zum Überleben brauchen. Wir Menschen haben dieses Enzym nicht, daher bringt Glyphosat das Unkraut um, lässt uns aber weitgehend in Ruhe. In den Frühstückskaffee sollte man sich Glyphosat natürlich trotzdem nicht mischen, das macht man schließlich mit anderen Unkrautvernichtungsmitteln auch nicht. Aber Studien zeigen, dass Glyphosat im Vergleich zu anderen Herbiziden (auch zu solchen, die in der Bio-Landwirtschaft verwendet werden) recht umweltschonend und ungefährlich ist. Seine Giftigkeit für Tier und Mensch ist gering, gefährlich wird es erst in einer Dosis, der realistischerweise niemand ausgesetzt sein wird. Außerdem breitet es sich im Boden nicht besonders gut aus, auch das ist ein Vorteil.
Durch Genmanipulation kann man Pflanzensorten herstellen, die resistent gegen Glyphosat bzw. Roundup sind – man nennt sie „Roundup Ready“. Das macht Monsanto, man verkauft also spezielle Gentech-Sorten und dazu ein Herbizid, das genau diese Sorten verschont, aber das Unkraut tötet.
Das ist grundsätzlich weder gut noch böse, sondern einfach eine moderne Form der Unkrautbekämpfung. Man kann sie mit anderen Methoden vergleichen, etwa mit dem ökologisch recht bedenklichen Kupfersulfat, das in der Biolandwirtschaft eingesetzt wird. Eines sollte man aber nicht machen – nämlich Herbizide insgesamt ablehnen. Wir werden niemals eine Landwirtschaft ohne Herbizide haben, das ist einfach nicht möglich. Wir müssen die Vor- und Nachteile, die jedes Herbizid eben hat, untersuchen und gegeneinander abwägen.
Einiges spricht für Glyphosat – anderes auch dagegen: Es gibt Hinweise darauf, dass es in vielen Fällen auf unkluge Weise eingesetzt wurde. Wenn man Glyphosat in großem Stil verwendet, passiert genau das, was auch bei jedem anderen Herbizid geschieht: Man erzeugt Resistenzen. Irgendwann kommt es bei dem Unkraut, das man vernichten möchte, zu zufälligen Mutationen, das Unkraut wird unempfindlich gegenüber Glyphosat und wächst auf den mit Roundup besprühten Feldern fröhlich weiter. Es gibt Statistiken, die besagen, dass in den USA aus diesem Grund der Herbizidverbrauch durch Glyphosat sogar gestiegen ist. Andere Studien über herbizid-resistente Baumwolle zeigen einen Rückgang des Herbizidverbrauchs.
Dieses uneinheitliche Bild ist für Monsanto etwas peinlich, weil man mit Glyphosat und den speziellen Glyphosat-resistenten Nutzpflanzen den Herbizidverbrauch eigentlich senken wollte. Glyphosat ist in gewissem Sinn ein Opfer seines eigenen Erfolgs geworden: Früher wurden unterschiedliche Herbizide verwendet, durch Pflügen wurde Unkraut in den Boden eingearbeitet. Nun setzt man oft ausschließlich auf Glyphosat – eben weil es so gut funktioniert, vergleichsweise ungiftig ist und gegen viele verschiedene Sorten von Unkraut wirkt. Dass man genau dadurch Resistenzen begünstigt, ist wenig überraschend. Die Lösung wird wohl eine ökologisch kluge Kombination unterschiedliche Unkrautvernichtungsmethoden sein – das propagiert mittlerweile auch Monsanto selbst.
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