Viele Monsanto-Gegner sehnen sich offenbar nach einer kleinstrukturierten, lokalen Landwirtschaft, in der man zum regionalen Bauern geht und saisonale Produkte kauft. Das ist in Ordnung, wir können diskutieren, ob das ein erstrebenswertes Ziel ist.
Monsanto ist zum Symbol für das Gegenteil geworden – für eine Agrarindustrie der Großkonzerne mit gutdotierten PR-Abteilungen und gewieften Anwälten. Doch die Struktur der Landwirtschaft ist nicht die Schuld von Monsanto.
Es stimmt: Man kann, soll und muss über das Patentrecht diskutieren. Soll man Bauern verbieten, aus den eigenen Pflanzen Saatgut fürs nächste Jahr zu gewinnen? Brauchen wir bessere gesetzliche Rahmenbedingungen für Saatgut-Lizenzen? Was passiert mit irrtümlich verbreiteten Samen? Das sind schwierige Fragen. Uns muss bei der Diskussion allerdings klar sein: Biotechnologischen Fortschritt wird es nur geben, wenn wir Biotechnologie-Firmen erlauben, mit ihren Erfindungen auch Geld zu machen. Wir haben es hier nun mal mit einem forschungsintensiven Bereich zu tun – diese Forschung wird es nur geben, wenn man die Kosten dafür über Lizenzen wieder erwirtschaften kann.
Natürlich gibt es auch noch andere Schattenseiten der modernen Agrarindustrie: Wir müssen darüber reden, ob Transport von Nahrungsmitteln zu billig ist, ob es ökonomisch und ökologisch sinnvoll ist, Agrarprodukte über tausende Kilometer zu transportieren, ob wir nicht eine lokalere Nahrungsmittelproduktion haben möchten. Diskutieren müssen wir auch über Monokulturen, die Resistenzen fördern, Schädlinge vermehren und den Boden schädigen.
Reden kann man auch darüber, ob Monsanto – bzw. Bayer, nach der Monsanto-Übernahme – vielleicht zu groß geworden ist und eine marktbeherrschende Position einnimmt. Genau um solche Fragen zu klären, haben wir Kartellbehörden, sie sind ein wichtiger Bestandteil unseres marktwirtschaftlichen Systems. Man kann der Meinung sein, dass hier strengere Regeln nötig werden – aber das hat nichts mit Monsanto zu tun, das muss man allgemein diskutieren. Eine Anlassgesetzgebung nur für die Monsanto-Übernahme wäre rechtsstaatlich bedenklich. Man kann auch diskutieren, ob große Firmen durch ein hohes Maß an Lobbying zu viel Einfluss auf die Politik nehmen – aber das ist wieder kein Monsanto-Spezifikum. Was ist mit Shell? Exxon? Volkswagen? Nestlé? Warum pickt man eine Firma heraus, als könnte man alle Probleme lösen, indem man ihr Schaden zufügt?*
Die moderne Agrarindustrie hat ihre Probleme. Aber der Adressat des Unmutes über diese Probleme darf nicht Monsanto sein, sondern die Politik. Es ist nicht die Aufgabe eines Biotech-Konzerns, sich Regeln für die Landwirtschaft von morgen zu überlegen. Der Biotech-Konzern hat sich an die Regeln zu halten, die Politik hat sie festzulegen. Wenn euch die Regeln nicht gefallen – fein! Dann redet mit Nationalratsabgeordneten und Landwirtschaftsministern. Monsanto ist dafür nicht verantwortlich.
Und eines sollten wir – trotz aller berechtigter Skepsis – schon auch mitbedenken: Die moderne Agrarindustrie liefert für mehr Menschen als je zuvor bessere, frischere, gesündere Nahrung als sie unsere Vorfahren jemals hatten. Die Könige früherer Zeiten waren schlechter mit Nahrung versorgt als die europäische Unterschicht der heutigen Zeit. Ganz so übel kann die moderne Landwirtschaft also nicht sein.
Was wir brauchen ist nicht eine Rückkehr zur Landwirtschaft vergangener Jahrhunderte, sondern eine nachhaltige, umweltbewusste Landwirtschaft. Das sollte unser gemeinsames Ziel sein – und das erreichen wir nicht, indem wir uns unter den Biotech-Konzernen einen herauspicken, den wir dann zur Wurzel allen Übels erklären, sondern indem wie Experten befragen und gemeinsam überlegen, welche Maßnahmen am besten sind. Und dazu – da bin ich ganz sicher – werden auch Maßnahmen gehören, die auf modernen wissenschaftlichen Methoden beruhen, die es vor ein paar Jahrzehnten noch nicht gab. Das ist weder gefährlich noch beunruhigend, das ist Fortschritt.
*) Dieser Absatz wurde am 17.09 um 10:30 nachträglich eingefügt.
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