Ich wurde im Fernsehen einem Rudel von Esoterikern zum Fraß vorgeworfen. Es dauerte nicht lange, bis das Niveau blutend am Boden lag.
Auf manche Dinge kann man sich so richtig freuen. Auf einen abendlichen Mojito in der Lieblingsbar zum Beispiel. Auf andere Dinge weniger, etwa auf eine Wurzelbehandlung beim Zahnarzt. Fernsehauftritte in Diskussionssendungen sind irgendwo dazwischen. Sie können unterhaltsam und spannend sein, oder auch ziemlich ärgerlich. Mein Auftritt in einer Diskussion über Wunderheiler in „Talk im Hangar 7“ auf Servus TV fiel leider in die zweite Kategorie.
Schon lange vor der Sendung rief mich ein Redakteur an und erzählte von dem Plan, eine Sendung über Wunderheiler zu machen. Ich fand das Thema wichtig und spannend, wir führten ein recht angenehmes Gespräch. Die Teilnehmerliste stand noch nicht fest, die würde ich später noch erfahren, versicherte man mir.
Ein paar Tage vor der Aufzeichnung gab es auf der Homepage von Servus TV bereits die Ankündigung der Sendung zu sehen, der Text machte einen klugen, durchaus kritischen Eindruck. „So mancher Wunderheiler entpuppt sich als Scharlatan“, hieß es dort. „Was bleibt ist die Belastung für den Geldbeutel.“ Ja, das gefiel mir, bei so einer Sendung ist man als Eso-skeptischer Physiker doch gerne dabei.
Bald darauf erfuhr ich auch von den ersten Mitdiskutanten, nur einen von ihnen kannte ich: Christian Fiala, ein Gynäkologe aus Wien. Der Name überraschte mich. Als Wunderheiler war mir Fiala nämlich bisher eigentlich nicht aufgefallen, als Verfechter der wissenschaftlichen Medizin allerdings auch nicht. Fiala gilt als bekannter Vertreter der AIDS-Denialism-Szene, und leugnet den wissenschaftlich etablierten und wohlbegründeten Zusammenhang zwischen HIV und AIDS. Das wirklich Tragische daran ist, dass Fiala auch zu den Leuten gehört, von denen die südafrikanische Regierung unter Thabo Mbeki beraten wurde – und zwar auf eine Weise, die dazu führte, dass dort Vitamine statt wirkungsvoller Medikamente propagiert wurden. Einer Studie aus Harvard zufolge kostete das etwa 330.000 Menschen das Leben.
Meine erste Vermutung war, dass Fiala nun unter die Wunderheiler gegangen sei, um AIDS zu kurieren, aber meine Nachfrage bei Servus TV ergab Überraschendes: Fiala war nicht als Schwurbler, sondern als Skeptiker und kritischer Geist eingeladen, um gemeinsam mit mir den Gegenpol zu den anwesenden Wunderheilern zu bilden. Wie schön. Spätestens an diesem Punkt hätte mir klar sein müssen, dass die Sache nicht gut enden kann, aber mittlerweile war meine Neugier groß, ich fuhr nach Salzburg zum Servus TV-Studio im Hangar 7.
Freund und Feind
Ich komme an, die anderen sind schon dort. Ich versuche, alle mit demonstrativer Freundlichkeit zu begrüßen. „Schön, Sie kennenzulernen – noch“, sagt Fiala. Eine interessante Eröffnung. Ich verkneife mir einen Kommentar.
Ich soll keine AIDS-Debatte beginnen, sagt man mir hinter den Kulissen. Das sehe ich ein, schließlich ist das nicht das Thema der Sendung, und außerdem habe ich nichts davon, den einzigen anwesenden Mediziner zu attackieren, bei dem ich zumindest die Möglichkeit kritischer Gedanken orte. Man kann schließlich auf einem bestimmten Gebiet Unsinn sagen und auf einem anderen Gebiet trotzdem Recht haben. Ich verspreche, freundlich zu sein.
Die Sendung beginnt, wir sind insgesamt sieben Leute, inklusive Moderator. Mit wachsendem Entsetzen stelle ich fest, in was für eine Runde ich hier geraten bin: Neben mir sitzt der Mann mit dem Röntgenblick, ein Geistheiler, der in Menschen hineinschauen und mit bloßen Augen ihre Organe Schicht für Schicht durchscannen kann. Die Krankheiten, die er auf diese Weise zielsicher erkennt, kann er meistens auch gleich heilen. Auf der anderen Seite sitzt ein Theologe, der Leute mit schamanischen Trommelritualen gesundzaubert. Die homöopathische Ärztin mit äußerst bizarren Ansichten wirkt in dieser Konstellation schon fast als Lichtblick, neben ihr sitzt ein Musiker, der einen Tumor hatte, von dem er durch die Wunder der Alternativmedizin geheilt wurde.
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