Ein Universitätsprofessor schreibt einen Bestseller, in dem er für Magie und Übernatürliches wirbt. „Es existiert“ von Johannes Huber ist eine Propagandaschrift gegen das wissenschaftliche Denken.
Wie konnte das passieren? Johannes Huber ist zweifellos ein kluger Mann. Er ist ein angesehener Gynäkologe, in den Medien wird er manchmal als „Hormonpapst“ bezeichnet, er ist Professor an der Medizinischen Universität Wien. Dass er vor seiner medizinischen Laufbahn auch Theologie studiert hat und als Sekretär des Wiener Erzbischofs arbeitete, macht ihn eigentlich noch interessanter. Kann man sich von ihm vielleicht spannende Gedanken über weltanschauliche und wissenschaftliche Fragen erhoffen? Wer sein Buch liest muss rasch erkennen: Nein, offenbar nicht.
„Es existiert“
Hubers aktuelles Buch „Es existiert“ ist unwissenschaftlich und anti-aufklärerisch. Statt wissenschaftlicher Fakten präsentiert es haarsträubende Falschaussagen, statt schlüssiger Argumentation beinhaltet es wirre Gedankensprünge, statt interessieren Lesern Wissenschaft näherzubringen, propagiert es eine mystische Weltsicht der esoterischen Beliebigkeit, mit Schutzengeln, magischer Aura und übersinnlicher Informationsübertragung.
„Die Wissenschaft entdeckt das Unsichtbare“, so lautet der Untertitel des Buchs. Nun – Unsichtbares kennt die Wissenschaft schon lange, von Mikrowellenstrahlung bis zu subatomaren Teilchen. Das „Unsichtbare“, das Huber in seinem Buch postuliert, hat die Wissenschaft allerdings mit Sicherheit nicht entdeckt, und das wird auch in Zukunft so bleiben.
Wäre Johannes Huber bloß ein antiwissenschaftlicher Wirrkopf wie viele andere, die in obskuren Verlagen mit Brett vorm Kopp ihre Thesen publizieren, wäre die Sache nicht weiter aufregend. Auf ein zusätzliches Esoterik-Buch auf dem Markt käme es auch nicht mehr an. Doch Huber ist ein anerkannter Wissenschaftler mit Leistungen, die sich sicher nicht leugnen lassen – und genau das verleiht seinen weltanschaulichen Thesen ein Gewicht, das sie nicht verdient haben. Seit Monaten hat das Buch seinen festen Platz auf der österreichischen Bestsellerliste. Das ist ein guter Grund, das Werk nicht seufzend zu ignorieren, sondern doch näher anzusehen.
Das Buch beginnt mit einer These, die absolut richtig ist: Der Mensch verändert sich. Von Generation zu Generation werden die Menschen größer und gesünder, die Lebenserwartung steigt. Johannes Huber erklärt auch woran das liegt: Unsere Ernährung ist heute einfach viel besser als früher – so weit, so korrekt und interessant. Doch dann projiziert er diesen Menschheitsfortschritt auch auf eine psychische und spirituelle Ebene, plötzlich wird der Mensch zur magischen Sendeantenne, die mit anderen Menschen und der gesamten Umwelt in Verbindung steht. Argumente oder gar zitierbare Fakten dazu gibt es nicht. Die Argumentation erschöpft sich in Phrasen wie „es könnte ja sein, dass“, oder „es ist methodisch richtig, daran zu glauben“.
Quantenunfug
Kaum ein esoterisches Schwurbelbuch kommt ohne Quantenphysik aus – und Hubers Buch natürlich auch nicht. Wie nicht anders zu erwarten, finden wir auch hier das alte Missverständnis von der angeblichen Rolle des Bewusstseins in der Quantenphysik. So grausam wie hier wird es allerdings selten dargeboten: „Die Heisenbergsche Unschärferelation besagt sinngemäß, dass sich ein Versuch ändern kann, und zwar nur durch den Umstand, weil jemand auf den Versuch draufschaut.“
Atmen wir tief durch und ignorieren wir die sprachlichen Schwächen dieses Satzes. Nehmen wir zur Kenntnis dass mit „Versuch“ hier wohl „Ergebnis eines Experiments“ gemeint sein muss. Reden wir nicht darüber, dass es „durch den Umstand, dass“ heißen müsste, nicht „durch den Umstand weil“. Ergänzen wir gedanklich, dass „auf den Versuch draufschauen“ in richtigem Deutsch wohl „das Experiment beobachten“ heißen müsste. Dann ist die Aussage inhaltlich leider noch immer völliger Unfug.
Zunächst: Nein, die Heisenbergsche Unschärferelation besagt etwas ganz anderes. Bei der Unschärferelation geht es darum, dass man gewisse Eigenschaften eines Quantenobjekts nicht gleichzeitig messen kann. Huber versucht hier allerdings darüber zu reden, dass die Messung den Zustand verändert – das hat mit der Unschärferelation allenfalls indirekt zu tun. Will man dieser Sache unbedingt einen gebildet klingenden Namen geben, hätte man vielleicht von der „Kopenhagener Deutung“ schreiben können.
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