Grundsätzlich gibt es in Deutschland zwei Kategorien für beruflich strahlenexponierte Personen. Kategorie B dürfen max. 6 mSv (Millisievert) pro Jahr abbekommen und müssen jährlich medizinisch kontrolliert werden und Kategorie A (sowas wie mich), die max. 20 mSv pro Jahr haben und zusätzlich zu der medizinischen Untersuchung noch einen Strahlenpass brauchen.
Da normale Leute max. 1mSv pro Jahr abkriegen dürfen, schützt mich mein Strahlenpass also offenbar vor 19mSv ionisierender Strahlung pro Jahr, weshalb ich ihn auch immer liebevoll meinen Strahlenschutzpass nenne. Ich denke dabei immer an die Italo-Western, wo der Pistolenschuss in der im Revert getragenen Bibel stecken bleibt.
Optisch hat der Strahlenpass auch schon gewisse Ähnlichkeit mit einer Taschenbibel oder sonst einem kleinen Heftchen in A6 Format und ist in Anlehnung an den Anhalter durch die Galaxis in freundlichem Gelb gehalten. In jedem Betrieb, der strahlenexponierte Personen der Kategorie A beschäftigt, gibt es einen Strahlenschutzbeauftragten, der die Pässe führt und nachhalten muss, wie viel Strahlung die entsprechende Person auch tatsächlich abbekommen hat. Dazu gibt es die so genannten Filmdosimeter, die bei allen Arbeiten in Kontrollbereichen getragen werden müssen, jeden Monat zentral ausgewertet werden und als amtlicher Nachweis gelten.
Ich werde sicher in meiner Reihe “Detektoren, wie messe ich Strahlung” noch mal genauer auf die Funktionsweise eingehen, daher sei an dieser Stelle nur angemerkt, dass diese Dosimeter eine Art (Photo)Film enthalten, der durch Strahlung “belichtet” wird und nachher ausgelesen werden kann. Sprich, wenn man verstrahlt wurde, dann kriegt man pünktlich am Monatsende Bescheid gesagt, dass man sich da wohl etwas eingefangen hat und wieviel. Diese effektive Dosis in Millisievert wird dann brav in den Strahlenpass eingetragen, damit ebenfalls Berufslebensdosis (max. 400mSv/Leben) und ähnliches überwacht werden können. Im letzten Jahr habe ich (inklusive Arbeiten in einem Forschungsreaktor) insgesamt 0,317 mSv angesammelt, was relativ normal für meine Kollegen und mich ist. Um das ganze mal in einen Kontext zu setzen, sind 0,3 mSv ca. ein Achtel von einem Kopf-CT(2,3 mSv) oder 30 mal Zähne röntgen(0.01 mSv) oder einer Mammographie (0,5 mSv).
Wenn meine Mutter also fragt, ob ich nicht Angst hätte in einer solchen Anlage zu arbeiten, dann kann ich ihr ziemlich präzise sagen, dass ich mit meiner Arbeit und dem Wohnort im Rheinland (0,3 mSv/Jahr durch Arbeit + 0,5 mSv/Jahr durch Wohnen im Rheinland) weniger jährliche Strahlung abbekomme als ein normaler Bürger im Bayrischen Wald oder Erzgebirge (>1,5 mSv/Jahr).
Das ganze Prozedere gilt aber natürlich nur für Leute, die auch tatsächlich überwacht werden. Mein Bruder ist Industriekletterer und öfter an Orten unterwegs, wo er höherer Strahlung ausgesetzt ist als ich (z.B. in einem Kohlekraftwerk oder als Skilehrer in den Alpen) und trotzdem muss er keinen Nachweis führen, wieso?
Grundsätzlich hat das zwei Gründe:
Erstens kann bei mir ein Unfall passieren und ich könnte mir eine wesentlich höhere Strahlendosis einfangen als im Normalbetrieb. Das kann bei meinem Bruder nur schwer passieren kann, denn die Alpen fangen nicht plötzlich an mehr zu strahlen, nur weil jemand auf den falschen Knopf gedrückt hat oder ein Erdbeben samt Tsunami vorbeikommt.
Zweitens will man das bei den meisten natürlichen radioaktiven Quellen gar nicht so genau wissen, denn wenn man arbeitsrechtlich natürliche und künstliche Radioaktivität gleichsetzen würde, dann könnten sehr viele Arbeiten nicht mehr ohne Strahlenschutz durchgeführt werden – wie z.B. Bergbau, Müllabfuhr mit Bauschutt, Mineralwasser abfüllen, Skilehrer in den Alpen, Verhüttungsbetriebe, Düngemittelproduzent, Bananenpflücker oder Kellermeister im Erzgebirge.
Aber grundsätzlich kann unser Körper schon ein gutes Stückchen Strahlung ab, denn er war ja schon immer in der Menschheitsgeschichte natürlicher Radioaktivität ausgesetzt. Sinn des Strahlenpasses ist es hauptsächlich aufzupassen, dass wir es nicht übertreiben und damit schützt er mich dann tatsächlich. Manche Arbeiten an manchen Orten dürfen daher auch nicht von Menschen durchgeführt werden, da es Sperrbereiche gibt (z.B. in Atommülllagern), in denen die Strahlung so hoch ist, dass ich binnen Minuten “meine Karte voll” haben würde.
Übrigens: Flugpersonal gehört aufgrund der Höhenstrahlung wie ich auch zum überwachten Personal, aber für sie muss kein Strahlenpass geführt werden, da ihre Jahresdosis nicht gemessen, sondern anhand ihrer Flugrouten berechnet wird(1).
(1)https://www.helmholtz-muenchen.de/fileadmin/EPCARD-Portal/PDF/Strahlung_Fliegen.pdf
Kommentare (6)