Einige Länder und Organisationen/Firmen benutzen Uranmunition um damit in Deutschland auf Phantome zu schießen (also Pappscheiben, ballistische Gelatine, Aramitfasern, Panzer etc.) und nicht nur meine Mutter, die gerne mal gegen solchen Gebrauch auf Truppenübungsplätzen in der Nähe demonstriert, fragt sich: Warum eigentlich?
Die Antwort ist relativ simpel, weil Uran schwer ist. Uranmunition wird nicht wegen seiner Radioaktivität verwendet, sondern nur wegen seiner anderen Materialeigenschaften. Das Uran ist zu einem sehr großen Teil abgereichert, also U238 (im Gegensatz zum nuklearen Brennstoff U235). Ein Kilogramm abgereichertes Uran erzeugt in einer Entfernung von einem Meter eine jährliche Strahlendosis von ca. 1 mSv, was wirklich nur in der Größenordnung von Röntgenaufnahmen liegt.
Generell möchte man in der Ballistik ein möglichst schweres Projektil haben um viel Energie transportieren zu können. Die Energie nimmt linear mit der Masse des Projektils und quadratisch mit der Geschwindigkeit zu. Doch wenn man nun
die Geschwindigkeit erhöht, dann erhöht sich auch der Luftwiderstand, so dass dies nur in einem bestimmten Rahmen sinnvoll ist. Um die Masse zu erhöhen nimmt man ein möglichst schweres Element wie z.B. Blei … oder eben ab dem zweiten Weltkrieg Uran.
Uran wiegt fast doppelt so viel wie Blei (19/11), so dass ein Projektil aus Uran auch annähernd doppelt so viel Energie übertragen kann, ohne etwas an dem Luftwiderstand zu ändern.
Darüber hinaus ist Uran auch noch giftig, “entzündend” und “selbstschärfend”, aber da ich von modernen Waffen eigentlich keine Ahnung habe und mich damit auch nicht weiter beschäftigen will, sei an dieser Stelle einfach mal auf bessere Quellen verwiesen. (3) (4)
Ich kümmere mich um Strahlung und da sind dann so Fragen interessant, wie: “Darf ich aus Strahlenschutzsicht in Deutschland Uranmunition benutzen?”
Darauf kann man klar mit “Nein” antworten, denn die Freimenge für U238 liegt bei 0,7g reinem abgereicherten Uran(1) (oder 10Bq/g in Legierungen etc.). Das bedeutet, selbst wenn jemand alle Strahlenschutzauflagen für die Benutzung über der Freigrenze einhalten würde, müsste bis zur Entsorgung sicher gestellt werden, dass niemals mehr als 0,7g abhanden kommen. Sowas dürfte bei einem Projektil, das beim Aufprall sicher nicht intakt bleiben wird, ziemlich unmöglich sein.
Die Regelung gilt natürlich nicht für Gebiete, Transporte etc., die aus irgendwelchen Gründen nicht unter die deutsche Gesetzgebung fallen.
“Gibt es genug abgereichertes Uran um daraus Munition zu machen?”
Ja, eindeutig. Über 99% des natürlichen Urans ist das Isotop U238, so dass beim Anreicherungsprozess für Reaktoren und Atomwaffen sehr viel abgereichertes Uran als Nebenprodukt oder Müll anfällt. Im Allgemeinen gilt, dass nur ein einstelliger Prozentsatz des abgereicherten Urans für andere Zwecke weiterverwendet wird und der Rest als Atommüll entsorgt werden muss. Daher ist abgereichertes Uran sogar ziemlich billig.
Tatsächlich gibt es außer Uranmunition nur noch sehr wenige andere Zwecke, für die abgereichertes Uran verwendet wird und eine dieser anderen Verwendungen fällt in meinen Bereich, nämlich Abschirmung.
Auch wenn es sich erstmal so anhört, als gehöre “Strahlung durch Uran abschirmen” in die gleiche Kategorie wie “Waffen für den Frieden” oder “Ficken für die Jungfräulichkeit”, so stimmt das nicht, denn mit abgereichertem Uran kann man tatsächlich prima Röntgen- und Gammastrahlung abschirmen.
Um diese elektromagnetischen Strahlen abzufangen, benötigt man nämlich ein Element, das möglichst viele Elektronen hat und je weiter ein Element im Periodensystem “rechts unten” steht, desto besser ist es geeignet, Röntgen- oder Gammastrahlen abzuhalten. Beryllium ist für Röntgen quasi durchsichtig, Blei blockiert schon ziemlich viel und Uran schirmt sogar noch besser ab. Vor allem für hochenergetische EM-Strahlung, bei der man aus geometrischen Gründen nicht beliebig viel Material (z.B. Blei) drum herum packen kann, wird U238 als Abschirmung eingesetzt.
Natürlich muss dies alles in einem radioaktiven Kontrollbereich geschehen, denn wie oben schon gesagt, unterliegt alles über 0,7g der Überwachung durch den Strahlenschutz.
Da in Deutschland mittlerweile für alle Anwendungen mit radioaktiven Materialien VOR Inbetriebnahme ein Entsorgungkonzept ausgearbeitet werden muss und U238 schon ziemlicher Atommüll ist, wird aktuell nur noch auf Uran als Abschirmung zurückgegriffen, wenn es absolut notwendig ist und die bereits in Kontrollbereichen existierenden Uranabschirmungen werden gehütet wie Augäpfel oder wertvolle Juwelen.
Noch eine potentielle Anwendung von Uran fällt sogar noch deutlicher in meinen Arbeitsbereich, nämlich Neutronenproduktion durch Spallation(2). Dabei wird auch ein möglichst schweres Target benötigt, das dann mit Protonen aus einem Beschleuniger beschossen wird um dann Kernteilchen “herauszuschießen”. Aber das werde ich dann definitiv auch noch mal in einem eigenen Artikel zur Spallation aufgreifen.
Wer solange nicht warten kann, sei hier solange auf meinen letzten Science Slam auftritt verwiesen.
(1) https://www.gesetze-im-internet.de/strlschv_2001/anlage_iii_167.html
(2) https://de.wikipedia.org/wiki/Spallation
(3) https://de.wikipedia.org/wiki/Uranmunition
(4) https://www.uni-oldenburg.de/physik/forschung/ehemalige/uwa/rad/du/
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