Kann eine bestimmte Krankheit eindeutig einer bestimmten Stahlenexposition zugewiesen werden? Das wurde ich schon öfter gefragt und da die Antwort aus Physikersicht relativ einfach ist, möchte ich dies hier kurz festhalten.
Generell müssen wir zwischen deterministischen und stochastischen Effekten unterscheiden. Deterministische Effekte treten erst bei einer bestimmten (hohen) Strahlendosis auf und töten quasi direkt Zellen (und evtl. auch Organe). Aus Tschernobyl wird berichtet, dass Helfer binnen Minuten durch dicke Schutzkleidung hindurch schwere Sonnenbrände auf der Haut bekamen, die schließlich Blasen warfen, schwarz wurden und abstarben. Fast wie blanke Haut in intensivster Sonne ohne Schutz.
Das ist ein besonders starkes Beispiel von Strahlung, die einfach so stark ist, dass sie Gewebe direkt zerstört. Dieser Effekt wird bei manchen Arten der Strahlentherapie gezielt eingesetzt um Tumorgewebe zu zerstören und den Menschen zu heilen.
Bei einem deterministischen Effekt kann ich ganz deutlich die Krankheit (das abgestorbene Gewebe oder Organ) einer bestimmten Strahlenexposition zuordnen und Ursache und Wirkung liegen sehr nah beieinander. Das Gewebe wird direkt während der Exposition geschädigt und auch nur so lange, wie die Exposition anhält.
Der stochastische Effekt tritt schon bei geringen Strahlendosen auf und ist, wie der Name schon sagt, ein Wahrscheinlichkeitsprozess. Er beruht darauf, dass die Strahlung die Chemie innerhalb der Zellen verändert und Schäden an der DNS verursacht und/oder freie Radikale in der Zelle erzeugt, die dann wiederum Zellbausteine schädigen können.
Meistens wird so eine Form von Krebs verursacht, da die Schäden die Zelle dazu bringen sich anormal zu verhalten. Dieser Effekt ist also sehr indirekt, sowohl zeitlich als auch räumlich, so dass keine direkte Korrelation nachgewiesen werden kann. Es kann Menschen geben, die deutlicher Strahlung ausgesetzt wurden, aber niemals Krebs entwickeln und andere Menschen, die nur bei geringer oder gar keiner Exposition direkt mehrere Tumore bekommen.
Das ist ein wenig wie mit dem Rauchen und Lungenkrebs. Mittlerweile bezweifelt kaum jemand, dass Rauchen das Risiko für Lungenkrebs erheblich erhöht, dennoch gibt es Leute wie Helmut Schmidt, die auch nach einer Millionen Kippen keinen Lungenkrebs bekommen, während andere Nichtraucher schon lange daran leiden. Es erhöht eben nur das Risiko und ist kein Garant für Krebs.
Es gibt übrigens große Meinungsunterschiede, ob stochastische Effekte schon bei sehr niedrigen Dosen (wie in der Nähe von Atomkraftwerken) auftreten, oder erst ab einem gewissen “Schwellwert”, wie hier z.B. von Atomenergiebefürwortern vertreten (https://nuklearia.de/2015/01/11/strahlenangst-mit-fakten-bekaempfen/). Das ist auch beileibe keine Frage, die sich so einfach beantworten lässt, denn alle Menschen können Krebs bekommen, das ist klar, egal ob sie Strahlung ausgesetzt sind oder nicht, denn es gibt noch viel andere Mechanismen, die Krebs verursachen und mit Strahlung nichts zu tun haben. Außerdem gibt es natürliche Strahlung, der wir alle ausgesetzt sind und an der wir nichts ändern können.
Meine Kollegen aus dem Strahlenschutz und ich rechnen bei sowas immer möglichst konservativ und sagen “Jede Strahlung, die nicht unbedingt sein muss, sollte verhindert werden.” Das ist das sog. “ALARA” (as low as reasonably achievable)-Prinzip. Meine Professorin ist der Meinung, dass schon eine geschädigte Zelle ausreicht und es für den stochastischen Effekt keinen Schwellwert gibt. (1)
Aber Fakt ist, dass ich einen bestimmten stochastischen Effekt niemals mit Sicherheit einem gewissen Ereignis zuordnen kann, also niemals bei einer stochastischen Krankheit sagen kann: “Das stammt von dieser Exposition.”
(1) Biologische Strahlenwirkung Strahlenschutzkurz Universitätsmedizin Göttingen, Prof. P. Virsik-Köpp . www.uni-goettingen.de/de/document/download/96c171806298c14077da87b2784c9eb4.pdf/Biologische%20Wechselwirkungen%20Aiuszubildende.pdf
Kommentare (18)