Schweres Wasser ist normales H2O, in dem nicht zwei normale Wasserstoffatome verbaut wurden, sondern ihre Isotopenvariante Deuterium. Deuterium besteht nicht nur aus einem Proton und einem Elektron, wie normaler Wasserstoff, sondern es hat noch ein zusätzliches Neutron, wodurch es ungefähr doppelt so schwer wird (daher der Name “schweres Wasser”). Das schwere Wasser wiegt, bei gleichem Volumen, nur noch wenig mehr als normales Wasser, hat aber schon einen veränderten Schmelz- und Siedepunkt.
Warum Deuterium so toll ist, werde ich sicher noch mal in einem ausführlichen Artikel schreiben, aber hier ist vor allem wichtig, dass es wesentlich weniger Neutronen absorbiert als normaler Wasserstoff (abs. D = 0,0005 barn im Gegensatz zu abs. H = 0,3326 barn). Dadurch wird es insbesondere an sehr neutronenreichen Orten gerne als Moderator eingesetzt, weil es Neutronen gut reflektieren kann ohne all zu viele davon zu absorbieren.
Solche neutronenreichen Orte sind vor allem sog. CANDU Schwerwasserreaktoren – bei denen eben Schwerwasser um die Brennstäbe herum benutzt wird, statt normalem Wasser. Das Schwerwasser macht den “Verbrennungsprozess” der Uranstäbe wesentlich effektiver und erhöht damit die Effektivität gegenüber einem normalen Leichtwasserreaktor, da es eben die Neutronen besser “in der Mitte” hält.
Der große Nachteil bei Schwerwasser ist primär erst mal, dass es teuer ist. Ein Liter Schwerwasser kostet ca. 300€ und wenn man nun ein ganzes Schwimmbad davon braucht, dann erreichen die Kosten alleine für das Schwerwasser gerne mal bis zu 10% der Kosten des ganzen Atomreaktors. Darüber hinaus ist das keine einmalige Anschaffung, denn wie ich schon in meinem Tritium Artikel geschrieben hatte werden im Schwerwasser durch den Neutroneneinfang radioaktive Tritiumisotope produziert, die in bestimmten regelmäßigen Abständen herausgefiltert werden müssen. Dazu muss in der Regel das ganze Schwerwasser ausgetauscht und zu einer Aufbereitungsinstallation geschickt werden, was auch nicht ganz einfach ist.
Grundsätzlich gibt es weltweit zwei große Lieferanten für schweres Wasser, “die Kanadier” und “die Inder”. In diesen beiden Ländern sind die meisten CANDU-Reaktoren im Einsatz, es wird viel schweres Wasser benötigt und der Fertigungsprozess profitiert sehr von groß angelegten Anlagen. Der “Fertigungsprozess” ist meist eine Art Elektrolyse, bei der der im natürlichen Wasser vorhandene Anteil an Schwerwasser herausgetrennt wird. Diese Elektrolyse benötigt wiederum eine Menge Strom, der meist auch wieder von Schwerwasserreaktoren zur Verfügung gestellt wird.
Von meinem verzweifelten Versuch mich durch den indischen Bürokratiedschungel zu kämpfen, um von den Indern einen Kostenvoranschlag zu bekommen, werde ich hier sicher noch mal in einem separaten Beitrag berichten, aber die Kanadier sind da recht professionell und daher bekomme ich nun mein Schwerwasser aus den großen Seen geliefert. Das Problem bei der Bestellung sind nicht die chemischen Eigenschaften des D2O (denn radioaktiv is es eben nicht), sondern die Moderatoreigenschaften. Da man Schwerwasser zum Brüten von waffenfähigen Isotopen und allgemein zum Atomwaffenbau verwenden kann, unterliegt es der Überwachung durch die IAEA und allgemeinen Handelsbeschränkungen für Dual Use Güter. Das heißt, ich benötige für den Kauf eine Ausfuhrerlaubnis der kanadischen Regierung und eine End-User Vereinbahrung, damit ich nicht auf die Idee komme daraus Atomwaffen zu bauen oder es an den Iran weiter zu verkaufen.
Nachdem ich dann mein Schwerwasser endlich bekommen hatte, sollte ich als vernünftiger Wissenschaftler ja als ersten Schritt mal die Qualität und Reinheit messen und an diesem Schritt sitze ich nun aktuell. Grundsätzlich kann die Menge an Fremdatomen durch eine Titration bestimmt werden, aber das sagt mir leider nicht, was für Fremdstoffe in meinem Wasser sind. Um die Zusammensetzung der verschiedenen Isotope herauszufinden (wieviel Prozent H, D und T) könnte man Massenspektroskopie betreiben und sie nach ihrem Gewicht trennen oder NMR-Spektroskopie benutzen, um sie nach ihrem Kernspin zu unterscheiden. Leider sind wohl beide Verfahren hier im Haus gerade nicht so einfach möglich, so dass ich wahrscheinlich auf Plan-B zurückgreifen muss.
Plan-B wäre dann nur den Tritiumgehalt zu messen, denn wie ich dem entsprechenden Artikel ja schon geschrieben hatte, ist Tritium leicht radioaktiv und das ist ja mein Fachgebiet. Mithilfe von Flüssigszintillation, bei der das Schwerwasser dann mit einem radiolumineszenten Farbstoff vermischt wird, kann man sehr sehr präzise die Radioaktivität und damit den Gehalt an Tritium in meiner Probe messen. Das ganze ist sogar so präzise, dass ich festellen kann, wieviel Neutronen mein Schwerwasser nur dadurch einfangen wird, dass es hier im Keller herumsteht. Ich nehme momentan noch Wetten an, wo mehr Tritium drin ist… in meinem Schwerwasser oder in einer Vergleichsprobe Wasser aus dem Rhein vor meiner Haustür… ich bin sehr gespannt.
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