Mann, ist das schwer, vernünftig Atomwaffenmaterial in Indien zu bestellen. Während die Kanadier einfach die gewünschte Menge Schwerwasser aus den großen Seen abzapfen und per UPS und Luftpost herüberschicken, muss man in Indien mit der halben Atomaufsichtsbehörde telefonieren und herummailen, nur um einen Kostenvoranschlag zu bekommen. Ja kruzitürken, Herrschaftszeiten nochamol!
Als guter Deutscher (wobei ich mir manchmal echt unsicher bin, ob ich als Kölner jetzt wirklich dazu gehöre) denkt man sich ja in der Regel, dass man beim Thema Bürokratie schon einiges erlebt hat. Nun ja, die BRD mag vielleicht in Punkto Bürokratiedschungel den Schwarzwald oder die Eifel zu bieten haben, aber die Inder, ja die haben die grüne Hölle, in der Mogli von Wölfen, Panthern und Bären großgezogen wurde und in der Indiana Jones den Tempel des Todes besuchte.
Ich habe ja schon mal hier angedeutet https://scienceblogs.de/nucular/2015/02/17/tritium-was-sie-schon-immer-wissen-wollten/ , dass ich leichte Probleme hatte Schwerwasser in Indien zu bestellen und ausführlich geht die Geschichte so: Ich fragte bei uns im Haus nach, wo normalerweise Schwerwasser bestellt wird und offenbar gab es einen Zwischenhändler in Europa, der bei meinem Anruf allerdings zugeben musste, kurzfristig nicht solche Mengen bereitstellen zu können. Hauptsächlich wird Deuteriumoxid in Schwerwasserreaktoren von Kanada und Indien verwendet, so dass mein nächster logischer Schritt war, mich direkt an die größten Hersteller zu wenden.
In Indien wird das ganze zentral vom “Heavy Water Board” https://www.hwb.gov.in/ verwaltet, die auch direkt die Verbindungen zu den industriellen Zulieferern organisieren. Nach meiner Anfrage wurde ich zweimal weitergeleitet, bevor ich eine Kontaktperson bekommen habe, die mir sagte, sie können mir einen Kostenvoranschlag schicken, wenn ich eine End-User-Vereinbarung unterzeichnen würde.
Eine End-User-Vereinbarung ist die Bestätigung, dass Dual-Use Güter https://de.wikipedia.org/wiki/Dual-Use nicht zu militärischen Zwecken benutzt werden und da ich ja nicht vorhatte eine Atombombe zu bauen, war das ja auch keine Problem… naja, bis die gute Frau mir den Vordruck per E-Mail schickte.
Das offizielle Dokument der indischen Regierung zu Dual-Use-Gütern ist ein Microsoft Word Dokument in blauer Schrift und freien Feldern mit Punkten oder Unterstrichen, die man dann ausfüllen sollte. Hm, ok.
Nachdem ich mir dann Windows und Office besorgt und das “Dokument” ausgefüllt hatte, zeigte mir mein Chef nur noch den Vogel. In dem Dokument stand nämlich “certify, that we are purchasing” und er wollte sicher nichts kaufen, ohne vorher die Kosten zu wissen. Alle Beteuerungen meinerseits, dass es sich nur um eine Formalität vor dem Kostenvoranschlag handeln würde, waren egal, er wollte nur Sachen unterschreiben, mit denen er keinen Kaufvertrag schließen würde.
Ok, das kann man doch bestimmt hinbekommen. Ich meldete mich wieder in Indien und vereinbarte mit meinem Kontakt, dass ich den Text des Word-Dokumentes so abändern könnte, dass dort “interested in purchasing” stand (dreimal ändern, dreimal hin- und herschicken, dreimal dem Chef vorlegen).
Okay, das konnte mein Chef akzeptieren und unterschreiben, so dass es seinen Weg in die indische Atomenergiebehörde fand. Dort prüften mindestens 4 Leute (das waren die, die mich kontaktierten) mein Anliegen, wunderten sich über die vier Wörter, die ich in der End-User Vereinbahrung geändert hatte (und die von meinem indischen Kontakt genehmigt und bestätigt worden waren) und leiteten es weiter.
Mittlerweile hatte ich von den Kanadiern nach drei Mails und einem Telefonat eine Ausfuhrgenehmigung und Bestätigung der IAEN-Registrierung und mein zuständiger Sachbearbeiter wartete nur noch darauf, dass er meine Menge abfüllen und verschicken lassen könnte. Ich Idiot wollte aber zumindest noch auf das Angebot aus Indien warten.
Naja, das kam dann leider in der Form einer Mail eines Regierungsbeamten, der mir mitteilte, dass man auf keinen Fall eine Änderung des offiziellen Dokumentes akzeptieren könnte und ich unbedingt das Original unterzeichnen und siegeln lassen müsse (Stempel auf dem Word-Dokument reichte wohl nicht). Ich erklärte mein Problem erneut und bat um irgendeine Möglichkeit, vielleicht doch noch einen Kostenvoranschlag zu bekommen, versuchte eine ungefähre Kostenabschätzung zu ergattern (gab’s natürlich nicht) oder irgendwie Kontakt zu einem Hersteller direkt (die verwiesen mich wieder an die Atomenergiebehörde) oder einen anderen Kunden zu finden… nun ja, lange Rede, kurzer Sinn, ich habe aufgegeben.
Ja, ich guter Preuße, der in allen Ländern der Welt aufgrund seiner Industrienormen und Bürokratie milde belächelt wird, habe vor dem indischen Verwaltungsapperat kapituliert, feige und unzeremoniell. Naja, zumindest kann ich mir sicher sein, dass kein böser Schurkenstaat jemals Atomwaffen mit indischen Teilen bauen wird. Bevor die auch nur einen Kostenvoranschlag bekommen werden, haben die USA längst einen Todesstern gebaut.
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