In den letzten 10 Jahren ist die Furcht vor schmutzigen Bomben ziemlich deutlich gestiegen. Nicht nur bei der Bevölkerung, sondern (bzw. vor allem) bei diversen Regierungen. Da ich der fundamentalen Überzeugung bin, dass Angst mit Wissen zu begegnen, eine der besten Möglichkeiten ist, diese zu überwinden, ist das Toppic „schmutzige Bombe“ wirklich Kernthema *badabum* dieses Blogs.
In diesem Eröffnungsartikel schreibe ich einfach mal nur so, wie mir der Schnabel gewachsen ist. Ich habe hier (noch) nichts recherchiert, nichts nachgeschlagen und schreibe lediglich mit dem Wissen bewaffnet, das ich irgendwann mal gelernt und aufgeschnappt habe.
Also grundsätzlich existiert das Prinzip der schmutzigen Bombe ca. seit dem zweiten Weltkrieg. Es gibt eine normale Bombe mit Sprengstoff, die allerdings statt Shrapnell feines radioaktives Pulver über eine bestimmte Fläche verteilt. Also quasi wie chemische oder biologische Kampfstoffe nur eben radioaktiv. Hier liegt dann auch direkt der Grund, warum eine solche Waffe noch nie wirklich eingesetzt worden ist. Chemische und biologische Kampfstoffe sind wesentlich effektiver. Klar braucht es nur wenige mg Polonium um z.B. ehemalige russische Geheimagenten zu vergiften, aber mit ein paar mg Substanz töten? Das können chemische und biologische Kampfstoffe erst recht. Der einzige Grund, der mir sonst noch einfallen könnte, wäre der, dass bei der richtigen Isotopenwahl das bombardierte Gebiet für einen bestimmten Zeitraum (wahlweise Wochen oder Jahrhunderte (Jahrmillionen)) unbewohnbar wäre… aber das können B und C Waffen sicherlich auch. Die umgekehrte Methode, dass eine kurze Halbwertszeit dazu benutzt wird ein Gebiet schnell wieder bewohnbar zu machen, ist zwar theoretisch auch möglich, aber wahrscheinlich nicht praktikabel, da es extrem gutes Timing verlangen würde.
Dann kommt als nächstes natürlich die Frage in den Sinn, ob nun radioaktives Material für eine schmutzige Bombe einfacher zu besorgen ist, als B oder C Waffen? Darauf lautet die Antwort eigentlich auch relativ klar: Nein! Denn diejenigen Länder und Organisationen, die Zugang zu Material für eine professionelle schmutzige Bombe haben, können sich auch genauso leicht B & C Waffen besorgen.
Der einzige Punkt, in dem schmutzige Bomben einen Vorteil haben, ist Angst. Die gefühlte Bedrohung und die empfundene Gefährlichkeit ist um einiges größer, als bei vergleichbaren anderen Sprengsätzen. Daher wären schmutzige Bomben wirklich nur für Individuen interessant, die eben keinen gut organisierten Staatsapparat zur Verfügung haben und die Absicht verfolgen, hauptsächlich psychologische Effekte hervorzurufen. Wer jetzt aber reflexartig “Terrorist” ruft, der wird nur sehr bedingt richtig liegen, denn diese Terroristen dürfen dann aber auch nicht auf die Unterstützung der Bevölkerung angewiesen sein. Die RAF z.B. hatte zu großen Teilen auf die Unterstützung einer Bevölkerungsschicht (Studenten und sowas *g*) bauen können und wenn die damals schmutzige Bomben benutzt hätten, dann hätten sie quasi instantan jeglichen Rückhalt verloren.
Da sie hauptsächlich psychologische Wirkung haben, können schmutzige Bomben auch nur dort effektiv eingesetzt werden, wo die Verbreitung schnell bekannt werden würde und die Bevölkerung sensitiv auf dieses Thema reagiert. Sprich, in Russland oder Japan hätte eine solche Bombe wahrscheinlich nur den Bruchteil der Wirkung, die sie in Europa oder den USA hätte und in Ländern mit einem gestörten Kommunikationssystem hätten sie wahrscheinlich gar keine Wirkung, da man den Einsatz eben nur mit guter Messtechnik nachweisen kann.
Eine Kuriosität, die es wahrscheinlich auch nur bei diesem Thema gibt, wäre auch noch eine “legale schmutzige Bombe”. Die stelle ich mir in etwa so vor: Man nehme einen legalen Sprengkörper, der ein Aerosol in der Luft verteilt (wie z.B. eine Sylvesterrakete) und befülle ihn mit einer radioaktiven Substanz, ein klein wenig unter der Freigrenze. Stoffe unter der Freigrenze sind vor dem Gesetz nicht radioaktiv, können aber (wie ich z.B. schon beim Tritium geschrieben habe) durchaus einiges an Aktivität aufweisen. Nachdem diese Menge der “nicht radioaktiven” radioaktiven Substanz durch die Rakete verteilt worden ist, kann sie nach einem Anruf bei den Medien überall in dem betreffenden Gebiet nachgewiesen werden. Die Gefährlichkeit wird sich wohl ziemlich in Grenzen halten, aber ihre psychologische Wirkung würde sie vollends entfalten können.
Juristisch bin ich nicht gut genug bewandert, um eine Aussage treffen zu können, ob der Gebrauch einer solchen “Waffe” nicht illegal wäre, aber der Besitz ist es sicherlich nicht (solange man sich eine Genehmigung für den Kauf von Klasse II-Feuerwerk außerhalb von Sylvester für 20€ beim Ordnungsamt holt).
Naturwissenschaftler wie ich tendieren dazu psychologische Effekte gering zu schätzen, da sie ja “eigentlich nichts tun”. Aber wir müssen uns nur aktuelle Finanzkriesen und Zitate wie: “Es gibt kein Geld, nur Vertrauen in Märkte” angucken, um uns beispielhafte Auswirkungen vor Augen zu halten.
Schmutzige Bomben haben keine Auswirkungen auf Menschen ohne Schulbildung, weil sie keinen direkten Effekt sehen und nicht wissen, was Radioaktivität ist. Schmutzige Bomben haben auch nur einen sehr begrenzten Effekt auf Strahlenschutz-Fachpersonal, da diese die Gefährlichkeit direkt in Bananen umrechnen und einschätzen können. Aber schmutzigen Bomben haben große Wirkung auf normale Leute mit einer guten Schulbildung, die wissen, was Radioaktivität ist, aber die Gefährlichkeit nicht zuverlässig einschätzen können. Dem möchte ich hier entgegenwirken.
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