Weihnachten ist traditionell die Zeit, in der die Kinder in ihr Elternhaus zurückkehren um viel zu essen und die Computerprobleme ihrer Familie zu lösen. Dafür werden Sie dann mit guten Geschichten über die entfernte Verwandschaft beglückt und freuen sich, wenn ihre Mütter ein neues Medikament Naturheilkundepräparat gegen Radioaktivität und Chemtrails vom örtlichen Heilpraktiker eingekauft haben… zumindest ist das bei mir so.
Die Naturmineralie, die meine Mutter dieses Jahr eingekauft hatte, hieß Zeolith bzw. Bio-Zeolith und eine schnelle Google-Suche zeigte, dass es wohl in Esoterikkreisen sehr beliebt ist und mitunter für horrende Summen in diversen Online-shops gehandelt wird (und interessanterweise gibt es es auch im Baumarkt für 6€ pro Kilo). Was mich aber jetzt direkt angesprochen hat, war der Beipackzettel, in dem behauptet wird, dass Zeolith gegen “Gifte, Radioaktivität, Chemtrails, etc.” hilft und “nach der Atomkatastrophe von Tschernobyl zur Behandlung von Strahlengeschädigten” eingesetzt wurde und “somit vielen Menschen das Leben gerettet” hat. Da lässt sich noch bestimmt ein neuer SB-Artikel drüber schreiben…
Wer hier schon ein bischen länger mitliest, der weiß, dass ich mich grundsätzlich nicht anschließe, wenn über Homöopathie und andere esoterische Verfahren hergezogen wird. Ich halte es für falsch einem so grundlegeneden Bedürfniss wie Sicherheit (oder eben im Umkehrschluss der Angst vor Krankheit) mit Spott zu begegnen (mit Wissen(schaft) allerdings sehr wohl). Nun sind Mittel der Naturheilkunde keine Esoterik, aber da sie in den entsprechenden Kreisen sehr beliebt sind, müssen sie sich immer dagegen wehren, mit ihnen in einen Topf geworfen zu werden. Manche Naturheilmittel haben durchaus was drauf und das wissen wir nicht erst seit irgendwelche komischen Leute aus Weidenrinde Kopfschschmerzmittel und aus schimmeligem Brot Antibiotika hergestellt haben.
Aber was ist jetzt mit meinem Naturmineral gegen Radioaktivität und Chemtrails? Chemisch gesehen besteht Zeolith aus Aluminiumrost, Siliciumrost und einem Alkali(Erdalkali)metall. Also grundsätzlich aus Katzenstreu und ein bischen Metall. Aber die Wirkung soll ja auch gar nicht durch die chemischen Eigenschaften entstehen, sondern durch die große Porösität und Oberflächenstruktur des Minerals. Diese ist tatsächlich auch sehr gut, behaupten zumindest die Besitzer von Hobbyaquarien und andere Nutzer von Zeolith als Filtermaterial. Mein Institut beschäftigt sich zwar generell auch mit Nanomaterialien, aber solange ich das Zeolith meiner Mutter nicht mal einer Untersuchung mittels Kleinwinkelstreuung unterzogen habe, kann ich keine wissenschaftlich fundierte Aussage zu dem Thema treffen. Zum Thema Chemtrails kann ich leider auch nichts sagen, denn ich bin ja Segelflieger und wir hinterlassen keine Chemtrails… aber wozu ich etwas sagen kann, ist die Verwendung als Medikament gegen Radioaktivität.
Also grundsätzlich ist Zeolith in Verbindung mit Radioaktivität nicht schädlich. Das heißt, es aktiviert sich kaum und bildet auch keine anderen schädlichen Isotope in nennenswerter Menge. Im Gegenteil, Siliciumoxid ist ein essentieller Bestandteil von Beton und dieser ist (in seinen verschiedenen Varianten und Dicken) ein prima Abschirmmaterial für diverse Arten von Strahlung. Sollte darüber hinaus Zeolith wirklich in der Lage sein, freie Radikale zu binden… ja, dann wäre es tatsächlich ein Medikament gegen Radioaktivität.
Das ist erstmal verwunderlich, aber kein Grund direkt in Freudenstürme zu verfallen, denn so weltbewegend ist das leider auch wieder nicht. Viele Substanzen (wie z.B. Vitamin C) sind in der Lage, den intrazellulären oxidativen Stress (einer von mehreren schädlichen stochastischen Wirkmechanismen von Radioaktivität) zu senken. Gegen eine direkte Schädigung der DNS durch ionisierende Strahlung oder Inkorporation von radioaktiven Isotopen (z.B. Iod 131) hilft Zeolith leider nicht. Es gibt nach wie vor kein Medikament gegen Radioaktivität im Allgemeinen, sondern nur gegen einzelne sehr besondere Spielarten. Aber trotzdem: Wäre ich ein sowjetischer Wissenschaftler, der der Bevölkerung in der Nähe eines havarierten Atomreaktors helfen will, dann würde ich ihnen sicherlich auch etwas geben, um den oxidativen Stress im Körper zu senken. Vielleicht kann ich damit einem von hundert Menschen helfen und wenn eine ganze Bevölkerung betroffen ist, dann wäre evtl. vielleicht sogar das “somit vielen Menschen das Leben gerettet” aus dem Beipackzettel gerechtfertigt.
Die Empfehlung an meine Mutter an Weihnachten war also (nach entsprechend schmunzelnder Lektüre des Beipackzettels der https://www.ankanate-akademie.com/ (was eine richtig extreme Esotherikseite ist)): Nimm ruhig weiter Zeolith-Mineralien. Es schadet nicht und hilft vielleicht ein wenig gegen Radioaktivität. Erwarte nur nicht zu viel und bezahl nicht mehr als ein paar Euro pro Kilo. Wenn du deutlich mehr als 10€ pro Kilo bezahlst, dann verdient jemand viel Geld an dir.
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