Der Handy Strahlungsmesser, den ich vor einiger Zeit hier einmal rezensiert hatte, ist aktuell Teil einer Kontroverse über Radioaktivität im Bereich der Erdgasförderung. Dabei haben wohl Reporter mit diesem Detektor eine erhöhte Strahlung festgestellt und daraufhin die Behörden informiert und Artikel geschrieben.IMG_20160915_135434

Aufmerksam geworden bin ich durch ein Zitat meiner Rezension in einem Pro-Erdgas Blogeintrag und auch wenn ich mich in die eigentliche Diskussion über Radioaktivität beim Erdgashandling nicht einmischen möchte (obwohl es ja durchaus in den Rahmen meines Blogs passt) will ich mir den Einsatz des Detektors vornehmen, denn dieser ist ein Paradebeispiel, was man in einem solchen Fall machen kann und was nicht.

Soweit ich es verstanden habe (aus dem Artikel der Kreiszeitung) wurden mehrere Messungen vorgenommen. Dabei zeigte die Erste in 80 Meter Entfernung zur Anlage wohl 1,6 µSv/h, die Zweite am Zaun der Anlage 4,6 µSv/h und die Dritte an einem Lagerbehälter 8,9 µSv/h. Dieses Messverfahren ist so ziemlich das, was ich auch empfohlen hätte. Als erstes wurde eine Nullmessung in der Umgebung durchgeführt um zu bestimmen, wie der Untergrund in der Umgebung so ist und danach wurden Messpunkte von Interesse ausgewählt und diese mit der Untergrundsmessung verglichen. Das einzige, was ich an dieser Messung noch zu verbessern hätte wäre die jeweilige Positionierung des Detektors. Ich würde jeweils eine Messung horizontal/vertikal in jede Himmelsrichtung machen und diese dann mitteln, wobei die Abweichung von diesem Mittelwert auch noch mal eine Aussagekraft als Ungenauigkeit der Messung hat. Meckern auf hohem Niveau.

Die Zeitungsartikel weisen jeweils drauf hin, dass die Messungen keinen wissenschaftlichen Ansprüchen genügen und der Pro-Erdgas Blog zitierte meinen Artikel mit “Laut einer ausführlichen Kritik bei Science Blogs/Nucular ist dieses Gerät nicht ansatzweise vergleichbar mit professionellen Geräten”. Obwohl ich es recht eindeutig mit professionellen Geräten verglichen habe (50% Abweichung) stimmt die Einschätzung mit “keinen wissenschaftlichen Ansprüchen” natürlich, das gilt allerdings auch für so ziemlich alle anderen Geräte, die man bei ebay kaufen kann. Trotzdem ist die Messung gut und aussagekräftig. Vor allem der Unterschied zwischen der Untergrundmessung und der erhöhten Strahlung bei den Messpositionen hat die deutliche Aussagekraft “das dort etwas ist”.

Die Reaktion – diese Erkenntnis an die Behörden (in diesem Fall das LBEG) weiterzugeben – war ebenfalls genau richtig. Falls sich ein Leser mit der Absicht trachtet das Gleiche zu tun empfehle ich an dieser Stelle: Beschreibt die Messmethode so genau wie möglich. Am besten eine E-Mail mit Detektor, Messpostionen und am besten noch Handyfotos von den Messwerten/Anzeige. Das erleichtert der Behörde die Einstufung deutlich. Dafür ist der SGP001 Strahlungmesser vollkommen ausreichend und durchaus geeignet.

Jetzt kommt der Fehler: Die Interpretierung der Strahlungsmessungen. Im Artikel der Kreiszeitung werden die Messergebnisse einfach auf das Jahr hochgerechnet, was 14 mSv/a für Messung Eins und 78 mSv/a für Messung Drei ergibt und dann werden Grenzwerte und Beispiele für schädliche Auswirkungen genannt. Der Fehler liegt nicht nur in der Hochrechnung einer fehlerbehafteten Größe, sondern vorallem in der Verknüpfung mit Richtlinien des Strahlenschutzes, die eben für andere Messmethoden (und damit meine ich hier vor allem ausführlichere) erarbeitet wurden. Dies wird direkt schon mitgeliefert, denn wenn man sich den ersten hochgerechneten Untergrund von 14 mSv/a ansieht ist dieser natürlich viel zu hoch (in Deutschland max. 3 mSv/a) und müsste im Bereich des natürlich Untergrundes liegen um Folge/Relativmessungen plausibel zu machen.

Natürlich ist einer Redaktion wichtig Aufmerksamkeit zu erregen und dies kann man in Deutschland sehr gut tun in dem man Radiotativität mit ins Spiel bringt. Dabei ist Radioaktivität bei allem, was etwas mit Geologie zu tun hat, allerdings ganz normal. Die gemessenen Werte sind höher als der Durchschnitt in Deutschland und wenn man sowas in einem Forschungsreaktor messen würde, würde der Strahlenschutz Gegenmaßnahmen einleiten. Aber das heißt nicht, dass man größere Aufmerksamkeit (als der Behörde Bescheid zu sagen) erregen müsste. Jede Abfüllanlage für Mineralwasser, jede Kohlegrube und jede Abraumhalde hat ähnliche Hotspots und das ist OK so.

Was ist die Erkenntnis aus dieser Geschichte? Der SGP001 Strahlungsmesser fürs Handy ist mMn eine brauchtbare “erste Näherung” für Laien die in ihrer Umgebung mal nach Strahlung suchen wollen. Ich kann alle nur dazu aufmuntern am Zaun des nächsten KKWs, Kohlekraftwerks oder eben Erdgasstation mal nachzumessen. ABER passt auf die Ergebnisse überzuinterpretieren (wie hier geschehen). Die maximale Erkenntnis, die aus der Benutzung dieses Detektors und Messverfahrens gezogen werden sollte ist die, dass es hier einen Ort gibt an dem es sich lohnt noch mal mit professionellem Equipment nachzumessen und die Verhältnisse auf “wissenschaftlichem Standart” zu untersuchen. Dies sollte dann auf jeden Fall von einer zweiten unabhängigen Quelle geschehen und neben den zuständigen Behörden gibt es auch noch jede Menge zuverlässige neutrale Organisationen, wie z.B. Greenpeace, die dazu technisch in der Lage sind.

Kommentare (26)

  1. #1 roel
    *******
    12. Oktober 2016

    @Tobias Cronert Das häufigste Zerfallsprodukt von Erdgas heißt (jedenfalls hier im Artikel) Ergas.

  2. #2 manni66
    12. Oktober 2016

    Greenpeace ist eine neutrale Organisation?

  3. #3 Tobias Cronert
    12. Oktober 2016

    @roel: Vielleicht ist es auch CO2… zumindest hat man manchmal das Gefühl *g*

    @manni66: Naja Greenpeace hat schon hohe Ansprüche an sich selber, was solche Messungen angeht (schon allein um sich nicht angreifbar zu machen) und die sind ja erfreulich objektiv. Sprich wenn Greenpeace sowas sagt, wie: “Die Messungen sind zwar bedenklich, aber noch im Rahmen der gesetzlichen Grenzwerte”, dann kann ich mir sicher sein (und vor der Öffentlichkeit mit Fug und Recht bahaupten) das alles OK ist.

  4. #4 Jochen
    12. Oktober 2016

    “… 80 Meter Entfernung zur Anlage wohl 1,6 Sv/h …”

    Nicht schlecht Herr Specht.

  5. #5 Tobias Cronert
    12. Oktober 2016

    Naja, das ist ja genau das Problem der Messung gewesen. Wenn die Nullmessung schon so hoch ist, dann sind die Folgemessungen natürlich entsprechend zu relativieren.

  6. #6 tomtoo
    12. Oktober 2016

    Ich glaube Jochen bezieht sich auf ein fehlendes mü.

  7. #7 Tobias Cronert
    12. Oktober 2016

    Upps sorry -> korrigiert
    merci

  8. #8 roel
    *******
    12. Oktober 2016

    @Tobias Cronert Vielleicht kannst du das Ergas auch korrigieren.

  9. #9 tomtoo
    12. Oktober 2016

    @Tobias
    Achso vielen Dank. Ich war mir über einen Zusammenhang von Erdgas und Radioaktivietät gar nicht Bewusst. Was es alles gibt.

  10. #10 Lercherl
    12. Oktober 2016

    Haben die sich bei ihren Messwerten in der Zehnerpotenz geirrt? 1,6 µSv/h ist verdammt viel, 0,16 wäre plausibler als Hintergrund. Mein GMC-300E sagt mir gerade 0,13 in meiner Wohnung.

  11. #11 Tobias Cronert
    12. Oktober 2016

    @roel: korrigiert, danke. Mein Gehirn ist gerade wieder im automatischen Vervollständigungsmodus und immun gegen subtile Andeutungen.

    1,6 µSv/h ist schon was, aber durchaus plausibel, vorallem in “geologisch interessanten” Gebieten. Daher sind eben die Ortsmessungen “nur” in Relation zu der Nullmessung relevant und beide sollten nicht hochgerechnet werden, weil sich dann die Ungenauigkeit entsprechend potenziert.

  12. #12 roel
    *******
    12. Oktober 2016

    @Tobias Cronert na dann nehme ich mal den Hammer:

    Es sind noch 5 Wiederholungsfehler in deinem Text.

  13. #13 Tobias Cronert
    12. Oktober 2016

    Holzhammer ist immer willkommen, danke.

  14. #14 UMa
    13. Oktober 2016

    @Tobias: Die 1,6 µSv/h erscheinen mir auch viel. Aber das ist in 80 m Entfernung. Vielleicht fällt die Strahlung in dieser Entfernung noch nicht auf Umgebungsniveau ab? Mich würde interessieren was in z.B. 800 m Entfernung gemessen würde. Ob das dann eher 1,6 oder 0,2 µSv/h wären?

  15. #15 Tobias Cronert
    13. Oktober 2016

    Also die Intensität einer Gamma(Punkt)quelle nimmt quadratisch mit der Entfernung ab. Das heißt, wenn die 1,6 µSv/h von der Ergasstation kommen müsste sie ein ziemlich homogenes Feld erzeugen und eben überall auf dem Gelände hohe Aktivität aufweisen. Gerade das ist aber recht unplausibel, da ja eher spezielle Dinge, wie Rohre und Auffangbecken punktutell betroffen sein dürften.

    Sprich der Wert stammt entweder von einem hohen natürlichen Untergrund oder einer Messungenauigkeit bzw. einem falschen Wert.

    Mann hätte besser noch mehrere Untergrundmessungen vornehmen sollen.

  16. #16 UMa
    14. Oktober 2016

    Es gibt m.E. nicht genug Messungen, um von einer Punktquelle ausgehen zu können, und die Lage der Messungen zueinander ist (mir) nicht genau bekannt. Z.B. wie weit der Zaun von einer potentiellen Punktquelle entfernt ist.
    Es könnte z.B. ja auch Material freigesetzt worden sein.

  17. #17 Wizzy
    15. Oktober 2016

    Habe mir aufgrund des Artikels die bestbewertete Strahlungs-App besorgt und damit experimentiert: Erste Erkenntnis: Es kommt auch auf die Qualität der “Sensorabschirmung” (in meinem Fall 6 Lagen schwarzes Klebeband) an. Die App benutzt standardmäßig die Frontkamerea, und dort kann man leicht unabsichtlich beim Abkleben eine winzige Öffnung durch Wellung des Klebebands lassen. Dann sieht man den Einfluss von normalem Licht, und der Sensor zählt mehr unter der Zimmerlampe. Draußen direkt in der Sonne ist es dann schon schwieriger zu entscheiden, ob das nun die Strahlung ist, die ich zählen will, oder ob die starke sichtbare Intensität ein wenig “durch”kommt.

  18. #18 Wizzy
    15. Oktober 2016

    Zuhause zeigt meine Strahlungs-App nun 0,15 µGy/h (entspricht in etwa µSv/h, da keine Alpha-T./Neutronen). Dies ist etwa doppelt so hoch wie der Hintergrund bei mir offiziell sein sollte. Die Diskrepanz ist aber kaum verwunderlich: Laut dem Hersteller der App können die sensitivisten Smartphone-CCDs erst Strahlung ab 1 µGy/h sinnvoll detektieren, manche gar erst ab “serveral 100 µGy/h”. Der App-Hersteller hat Zugang zu kalibrierten Strahlungsquellen für seine Tests, um diese Aussage zu treffen.

  19. #19 Tobias Cronert
    16. Oktober 2016

    @UMa: Jup, das sehe ich genauso. Ohne weitere Messungen kann man da halt wenig aussagen.

    @Wizzy: Der Handy-Strahlungsmesser, der hier benutzt worden ist hat einen Halbleitersensor, der in die Klinkenbuchse gesteckt wird (siehe meinen Originalartikel).
    Die App, die die eingebaute Handykamera benutzt, habe ich noch nicht wirklich getestet… kommt aber sicher noch. Grundsätzlich wird ein Messgerät mit externem Sensor aber sicherlich besser sein, als eines, dass die internen CCDs benutzt.

  20. #20 Wizzy
    17. Oktober 2016

    @Tobias Cornert

    Ja, das hatte ich missverstanden und mittlerweile dem Link folgend auch gelesen. Immerhin bemerkenswert, dass eine abgeklebte Kamera überhaupt sinnvolle Ergebnisse liefert, wenn sie auch wie Du sagst natürlich weniger empfindlich ist.

    • #21 Tobias Cronert
      17. Oktober 2016

      Bei ersten Test ist wohl die “Eichung” auf das entsprechende Telefon und die Geometrie (wo im Handy der CCD liegt) recht wichtig.

  21. #22 Wizzy
    18. Oktober 2016

    @Tobias Cronert #21
    Ja, und die Temperatur der CCD darf nicht zu hoch sein (wie man ja auch in der Dokumentation gewarnt wird). Beim Laden meines Smartphones habe ich eine mittelschwere Strahlenkrankheit abbekommen :). Im Normalbetrieb scheint es aber ganz gut zu funktionieren (direkt beim AKW Philippsburg weniger Counts als mein Zuhause). Ich versuche mir bald auch mal eine Teststrahlungsquelle zu besorgen und bin natürlich auch gespannt auf Dein App-Ergebnis.

  22. #23 Norbert
    30. November 2016

    Halbleitersensoren sind hervorragende HF-(Mikrowellen)Empfänger. Nun gibt ein Smartphone ab und an eine Kennungssendung ab; vielleicht liegt hier eine Ursache der viel zu hohen Background-Strahlungsanzeige, falls der Sensor unzureichend HF-abgeschirmt wäre (1,6 µSv/h in 80 m Abstand korrelliert auch nicht mit den am Zaun ermittelten ca. 4 µSv/h, selbst bei großvolumigen Strahlungsfeldern innerhalb des Zaunes).

  23. #24 Norbert
    1. Dezember 2016

    Eine viel trivialere Ursache erhöhter Strahlungsergebnisse wird in diesem Video gezeigt: Mikrophonieeffekte/Bewegungseffekte

  24. #25 Tobias Cronert
    2. Dezember 2016

    Ja das ist wieder ein gutes Beispiel von meiner Betriebsblindheit. Für mich ist absolut normal den Detektor beim Messen nicht anzupacken oder dran herumzuwackeln, weil das vor allem bei Zählrohren noch mal größere Auswirkungen hat. Ebenso die Reduzierung von EM Störungen, durch Abschalten des Sendefunktionen etc.
    Das müsste ich eigentlich noch in den Artikel reinschreiben, falls ich eine Anleitung geben wollen würde.

  25. #26 Peter K.
    Niederrhein
    13. Mai 2017

    Ich hatte so einen Handysensor auch mal im Gebrauch bevor ich das Teil verlegt und bis heute nicht wiedergefunden habe. Grundsätzlich habe ich Bedenken, wenn Amateure ausgestattet mit aufklärerischem Enthusiasmus und billigstem Equipment anfangen in der Gegend herumzumessen. Da passt aus meiner Sicht Einiges nicht zusammen. Ich kann mich erinnern, in den Büros meines Kunden mal herumgemessen zu haben – und zwar mit einem alten SV-500 von F&G. An einer Ecke tickte es wie verrückt mit absurd hohen Werten. Jetzt ist dieser Kunde Unfallversicherer und kein AKW. Also habe ich mich erst mal schlau gemacht und mit einem neueren und professionelleren Gerät nachgemessen: das SV-500 reagierte auf eine Leuchtstoffröhre. Also wenn man sich für das Messen von Umweltradioaktivität interessiert, sollte man sich erst mal in die Materie (Messen) einlesen und selbiges mit etwas professionellerem Equipment bewerkstelligen