Der Handy Strahlungsmesser, den ich vor einiger Zeit hier einmal rezensiert hatte, ist aktuell Teil einer Kontroverse über Radioaktivität im Bereich der Erdgasförderung. Dabei haben wohl Reporter mit diesem Detektor eine erhöhte Strahlung festgestellt und daraufhin die Behörden informiert und Artikel geschrieben.
Aufmerksam geworden bin ich durch ein Zitat meiner Rezension in einem Pro-Erdgas Blogeintrag und auch wenn ich mich in die eigentliche Diskussion über Radioaktivität beim Erdgashandling nicht einmischen möchte (obwohl es ja durchaus in den Rahmen meines Blogs passt) will ich mir den Einsatz des Detektors vornehmen, denn dieser ist ein Paradebeispiel, was man in einem solchen Fall machen kann und was nicht.
Soweit ich es verstanden habe (aus dem Artikel der Kreiszeitung) wurden mehrere Messungen vorgenommen. Dabei zeigte die Erste in 80 Meter Entfernung zur Anlage wohl 1,6 µSv/h, die Zweite am Zaun der Anlage 4,6 µSv/h und die Dritte an einem Lagerbehälter 8,9 µSv/h. Dieses Messverfahren ist so ziemlich das, was ich auch empfohlen hätte. Als erstes wurde eine Nullmessung in der Umgebung durchgeführt um zu bestimmen, wie der Untergrund in der Umgebung so ist und danach wurden Messpunkte von Interesse ausgewählt und diese mit der Untergrundsmessung verglichen. Das einzige, was ich an dieser Messung noch zu verbessern hätte wäre die jeweilige Positionierung des Detektors. Ich würde jeweils eine Messung horizontal/vertikal in jede Himmelsrichtung machen und diese dann mitteln, wobei die Abweichung von diesem Mittelwert auch noch mal eine Aussagekraft als Ungenauigkeit der Messung hat. Meckern auf hohem Niveau.
Die Zeitungsartikel weisen jeweils drauf hin, dass die Messungen keinen wissenschaftlichen Ansprüchen genügen und der Pro-Erdgas Blog zitierte meinen Artikel mit “Laut einer ausführlichen Kritik bei Science Blogs/Nucular ist dieses Gerät nicht ansatzweise vergleichbar mit professionellen Geräten”. Obwohl ich es recht eindeutig mit professionellen Geräten verglichen habe (50% Abweichung) stimmt die Einschätzung mit “keinen wissenschaftlichen Ansprüchen” natürlich, das gilt allerdings auch für so ziemlich alle anderen Geräte, die man bei ebay kaufen kann. Trotzdem ist die Messung gut und aussagekräftig. Vor allem der Unterschied zwischen der Untergrundmessung und der erhöhten Strahlung bei den Messpositionen hat die deutliche Aussagekraft “das dort etwas ist”.
Die Reaktion – diese Erkenntnis an die Behörden (in diesem Fall das LBEG) weiterzugeben – war ebenfalls genau richtig. Falls sich ein Leser mit der Absicht trachtet das Gleiche zu tun empfehle ich an dieser Stelle: Beschreibt die Messmethode so genau wie möglich. Am besten eine E-Mail mit Detektor, Messpostionen und am besten noch Handyfotos von den Messwerten/Anzeige. Das erleichtert der Behörde die Einstufung deutlich. Dafür ist der SGP001 Strahlungmesser vollkommen ausreichend und durchaus geeignet.
Jetzt kommt der Fehler: Die Interpretierung der Strahlungsmessungen. Im Artikel der Kreiszeitung werden die Messergebnisse einfach auf das Jahr hochgerechnet, was 14 mSv/a für Messung Eins und 78 mSv/a für Messung Drei ergibt und dann werden Grenzwerte und Beispiele für schädliche Auswirkungen genannt. Der Fehler liegt nicht nur in der Hochrechnung einer fehlerbehafteten Größe, sondern vorallem in der Verknüpfung mit Richtlinien des Strahlenschutzes, die eben für andere Messmethoden (und damit meine ich hier vor allem ausführlichere) erarbeitet wurden. Dies wird direkt schon mitgeliefert, denn wenn man sich den ersten hochgerechneten Untergrund von 14 mSv/a ansieht ist dieser natürlich viel zu hoch (in Deutschland max. 3 mSv/a) und müsste im Bereich des natürlich Untergrundes liegen um Folge/Relativmessungen plausibel zu machen.
Natürlich ist einer Redaktion wichtig Aufmerksamkeit zu erregen und dies kann man in Deutschland sehr gut tun in dem man Radiotativität mit ins Spiel bringt. Dabei ist Radioaktivität bei allem, was etwas mit Geologie zu tun hat, allerdings ganz normal. Die gemessenen Werte sind höher als der Durchschnitt in Deutschland und wenn man sowas in einem Forschungsreaktor messen würde, würde der Strahlenschutz Gegenmaßnahmen einleiten. Aber das heißt nicht, dass man größere Aufmerksamkeit (als der Behörde Bescheid zu sagen) erregen müsste. Jede Abfüllanlage für Mineralwasser, jede Kohlegrube und jede Abraumhalde hat ähnliche Hotspots und das ist OK so.
Was ist die Erkenntnis aus dieser Geschichte? Der SGP001 Strahlungsmesser fürs Handy ist mMn eine brauchtbare “erste Näherung” für Laien die in ihrer Umgebung mal nach Strahlung suchen wollen. Ich kann alle nur dazu aufmuntern am Zaun des nächsten KKWs, Kohlekraftwerks oder eben Erdgasstation mal nachzumessen. ABER passt auf die Ergebnisse überzuinterpretieren (wie hier geschehen). Die maximale Erkenntnis, die aus der Benutzung dieses Detektors und Messverfahrens gezogen werden sollte ist die, dass es hier einen Ort gibt an dem es sich lohnt noch mal mit professionellem Equipment nachzumessen und die Verhältnisse auf “wissenschaftlichem Standart” zu untersuchen. Dies sollte dann auf jeden Fall von einer zweiten unabhängigen Quelle geschehen und neben den zuständigen Behörden gibt es auch noch jede Menge zuverlässige neutrale Organisationen, wie z.B. Greenpeace, die dazu technisch in der Lage sind.
Kommentare (26)