Was braucht man um sich vor den Atom-Energy-Orks zu schützen (oder sie zu beherrschen)? Genau einen kleinen Ring(dosimeter).
Ionisierende Strahlung ist nicht immer ein Feld, welches sich in alle Richtungen mehr oder weniger gleichmäßig ausbreitet, sondern vor allem in technischen oder medizinischen Anwendungen ein Strahl, der oft sehr zielgerichtet eingesetzt wird, um ihn eben genau da zu nutzen, wo man es haben will und alles drum herum vor seinen gesundheitsschädlichen Auswirkungen zu schützen. Wenn man jetzt allerdings einen stark kollimierten Strahl hat und da dummerweise durchläuft (oder absichtlich drin arbeiten muss) ist es schwer, eine Gesamt(Körper)dosis zu ermitteln (bzw. letztere ist nicht wirklich aussagekräftig, was die tatsächliche Gefährdung angeht), da eben nur die Organe oder Körperteile, die dem direkten Strahl ausgesetzt worden sind, in Mitleidenschaft gezogen werden und der Rest des Körpers ungeschoren davon kommt.
Es gibt zwar auch lokale Dosimeter, die die Strahlung eine Kindes im Mutterleib oder eines besonders sensiblen Organs gezielt messen, aber der bei weitestem am häufigsten genutzte Teilkörperdosimeter ist ein Ringdosimeter, welcher die Organdosis einer Hand ermitteln soll (Ja, Strahlenschützer bezeichnen eine Hand bzw. ein anderes Körperteil als Organ). Die Notwendigkeit solch eine Dosis zu ermitteln entsteht natürlich meistens dadurch, dass Physiker oder Ärzte bei Operationen mit Röntgenunterstützung mit ihren Patschehändchen dahin greifen wollen, wo es eigentlich recht ungesund ist.
Wir wollten zum Beispiel letztens mit einem großen Teilchenbeschleuniger einen Protonenstrahl auf einen Berylliumklotz schießen, um dort Neutronen herauszuschlagen. Da der Protonenstrahl aber eine zu hohe Energie hatte, haben wir einfach ein paar Kupferplatten in den Strahl gestellt, so dass die Protonen nach dem Durchqueren der Cu-Schichten die richtige Energie hatten. Das Blöde dabei war, dass sich die Cu-Platten aktivieren und ganz ordentlich Gamma-Strahlung abgeben, auch nachdem der Strahl abgeschaltet worden ist. Unser hochprofessionelles Equipment zur Platzierung der Kupferplatten bestand dann aus einer Kombizange und ein paar Schraubzwingen, so dass wir tatsächlich mit den Händen ziemlich nahe an die strahlenden Platten herangekommen sind. Natürlich hätten wir das auch anders handhaben und eine ferngesteuerte Einrichtung benutzen können, aber die Überschlagsrechnungen und ersten Messungen aus der Entfernung hatten gezeigt, dass die Strahlenbelastung gar nicht so groß und durchaus zu verkraften ist, weshalb wir uns entschieden hatten, manuell zu arbeiten und dabei zu unserer Sicherheit Teilkörperdosimeter anzulegen, um im Nachhinein nachhalten zu können, welcher Belastung wir uns nun genau ausgesetzt hatten.
Diese Entscheidung widerspricht auch nur bei erster Betrachtung dem Grundsatz “soviel Strahlung wie möglich vermeiden”. Zwar setze ich mich (bzw. meine Hände) kurzfristig rel. hoher Strahlung (hier im mSv/h Bereich) aus, aber wenn ich die Kupferplatten mal schnell mit der Zange herausnehme und in die Bleikammer stecke, dann dauert die Exposition eben nur ca. 10 Sekunden (wenn man zügig arbeitet), so dass sich die Gesamtdosis nur im µSv Bereich bewegt. Wenn ich nun einen Roboterarm aufbauen müsste, der mir die Cu-Platten abbaut, würde das ca. 1 Stunde dauern, während der ich ebenfalls einer (leicht) erhöhten Strahlung von 10µSv/h ausgesetzt bin, was mir dann insgesamt eine höhere Dosis einbringt, als die kurze Exposition per Hand.
Solche Überlegungen gehören schon zu den komplexeren Aufgaben im Strahlenschutz und werden vor allem bei der Planung von Operationen im Krankenhaus durchgeführt. Denn während einer Operation können Röntgentechniken (wie z.B. der C-Bogen) unterstützend eingesetzt werden, um dem operierenden Arzt eine direkte Bildgebung dessen zur Verfügung zu stellen, was er gerade so macht. Allerdings werden dabei sowohl der Patient, als auch die Hände des Arztes der Röntgenstrahlung ausgesetzt, was zu den oben beschriebenen Problemen und Überlegungen führt.
Die Kristalle im Ringdosimeter arbeiten nach dem Thermolumineszenz-Verfahren, bei dem sie sich eben an die erhaltene Strahlung “erinnern” und diese Informationen preisgeben, wenn man sie an das Zentrallabor einschickt und dieses die Informationen auslist. Das Prinzip funktioniert ganz ähnlich wie die Filmdosimeter (die wie ein belichteter Fotofilm arbeiten), über die ich sicherlich auch noch mal etwas ausführlich schreiben werde. An dieser Stelle will ich nur zusammenhaltend sagen, dass man damit sehr präzise messen kann (auch über einen größeren Zeit und/oder Dosisbereich), aber man diese Informationen leider immer erst im Nachhinein (in der Regel 1-2 Monate) bekommt und einfach alles an Strahlung zusammen gezählt wird. Das heißt, ich weiß im konkreten Fall nicht, was ich jetzt gerade abbekomme und ich kann nachher nicht herausfinden, ob es eine kurze Zeit mit heftiger Strahlung oder eine längerer Zeit mit schwacher Exposition gegeben hat (zumindest nicht beim Ringdosimeter). Diese Informationen muss ich aus anderen Quellen beziehen (falls ich sie brauche).
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Ring- und im Allgemeinen Teilkörperdosimeter einen zu Recht fest verdienten Platz im Strahlenschutz haben, der in Zukunft immer mehr an Bedeutung gewinnen wird, je mehr kompakte Geräte, Mikroskope und bildgebende Verfahren mit ionisierender Strahlung für technische oder medizinische Anwendungen entwickelt werden.
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