Eine häufig gestellte Frage ist, warum verschiedene Strahlungsmesser (besonders im Bereich niedriger Strahlung) sehr unterschiedliche Messwerte anzeigen. Diese Frage ist natürlich dadurch motiviert, dass normale Leute Strahlung in ihrem alltäglichen Umfeld messen wollen und daher ist es entsprechend wichtig.
Rebecca: “(Mein Strahlungsmesser) zeigt mir in kurzen wie in längeren Zeiträumen sehr stark schwankende Ergebnisse. Innerhalb der Wohnung zeigt er mir Werte zwischen 0,082 und 0,3 an (Btw: Wieviel ist normal? Die ODl-Messstelle in ca. 5 km Entfernung gibt 0,075 an). Draußen schwanken die Werte nur zwischen 0,074 und 0,2, wobei überwiegend drinnen wie draußen ähnlich hohe Werte angezeigt werden. Ich nutze die Anzeige in Mikrosievert, da ich bei den anderen noch weniger verstehe. Die Funktion cps habe ich auch ausprobiert. Dazu eine Verständnisfrage: Sie zeigt doch die Zerfälle an. Das kann ja auch z.B. das Kalium in der Banane sein – ist daher nicht so wichtig in Bezug auf die schädliche Auswirkung auf den Körper, oder? Da siehst du, welche Probleme Unwissende wie ich mit Geigerzählern haben.”
Tobias: “Deine Antwort hat mir sehr geholfen ein paar Fragestellungen ausfindig zu machen, an die ich nicht gedacht habe. Da bin ich wohl ziemlich betriebsblind geworden. Also kurz, dein Geigerzähler scheint vernünftig zu funktionieren (soweit ich das per Ferndiagnose sagen kann). Warum er so unterschiedliche Werte anzeigt und was normal ist, muss ich mal in einem ausführlichen Artikel beschreiben, wenn ich wieder von der Dienstreise zurück bin. Kurz und knapp, solange er unter 1µSv/h anzeigt brauchst du dir akut keine Sorgen zu machen.”
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Nun ist es etwas später und ich möchte mir die Mühe machen, die Frage ausführlicher zu beantworten:
Grundsätzlich ist das Problem, dass die Dosis (z.B. µSv/h) keine direkte Messgröße ist, sondern nur eine Näherung, die errechnet bzw. abgeschätzt wird. Cps, also Count pro Sekunde hingegen ist eine tatsächliche Messgröße, sie misst allerdings nicht die Aktivität (also Zerfälle pro Sekunde, die von einem radioaktiven Stoff ausgehen), sondern die Zerfälle, die der Strahlungsmesser registriert. Letzteres ist eine wichtige Einschränkung, denn nicht alle ionisierende Strahlung, die auf den Detektor trifft, löst auch dort ein Zählereignis (Count) aus.
In die angezeigte Dosis (also den Wert in µSv/h) sollten eigentlich alle diese Faktoren einfließen. Sprich wie effektiv ist mein Detektor, welche Art von Strahlung trifft auf ihn auf, wie ist diese Strahlung im Raum verteilt etc. pp.. Aber da das eine ganze Menge Faktoren sind und jeder dieser einzelnen Faktoren eine gewisse Messungenauigkeit besitzt, vervielfacht sich diese Messungenauigkeit und hat umso mehr Auswirkungen, je niedriger die (aus den cps errechnete) Dosis ist. Vereinfacht kann man sagen, dass die Ungenauigkeit mit der Wurzel der Counts angegeben werden kann. Also wenn ich meine Dosis aus 100 Counts berechne ist mein Fehler +-10 Counts oder 10%. Wenn ich dagegen meine Dosis nur aus 9 Counts berechne, dann ist mein Fehler +-3 oder 33%.
Dazu kommen noch weitere Ungenauigkeiten, aber generell lässt sich sagen, dass niedrigere Dosen zu größerer Streuung neigen, als hohe und somit im “Hausgebrauch” höhere Strahlungsdosen besser gemessen werden können. Dem kann entgegengewirkt werden, indem man einfach eine längere Zeit misst (wenn der Detektor diese Option zulässt). Denn dann stützt sich das Messergebnis auf eine höhere Anzahl an Ereignissen und damit eine bessere Statistik, was die Ungenauigkeit reduziert. Falls der Strahlungsmesser diese Option nicht zulässt, kann man auch einfach die entsprechenden Messungen aufschreiben und in eine Excel Liste eintragen. Die Messergebnisse müssten dann normalverteilt sein und der Erwartungswert der Verteilung ist der gesuchte Messwert und die Halbswertsbreite sagt etwas über die Größe der zu erwartenden Messungenauigkeit aus.
Dies hat im Hausgebrauch vor allem zwei Auswirkungen. Die erste ist ganz gut, denn jegliche Strahlung, die ernsthaft schädlich sein könnte, lässt sich leicht aufspüren und entdecken. Die zweite ist leider nicht so gut, denn niedrige Dosen (wie sie ja eigentlich im Alltag vorkommen) haben eine große Ungenauigkeit, die dann wiederum die Leute, die sich damit beschäftigen an der Aussagekraft ihrer Messungen zweifeln lassen (wie in dieser Leserfrage geschehen). Um dem vorzubeugen schlage ich immer vor, sich neben dem Strahlungsmesser auch noch einen Prüfstrahler zu besorgen. Also einen Gegenstand, von dem man definitiv weiß, dass er ionisierende Strahlung in messbarem Maße aussendet. Den kann man dann zu Hause in einem Blei oder Stahlkästchen aufbewahren und jedes Mal, wenn man irgendetwas misst, den ermittelten Wert mit dem Prüfstrahler vergleichen um die Gefahr einzuschätzen. Ich weiß, dass viele Leute sich nun denken, niemals freiwillig einen strahlenden Gegenstand in die Wohnung stellen zu wollen, aber wie hier schon oft gesagt, gibt es genug strahlende Materialien, die (wenn sie ähnlich sicher gelagert werden wie Rohrreiniger oder vergleichbare Gefahrenstoffe) ein beherrschbares Risiko darstellen.
Neben der Ungenauigkeit des Strahlungsmessers bzw. der jeweiligen Messung gibt es auch noch einen weiteren Grund, warum im niedrigen Bereich so stark unterschiedliche Werte angezeigt werden. Alles strahlt! Eine Betonwand strahlt, eine Banane strahlt und wir Menschen strahlen auch fröhlich in der Gegend herum. Allein durch das radioaktive Kalium 40, dass in unserem Körper eingebaut ist, strahlen wir Menschen mit ca. 5000 Zerfällen pro Sekunde. Von diesen 5000 werden nur die wenigsten von einem handelsüblichen Geigerzähler detektiert, aber grundsätzlich heißt das natürlich, dass ein Strahlungsmesser eine höhere Strahlung detektiert, wenn ein Mensch (oder eine Betonwand) daneben steht, während die Messung gemacht wird. Wenn du also in der Wohnung herumläufst, dann wirst du jede Menge verschiedene Messergebnisse bekommen, je nachdem, was gerade in der Nähe ist…. Und dann kommen ja noch überall diese Messungenauigkeiten von oben auf das Ergebnis drauf 😉
Auch hier kann man wieder mit Hilfe der Glockenkurve mitteln um eine aussagekräftiges Messergebnis zu bekommen. An vielen verschiedenen Orten messen und darüber mitteln. Alles unter 3mSv/Jahr / 365Tage / 24h = 0,35µSv/h als Erwartungswert ist in Deutschland normal.
Das alles ist der Nachteil meiner so oft wiederholten Weisheit “Radioaktivität lässt sich sehr präzise messen”. Wenn eben alles strahlt und man alles messen kann, dann fällt es schwer den Punkt festzulegen, an dem man sagt “ab hier gibt es eine ernsthafte Gefahr” und “hier ist noch alles normal”. Ein Kunststück, an dem nicht nur die deutsche Gesetzgebung scheitert.
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