Spricht man als Elementarist vor akademischem Publikum, so sieht man sich sehr schnell mit einer Vielzahl von Vorurteilen konfrontiert.
Man arbeite ohne erkennbare Systematik, mit einem zu sehr vereinfachenden und zugleich zu anthropo- oder isomorphen Modell, mache es sich zu leicht und vermeide den Blick auf
übergreifende Konzepte, um nur einige zu nennen.
Anstatt nun aber an dieser Stelle gegen diese anzukämpfen und sich in einer regelrecht apologetischen Abhandlung zu ergehen, erscheint es mir sinnvoller, mit einer Erklärung
des Modells anzufangen und um Verständnis zu werben, anstatt Anerkennung zu erflehen.
Das hexalogische Modell gliedert sich in drei Gegenelementpaare: Luft steht gegenüber Erz, Feuer gegenüber
Wasser und Humus gegenüber Eis. Diese Diametrien sind nicht unumstritten, erklären sich jedoch in der Geschichte des Modells recht schlüssig.
Bevor wir uns aber dieser zuwenden wollen, sollte direkt vorweg noch die Warnung erfolgen, dass ich, wenn ich von Elementen spreche, eher in einem übergeordneten Kontext
arbeite. Wenn ich also „Eis“ sage, dann ist mehr gemeint als nur eine klare, kühle Fläche, wenn ich „Feuer“ sage mehr, als nur gelbrötlich lodernde Flammenzungen. Ich werde
darauf zurückkommen. Insbesondere wichtig ist dies sicherlich für das Verständnis, warum Wasser und Eis nicht das gleiche Element in unterschiedlichen Aggregatzuständen
beziffern.
Um die Gefahr solcher Verwechslungen weiter zu minimieren, werde ich in Folge auf die altsprachlichen Bezeichnungen zurückgreifen und von Aura, Cryo, Aqua, Aeris, Vita und
Flamma anstatt von Luft, Eis, Wasser, Erz, Humus und Feuer sprechen.
Wenn man die explizite Anzahl von sechs Elementen hinterfragt, so gibt es zunächst einmal eine Reihe von numerologischen Gründen für die Attraktivität der Zahl. Insbesondere
dass sie sowohl als Produkt wie auch als Summe hier Bestandteile (1 * 2 * 3 sowie 1 + 2 + 3) gebildet werden kann, wird gerne als erster Indikator für die der Zahl inhärente
Balance genommen. Dennoch muss man freimütig einräumen, dass die meisten elementaristischen Modelle in der Welt nicht hexa-, sondern tetralogisch aufgebaut sind.
Und tatsächlich ist auch der Grundstein der Hexalogie letztlich in einem Vier-Elemente-System verwurzelt. Zurück geht dies auf die Studien eines Mannes namens
Seleta Toris, der vor rund 6000 Jahren gemäß eines überlieferten Textfragmentes begonnen hat, Beobachtungen zu fixieren. Beobachtungen, wie das Herabfallen von Äpfeln oder das
hinaufzüngeln von Kerzenflammen.
Basierend auf diesen Beobachtungen formulierte er die sog. These vom Locus Naturalis, also vom natürlichen Ort.
Darin unterteilt Toris das gesamte System der Welt in vier Elemente. Ganz unten, der Grund, auf dem wir alle stehen, auf dem alles steht, was auf der Welt zu finden ist, ist
für ihn das Element Erz, Aeris. Darauf, noch immer bodengebunden, aber nachweißlich großteilig über der Erde, ist das Wasser, Aqua. Auch Feuer, Flamma, ist oberiridisch,
tendiert jedoch nach oben, wie jede Kerzenflamme, jedes Feuer offenbart. Und noch darüber kommt die Luft, Aura, die sich bis in die Unendlichkeit der Höhe erstreckt.
Toris darauf basierendes Modell fällt strikt hierarchisch aus, bildet eine strikte Kette von Aeris – Aqua – Flamma – Aura. Es ist arbeitsfähig, es ist ein gutes Erklärungsmodell
für viele Probleme, die sich in der Welt zeigen, doch ist es letztlich in seiner Erklärungsreichweite beschränkt.
Der erste Theoretiker, der versuchte, dem Modell etwas mehr Schliff zu geben, war der Quellauer Elementarist Torfbrand, auf den das sog. Zwei-Achsen-Modell
zurückgeht. In seinem überaus vergnüglichen Trakat „Der superveniente Dualismus der duodiametralen Tetralogie“ spannt er ein System aus zwei Gegensatzpaaren auf. Er stellt
Aera Aura und Aqua Flamma gegenüber, angeordnet in Form eines Kreuzes. Diese Darstellung kommt in ihrem Kern einer großen Vielzahl der landläufig vertretenen Elementarkonzepte
nahe und bietet, im Vergleich zu Toris’ Ansatz, bereits einige Vorteile.
Die Gegensatzbildung und die feste Kreuzform, Torfbrand nennt dies die ‚Ordo Causalis’, geben dem grundsätzlichen Gedankenbild bereits eine erheblich höhere Stabilität. Der
Supervenienzgedanke sowie die verwandte Metapher ermöglichen es deutlich leichter als in der hierarchischen Tetralogie, etwa Mischformen von Aqua und Aura anzunehmen oder
darzustellen. Auch wurden erste erfolgreiche Schutzzeichen in Form von Tetragrammen daraus abgeleitet, wenn auch ihr Nutzen im Vergleich zu den späteren Hexagrammen oder gar
Dodekagrammen erheblich abfällt. Es muss in der Tat angenommen werden, dass die geometrisch-quadratische Grundform des Schutzsymbols es in signifikantem Maße angreifbarer für
in seinem Inneren wütende Kräfte macht.
Doch zwei Elemente fehlen. Es stellt sich die Frage, weshalb ihre Ergänzung notwendig ist; um dieser Frage aber nachzugehen muss man zunächst erkennen und akzeptieren, dass
Cryo und Vita weitaus komplexer zu erfassen sind, als man zunächst meint. In einem Maße, dass ich sie bisweilen als „Meta-Elemente“ bezeichnet habe, was jedoch nur halb der
Wahrheit entspricht, wie wir sehen werden.
Es entbehrt fast der Notwendigkeit, es explizit auszuführen, aber natürlich liegt es nahe, insbesondere die volksmündlichen Bezeichnungen von Humus und Eis als Subvarianten
von Erz und Wasser zu sehen. In der Tat gibt es viele Tetralogien, die das nach Töpfer unterste Element als „Erde“ bezeichnen und damit beides, Humus wie Fels, abgedeckt
haben. Und das Wasser zu Eis gefriert ist ebenfalls bekannt.
Jedoch wird hier, viel mehr als bei den anderen Elementen, eine Betrachtung der Assoziationen der Elemente auf einer breiteren Ebene relevant. Vita, altsprachlich „das Leben“,
ist nicht nur das Erdreich. Es ist das Entstehen. Nicht nur „das Entstehen von“, sondern wirklich das Entstehen, das Konzept des Werdens, des Erschaffens und Erblühens, des
Wachstums. Dem steht Cryo gegenüber, das als Gegenelement auch entsprechend die gegensätzlichen Aspekte verkörpert. Die kristalline Struktur des Eises gewinnt im Element Cryo
eine quasi-metaphorische Bedeutung und die starren Linien, die geraden, glatten Formen und vor allem das Erstarren und Verharren, das mit Cryo, aber auch wörtlich Eis, und
assoziativ mit dem Winter einhergeht, dominiert den ersten Eindruck. Jedoch geht die Übertragung noch weiter, denn gerade Linien sind klar, kristalline Strukturen sind komplexe,
aber doch verständliche Formen und somit ist die Affinität zur (formalen) Logik des Hauses Cryo gleichermaßen zu erklären wie ein starker Hang zur Intuition im Gegenelement
Humus.
Vielleicht sollte ich jedoch, bevor wir uns damit weiter auseinandersetzen, kurz auf diesen Aspekt der Assoziationen eingehen.
In gewisser Weise stellen alle hexalogischen Elemente zugleich Allegorien dar, die auf Denkmuster, Persönlichkeitstypen und dergleichen ausgerichtet sind. Es scheint unter den
Theoretikern mehr oder weniger unumstritten zu sein, dass diese Persönlichkeitstypen und die dominante Form der primären elementaristischen Ausrichtung eines Individuums eng
miteinander verbunden sind, auch wenn strikt empirische Betrachtungen zumindest einige Fälle aufzeigen, die den Betrachter nötigen, den strengen Griff der Assoziationen etwas
zu lockern, damit das Gehaltene nicht zerbricht.
Woher aber kommt dieser unbändige Wunsch der Verbindung?
Natürlich ist es zunächst eine Maßnahme der Greifbarmachung. Sowohl die metaphorischen Elementarbezeichnungen wie „Eis“ oder „Wasser“, aber auch die damit verbundenen
Assoziationen sind letztlich nur Ausformung des Wunsches jener, die diese Kräfte manipulieren, den Bereich der Abstraktheit zu verlassen. Selbst bei den rationalsten
Elementaristen spielt das Bauchgefühl stets eine weitaus größere Rolle als es bei den Vertretern der hermetischen Zunft der Fall ist und dass es, frei nach dem Theoretiker
Brückmann, dennoch funktioniert, spricht generell für diesen Ansatz. Es macht jedoch zugleich die Allegorisierung der sechs Kraftflüsse zu einer Notwendigkeit.
Allerdings greift dieses Modell sogar noch auf Thesen zurück, die strittiger, älter und stellenweise nicht einmal im engsten Sinne elementaristisch waren. Vor Jahrhunderten
schon beschäftigte man sich mit der Frage, woraus der Mensch (oder, neutraler vielleicht, die anthropomorphen Wesen) eigentlich bestehen. Es sind Jahrhunderte alte Textfragmente
überliefert, die einen sehr frühen Ansatz erklären. Unsicher ist, ob es sich dabei um zwei unabhängige Forschungen von Männern namens Akragas und Galekius gehandelt hat, oder ob
es sich dabei um einen Mann handelte, der beide Namen trug, die Quellenlage dahingehend ist dünn. Diese These jedenfalls reduziert die Bestandteile des Menschen letztlich auf
sechs Grundkonstituenten, Säfte genannt. Namentlich sind es Blut, Schweiß, Samen, Galle, Tränen und Schleim. In späteren Thesen nun wird von dem Autor oder den Autoren jedem
dieser Säfte eine Elementarkraft, ‚Potestas elementorum’ genannt, zugeordnet. An einigen Stellen spricht er abweichend von der ‚Potestas elementariorum’, aber das zu erörtern
würde hier zweifelsohne den Rahmen sprengen. Diese Zuordnung erscheint direkt vertraut: Luft, Hitze, Erde, Fels, Wasser und Eis sind erstaunlich nahe an der heutigen Hexalogie.
Ihm hernach folgte jedenfalls deutlich später ein kluger Mann namens Schlomo. Schlomo wiederum erkannte eine
interessante Verbindung emotionaler Zustände mit einer Überdosiertheit einzelner jener Säfte bei den Menschen, die Rat bei ihm suchten. Er bemerkte eine gewisse Heiterkeit und
Redebereitschaft bei jenen mit zu viel Luft, Kühnheit bei den Hitze-Affinen, einen starken Mutterinstinkt bei den Erd-Nahen, starke, innere Ruhe bei denen die dem Erz, und
ausgeprägte Emotionalität bei jenen, die dem Wasser nahe standen sowie schlussendlich eine starke Tendenz zum in sich gekehrten Denken bei denen, die einen Schub von Eis in
sich führten.
Er hat damit nicht nur die Grundlage der personifizierten Elementaraffinität gelegt, wie sie heute in der Hexalogie eine unumstrittene Denkgrundlage ist, sondern auch erstmals
einen wichtigen Grundstein für das Konzept des allwaltenden Gleichgewichts der Elemente gelegt.
Dabei fällt es eigentlich doch recht leicht, die Hexalogie als Denkkonzept in Frage zu stellen. Die Tatsache, dass aufgrund der Assoziationen und Allegorien eine unter Umständen
gigantische Kluft zwischen Denotat und Konnotat der Elementarbegriffe klafft, ist sicherlich zu kritisieren, wenn auch mit den üblichen Einschränkungen als fachsprachliche
Eigenheit zu ignorieren. Die eben schon gestreifte Erkenntnis aber, dass wir es hier mit sprachlichen Klammern für Metakonzepte zu tun haben, macht das ganze Modell recht
schnell angreifbar.
Wenn wir schon Begriffe erdenken, um Konzepte erfahrbar zu machen und wir uns somit dem Vorwurf nicht verschließen können, es hier mit einer anthropomorphen oder isomorphen
Adaption viel größerer Themenfelder zu tun zu haben, so müssen wir die Frage zulassen, ob der gewählte Maßstab dieser Begriffsklammern richtig ist.
Es wäre ja nun leicht, alternativ beispielsweise ein dodekalogisches System anzunehmen, zumal ja, wie bereits gesagt, auch ein Dodekagramm im Rahmen einer hexalogischen
Invokation verwendet werden kann. Oder, falls jemand es einfach mag, so wäre vielleicht auch eine trilogische Theorie vorstellbar, wenn ich mich persönlich mit solchen
Modellen auch schwer tue.
Diese in der Fachliteratur oft als „polylogische Problemstellung“ beschriebene Frage führt uns zu einem Dilemma, das zu lösen nicht trivial ist. Denn da wir uns letztlich
alleine in einem Definitionsraum bewegen, ist die Absolutheit einer Aussage nur soweit gegeben, wie niemand widerspricht.
Magister Brückmann, der zur Zeit meiner Ausbildung an der Cantus Harmoniae gelehrt hat, hat dies als „Trilemma“ bezeichnet. Es gibt zwar drei Auswege aus einem solchen
Diskussionspatt, doch ist keiner davon befriedigend, da es sich nur um ein Spannungsfeld zwischen infinitem Regress, dogmatischer Behauptung und Diskussionsabbruch bewegt.
Wenn also, rein argumentativ, kein Fürspruch zu erlangen ist, muss das hexalogische Modell dann als gescheitert angesehen werden?
Nicht zwingend. Brückmann schlug seinerseits stets „das Tun“ als Grundlage vor. Recht viel zitiert, vor allem von den Scholaren meiner Zeit, war stets der Satz „Es funktioniert,
das soll mir genügen“ – der jedoch auch oft genug falsch oder vereinfacht wiedergegeben, oder aufgrund Anwendung in den falschen Kontexten recht gefährlich wurde.
In jedem Fall aber liefert Brückmann ein wichtiges „Argument“, denn de facto hat er Recht, die Anwendung des hexalogischen Modells funktioniert. Sicherlich ist es möglich,
das Modell in seiner Quantität anzupassen, doch führt dies maximal zu einem Detailüberschuss oder einem Detailverlust, es bringt jedoch keinen Gewinn.
Es fällt leicht, ob dieser These den Vorwurf von Apologetik zu formulieren. Dennoch: Die Hexalogie mit ihrer Einteilung in drei diametrale Gegensatzpaare liefert eine
arbeitsfähige Grundlage für Diskussion und Praxis; das soll uns genügen.
Zumindest fürs Erste.
Dennoch ist Theorie durchaus möglich – und übertragbar auf andere Modelle. Wie zuvor dargestellt gibt sich das tetralogische Modell nach Torfbrand die Form eines Kreuzes. Oder,
wenn man so möchte, die Form eines Graphen. Ein solcher Graph ermöglicht die korrekte Darstellung einer elementaren Ladung und verhindert zugleich, qua Definition, dass eine
Ladung zugleich von zwei Gegenelementen polarisiert sein kann.
Was aber nun machen wir mit Vita und Cryo? Ein einfacher, und dennoch erfolgreicher Ansatz ist es, diese beiden besonderen Elemente schlicht als dritte Achse, in die dritte
Dimension hinaus also, in das Modell einzufügen. Wir erhalten somit also eine Art und Weise, die Koordinate einer elementaren Kraft bestimmen und somit auch eine quantifizierte
Einschätzung zu erlangen, mit der theoretischere Zweige der Künste operieren können.
Es würde jedoch den Rahmen dieses Berichtes sprengen, diese Möglichkeit weiter auszuloten, weshalb nur noch erwähnt sei, dass somit natürlich auch Berechnungen möglich sind.
Der positive Achsenwert eines Elementes bedingt stets den gleichwertigen negativen Achsenwert des Gegenelementes, was es sogar möglich macht, abseits des theoretischen Falles
perfekter Balance auf einer der drei Ebenen mit drei Ziffern gleich alle sechs Elementarladungen abzugleichen.
Jedoch findet sich darin auch die zentrale und in jeder Hinsicht elementare Wahrheit, dass letztlich alles Wirken eines Elementaristen alleine in der Umverortung, der Relokation,
dieser Kräfte fußt.
Eine triviale Erkenntnis, die jedoch weit reichende Konsequenzen hat.
Eine Denkanregung zum Abschluss:
Ein mir einst nahestehender Hermetiker definierte jene Kraft, aus der heraus er sein Wirken steuerte, als einen „Fluss, der das Gespinst speist“. Die genaue Definition variiert,
aber das Bild des Kraftflusses ist etwas, was sich in vielen hermetischen Lehren in der einen oder anderen Form auch findet.
Interessant scheint mir der Gedanke dahingehend, dass zumindest bisher nicht stichhaltig zu widerlegen ist, dass eventuell jenes Spektrum, das der Elementarist über die sechs
Allegorien ansteuert, möglicherweise identisch ist mit jenem, aus dem der gespinstspeisende Fluss dieses Modelles der Hermetik entspringt.
Was letztlich bedeuten würde, dass wir uns gar nicht auf unterschiedlichen Inseln in der See der kosmischen Kräfte befinden, sondern vielleicht nur an den beiden
gegenüberliegenden Ufern.
Ein reizvoller Gedanke, nicht wahr?
…und damit einen frohen 1. April
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