… ist zwar nicht so ganz einfach gefragt, wie ich es hier darstelle, aber allein die Tatsache, dass sowas möglich ist, spricht schon sehr deutlich für das Forschungszentrum und die damit verbundene hervorragende Forschungsinfrastruktur. Ganz konkret wollen wir im JCNS ja eine moderne, hoch brillante Neutronenquelle bauen, die die aktuelle Generation der Forschungsreaktoren ersetzen kann (wie ich ja schon mal öfter hier beschrieben habe). Aber um die einzelnen Komponenten zu testen und zu entwickeln, brauchen wir einen Teilchenbeschleuniger und leider haben wir (noch) keinen eigenen. Doch zum Glück gibt es ja (unter anderem) auf dem Gelände die Kollegen vom IKP, dem Institut für Kernphysik, und die haben den COSY und das Zyklotron “Julic”, das den COSY mit Protonen und Deuteronen versorgt, den ich mir mal kurz ausleihen könnte.

Dabei heißt “Ausleihen” bei einem sauteuren Großgerät, das aus Steuergeldern bezahlt wird und von einem Experten-Team betrieben werden muss, natürlich eines … Proposal schreiben.

Das geht nun folgendermaßen: Zu bestimmten Zeitpunkten kann man sich für Strahlzeit bewerben und einen Vorschlag machen, welche wissenschaftliche Fragestellung man untersuchen will. Dies stellt man dann auf mehreren A4 Seiten möglichst genau dar und beschreibt auch den Experimentaufbau, welche Unterstützung (und welches Material) man von dem IKP benötigt und welche Erfahrungen und Vorarbeiten man bislang schon gemacht hat (denn die Betreiben haben natürlich dafür Sorge zu tragen, dass auch nur machbare und erfolgversprechende Experimente angenommen werden und in den Genuss kostbarer Strahlzeit kommen).

Dann setzt sich eine Expertenkommission aus unabhängigen Wissenschaftlern zusammen und bewertet die vorgeschlagenen und eingereichten Experimente nach Machbarkeit, wissenschaftlichem Nutzen, Risiko etc. pp.. Falls es nun mehr Proposals als Strahlzeit (in der entsprechenden Zeitperiode) gibt (was eigentlich immer der Fall ist), dann wird ein Ranking vorgenommen und manche Proposals werden akzeptiert und andere abgelehnt. Soweit so normal und so (oder so ähnlich) läuft das ganze auch bei anderen Großprojekten ab, wie bei den Supercomputern oder unseren Neutronenstreuinstrumenten am MLZ, ILL und der SNS.

Die Neuerung für mich ist nun, dass bei der entsprechend genehmigten Strahlzeit der gesamte Beschleuniger nur für ein einziges Experiment arbeitet. Während bei uns der Forschungsreaktor einfach während eines Zyklus 24/7 läuft und 30 (je nach Quelle) Instrumente mit den entsprechenden Teilchen versorgt, läuft hier das ganze Ding nur für mich (oder meinen Kollegen *g*) und dementsprechend hoch ist auch die Verantwortung mit der Strahlzeit sinnvoll umzugehen.

Der Betrieb solcher Großgeräte (Teilchenbeschleuniger, Neutronenquellen oder auch Teleskope) ist eine fundamentale Aufgabe der deutschen Forschungszentren und -organisationen, wie zum Beispiel den Max-Planck oder Fraunhofer Instituten oder eben auch den Helmholtz Zentren und damit dem Forschungszentrum Jülich. Denn für den Betrieb braucht es nicht nur die extrem teuren Geräte selber und Expertenteams, die sie bedienen können, sondern eben auch die entsprechende Infrastruktur wie Werkstätten, Gas/Luft-Rückverflüssiger etc. pp. und das ist viel zu viel Aufwand für eine Universität (wo in Deutschland ja der Großteil der Forschung stattfindet), um diese Größe an Logistik bereitzustellen.

2006 wurde in Jülich der Forschungsreaktor FRJ-2 “DIDO” abgeschaltet und rückgebaut, der bis dahin als Neutronenquelle für die Festkörperphysiker, Biologen und Chemiker Neutronen zur Verfügung gestellt hat. Dadurch hatte Jülich ein Großgerät weniger, das es der Forschungslandschaft zur Verfügung stellen konnte. Aber zum Glück ist eines dieser Großgeräte, die noch da sind, der Teilchenbeschleuniger “Julic” bzw. COSY und wenn meine Kollegen und ich unseren Job richtig machen, dann haben wir hoffentlich auch bald wieder ein neues Großgerät hier in Jülich, unsere geliebte HBS-Neutronenquelle.

Kommentare (12)

  1. #1 tomtoo
    28. Mai 2017

    Wie ist das eigentlich international geregelt ? Also angenommen ich bin Marsianer und schreibe ein spannendes Proposel ?

  2. #2 Tobias Cronert
    29. Mai 2017

    Naja, also es gibts schon extreme Unterschiede, ob das Proposal von einer nationalen, europäischen oder internationalen Einrichtung kommt. Je nachdem, wie das entsprechende Großgerät finanziert wird und was bei der Einrichtung festgelegt wurde. Oft gibt es unterschiedliche Kontingente für nationale und internationale Proposals.

    … aber ich kann mir gut vorstellen, dass extraplanetare Proposals bevorzugt werden würden. Zumindest bei unseren Teilchenbeschleunigern, bei den Teleskopen wäre ich mir da nicht so sicher.

  3. #3 gedankenknick
    29. Mai 2017

    @tomtoo
    Dann fängt Dich SETI weg, und übergibt Dich zwecks Verhör an Donald Trump. Danach willst Du nur noch zurück zum Mars… 😉

  4. #4 tomtoo
    29. Mai 2017

    @Tobias

    Vielen Dank ! Also vom Prinzip her möglich..aber..

    @Gedankenknick
    Ich hab extra den Mars gewählt weil mir der politisch unverfänglich erschien. Und du drohst gleich mit dem Schlimmsten. Werde jetzt meinen Kumpels bescheid geben, keine Proposels an die Erde zu schicken ! : )

  5. #5 Tobias Cronert
    29. Mai 2017

    Über Politik und (meine) Wissenschaft habe ich bislang immer brav die Klappe gehalten, aber das ist schon etwas, was meine Arbeit direkt beeinflusst.

    Wir würden z.B. gerne im russischen PIK Reaktor tolle Instrumente aufbauen, aber seit der Ukrainekriese dümpelt die Zusammenarbeit nur so vor sich hin … im Gegensatz zur Zusammenarbeit mit China.

  6. #6 tomtoo
    29. Mai 2017

    @Tobias

    Wie wird das eigentlich bestimmt ob so eine Forschung mit Neutronen evtl. auch zur Verbesserung von z.B Kernwafffen beitragen könnte ? Sagt dann der Wissenschaftler sowas wie “Aufpassen das könnte auch…” ?

  7. #7 Tobias Cronert
    29. Mai 2017

    Es gibt diverse Einrichtungen, die sich mit Proliferation etc. beschäftigen. Das passiert aber meist eine Etage über den einzelnen Forschungseinrichtungen (und oder unabhängig von ihnen).

    Wenn es in ganz konkreten Fällen darum geht ob es sich in einem Proposal um “kritische Technologie” handelt, dann bleibt das meist an dem entsprechenden Kommitte hängen. Die sind auch idr. so tief im Thema drin, dass kritische Anwendungen offensichtlich sind. Das führt auch des öfteren dazu, dass manche Experimente nicht (an dieser) Einrichtung durchgeführt werden können. Denn eine Auflage für Experimente in Grenoble oder Garching ist z.B. dass die Rohdaten (nach einer Übergangszeit von ca. 2 Jahren) öffentlich zugänglich gemacht werden (Open source quasi), aber gleichzeitig die Forschung in einem sicherheitsrelevanten Bereich die Auflage hat, dass solche Ergebnisse unter Verschluss gehalten werden müssen.

    Das betrifft natürlich keine Grundlagenforschungs, bei der erst wesentlich später klar wir, dass man sie auch für “böse Dinge” benutzen kann aka “Eigentlich wollte ich doch nur einen Toaster programmieren, der mit den perfekten Toast macht und jetzt will Skynet die Weltherrschaft an sich reißen”.
    Aber das ist ja ein Grundproblem der Wissenschaft und mMn nur mit der entsprechenden Transparenz zu bekämpfen. Ein Grund mehr für den “open source Ansatz”.

  8. #8 tomtoo
    30. Mai 2017

    @Tobias

    Erst mal vielen Dank für die Einblicke. Ich muss gestehen ich hab da jetzt 3-4 mal drübergelesen. Und bekomme jedes mal, wenn ich darüber nachdenke einen Hirnknoten. Das ist bei mir ganz normal. Immer wenn ich über gewisse Dinge noch nicht nachgedacht habe und stelle beim Nachdenken fest uhhps das ist verzwurbelt (komplex) entsteht der.

  9. #9 EinNutzer
    Hürth
    29. August 2017

    @Tobias

    Was sagst du denn zu dem neuen Beschleuniger Zentrum welches das GSI in der Nähe von Darmstadt aufbaut. (Projekt FAIR)

    Es soll ja Antiprotonen und Ionen näher erforschen. (Auch wenn der Hauptring “nur” 1,1km lang sein wird. Da ist ja der SPS bei CERN schon weitaus größer. Hehe)

    Desweitere finde ich Open Source in der Wissenschaft besonders gut, so konnte ich bereits etliche Vorschläge zur Verbesserung des vLHC-Projektes einreichen.

    Am liebsten würde ich direkt beim CERN arbeiten. 🙂

  10. #10 Tobias Cronert
    30. August 2017

    Ich habe recht gemischte Gefühle, was das FAIR Projekt angeht. Auf der einen Seite ist die Wissenschaft, die damit betrieben werden kann natürlich echt toll und als wir letzten Monat in RIKEN, Japan waren haben die Kerphysiker dort schon recht neidisch auf FAIR geguckt, die ihnen den Rang ablaufen wird, wenn es fertig ist. Vorallem da unsere Kollegen in der Nachbarabteilung ja auch stark an FAIR beteiligt sind https://blogs.fz-juelich.de/zweikommazwei/2017/08/14/schwere-magnete-fuer-winzige-teilchen/ ist das ganze auch hier im FZ ein Grund Stolz zu sein.

    Auf der anderen Seite verzögert sich das Projekt immer mehr und wird auch immer teurer. FAIR ist sozusagen der BER der deutschen Großgerätelandschaft. Das zieht auch andere Großgeräte mit deutscher Beteiligung mit runter und ganz konkret haben wir bei der ESS ein paar echt dumme Auflagen und Vorbehalte bekommen, abwohl WIR alles richtig gemacht haben und im Zeit- und Kostenplan sind. Das nervt schon ein bischen.

    Von den Mehrkosten, die FAIR verursacht hat, hätten wir uns hier eine komplette Neutronenquelle oder ein Synchrotron hinstellen können…

    Aber grundsätzlich sind solche Projekte natürlich extrem toll und in immer neue Größenordnungen vorzustoßen wird anders nicht gehen. Außerdem ist der wissenschaftliche Output enorm. Nicht nur was die entsprechenden Publikationen angeht, sondern auch so banale Sachen, wie Halbleiter Temperatursensosren. Weil am CERN davon so viele im Einsatz sind, haben die kurzerhand mal eine Testreihe für ihre 6000+ Sensonren gemacht, von der ich dann auch ganz konkret profitieren konnte, obwohl ich sonst mit denen eher wneig zu tun habe.

  11. #11 EinNutzer
    Hürth
    30. August 2017

    Bzg der Dauer eines solchen Projektes lässt sich immer schwer einschätzen wie lange und wie teuer es wird. Das liegt an der Zusammenarbeit der Firmen die den Auftrag durchführen.

    Gerade gelesen das am HESR Drücke von <10^-9 mbar herrschen sollen. Ich möchte nicht die Aufgabe haben zu berechnen wie viele Pumpen man dafür brauch. 🙂
    Mit Sicherheit aber Schrauben- und Drehschieberpumpen. (Am besten fand ich die Turbopumpen in der F&E Halle. Bis zu 30000 u/min und Drücke unter 10^-13. Bis jemand von der Produktion den falschen Schieber öffnete. Fazit: Totalschaden.

    • #12 Tobias Cronert
      30. August 2017

      Naja in der Größenordnung geht es da halt dann um Projektmanagement und das ist, bis auf so ein paar Sonderdinge, wie Strahlenschutz, mehr oder weniger das gleiche, wie anderswo auch. Das ist ja jetzt nicht so, als ob die Jungs aus der Schwerionenecke da nicht genug Kompetenzen hätten. Aber ich bin da nicht tief genug drin um irgendwelche qualifizierten Aussagen treffen zu können.

      Was das Vakuum angeht wird es wohl weniger auf die Größe der Pumpen ankommen, als auf die Dichtigkeit des Systems. Aber da bin ich gerade auch noch fleißig dabei Erfahrungen mit Beschleunigern zu sammeln. Interessant wird es natürlich dann, wenn mann einen Vakuumeinbruch hat und der Ionenstrahl mit … sagen wir mal Kühlwasser in Berührung kommt. Wir spielen da gerade ein paar Szenarien durch.

      10^-13 mbar bei Raumtemperatur ohne ausheizen ist schon eine stolze Leistung. Spricht aber meiner Erfahrung nach mehr für die Dichtungen, als die TMP.