Ein verrückter Bekannter von mir dealt mit Versicherungen und als ich gerade dem armen Freund, in dessen Keller ich wohne, eine neue Wohngebäudeversicherung besorgt habe, bin ich in den Formularen auf eine interessante Option gestoßen: “Wollen Sie ihr Gebäude durch Schäden vor radioaktiven Isotopen versichern?”, hieß es in der Optionenliste, aus der man sich Leistungen aussuchen konnte.
Darüber habe ich dann mal zwei Sekunden länger nachgedacht als über die Option bzgl. “Bissschäden durch Nagetiere an elektrischen Anlagen und Dämmung”, bin aber zu dem Schluss gekommen, dass alle radioaktiven Dinge, mit denen ich so herumhantiere, keine nennenswerten Schäden an dem Gebäude anrichten können, in dem ich von Zeit zu Zeit “hause”, wie mein Mitbewohner zu sagen pflegt. Daher brauchen wir die Option nicht und dabei hätte es auch bleiben können, wenn ich nicht wenig später alleine zum Mittagessen gegangen wäre. Da ließ mir diese Option nämlich keine Ruhe und ich fragte mich: “Also, wenn ICH schon keinen Bedarf für eine Absicherung vor Schäden durch radioaktive Isotope habe… Wer zum Geier, in diesem Land, braucht denn dann eine Versicherung, die sowas abdeckt?” … Und da lässt sich doch bestimmt ein Scienceblogs-Artikel drüber schreiben!
Das habe ich dann auch bei meinem anschließenden Telefonat den lieben Benda gefragt und da er gerne mal in seinem Blog, bei seinen Talkshowauftritten oder im persönlichen Gespräch seiner zutiefst zynischen Weltansicht Worte verleiht, hat er auch in besagtem Telefonat nicht damit gegeizt: “Die Option gibt es, weil Leute Angst vor Radioaktivität haben, sich dagegen versichern wollen und Versicherungen oftmals herzlose Arschlöcher sind, die jede Gelegenheit ausnutzen, um ihren potentiellen Kunden das Geld aus der Tasche zu ziehen, sobald sich eine Möglichkeit dazu bietet.” Meine Einwand: “Ja, aber es wird doch niemals eine Situation geben, bei denen irgendjemand so eine Klausel in seiner Wohngebäudeversicherung brauchen würde… ich mein, so ein Fall tritt doch nie ein!” war dann eher noch eine Schippe Öl ins Feuer. “Ja, natürlich tritt so ein Fall niemals ein. Das ist doch genau das, was die Versicherungen wollen. Die Versicherungen haben Null Risiko und jeder Cent, der für diese Option mehr bezahlt wird, ist Reingewinn.” Tja, so wird natürlich ein Schuh draus, auch wenn es mir nicht sofort klar gewesen ist.
Naja, wenn man mir sagt, dass etwas nicht möglich ist oder niemals eintritt, dann löst dies natürlich eine Trotzreaktion aus und ich habe mir den Kopf darüber zerbrochen, ein Szenario zu konstruieren, in dem man bei einem solchen Versicherungsfall doch noch Geld herausholen könnte. Als ersten Schritt braucht man überhaupt erstmal etwas, das radioaktiv ist. Damit meine ich jetzt natürlich nicht physikalisch radioaktiv, wie Bananen, Glasflaschen oder legale schmutzige Bomben, sondern “nach deutschem Gesetz” radioaktiv. Danach ist etwas erst radioaktiv, wenn es “über der Freigrenze” liegt. Dabei habe ich die Freigrenze absichtlich in meine beliebten Gänsefüßchen eingeschlossen, da es mehrere Freigrenzen für bestimmte Anlässe und Stoffmengenkonfigurationen gibt, die im Rahmen dieses Artikels nicht so einfach zu erklären sind. Wir haben auf jeden Fall einen Grenzwert.
Da ich nun schon mal abgeklärt habe, dass ich mich nicht an die Versicherung wenden kann, wenn ein Bananenlaster seine Ladung auf dem Grundstück abgeladen hat, will ich nun einen Fall finden, bei dem die Versicherung einspringen würde … und das ist gar nicht mal so einfach. In dem Text steht sowas, wie: “…insbesondere Schäden durch Kontamination und Aktivierung. Dies gilt nicht für radioaktive Isotope von Kernreaktoren.” Hm, okay, wenn das benachbarte Kernkraftwerk in die Luft fliegt, dann bezahlt die Versicherug auch nicht. Das war soweit zu erwarten. Aber sie würde bezahlen, wenn ich mir auf meinem Grundstück etwas aktiviere, OK, damit kann ich arbeiten, Aktivierungsrechungen sind mein täglich Brot. Allerdings brauche ich dafür immer einen Teilchenbeschleuniger oder eine ähnlich potente Neutronenquelle um über die Freigrenze zu kommen. Diese darf ich in Deutschland nicht legal auf meinem Privatgrundstück betreiben und ich bezweifle stark, dass eine Versicherung für Schäden durch meinen illegal im Keller betriebenen Teilchenbeschleuniger aufkommen würde. Das wäre vermutlich recht nahe an der Definition “fahrlässig”.
Also bleiben noch “Schäden durch Kontaminationen”. In meinem Verständnis heißt das, dass nicht die Dekontamination als solches bezahlt wird, sondern nur die Schäden, die durch Kontamination am Gebäude angerichtet werden. OK, das kann ich. Ich habe ja letztens noch ausgerechnet, wann die Gummidichtungen in meinem Moderator so viel Strahlung abbekommen haben, dass sich die Polymere zersetzen und das Plastik denaturiert. Das wären ca. 5 Gray. Um die Dichtungen am Küchenfenster meines Kumpels zu beschädigen, müsste also schon eine Neutronenbombe in Düsseldorf explodieren. Ich bezweifle, dass in diesem Szenario die Gummidichtungen unser größtes Problem sind.
Das Strahlensensibelste in seinem Haushalt ist wahrscheinlich sein Rechner oder die Super Nintendo Classic Mini Edition, die wie alle Mikroelektronik eine gewisse Strahlenanfälligkeit hat. Um hier permanente Schäden anzurichten braucht es 10^4 weniger Strahlung als im Falle der Gummidichtungen, was heißen würde, dass schon eine Atombombe in Düsseldorf ausreichen würde. Selbst der potenteste Isotopentransport, der über Deutschlands Straßen rollt und in besagtem Vorgarten landen könnte, hätte nicht genug Strahlung, um irgendwelche Elektronik im Haus zu schädigen. Selbst wenn er dort für ein Jahr geparkt wird.
Irgendwelche exotischen Sonnenwinde (die den Untergang der Menschheit besiegeln würden) ausgeschlossen, fällt mir auch beim besten Willen kein Szenario ein, bei dem diese Versicherungsoption irgend eine ernsthafte Rolle spielen würde. Ich geben diesen Pitch gerne an den lieben Benda weiter, der mein Verständnis von Versicherungen und deren Texten gerne in der Luft zerreißen kann, aber ich bin mit meinem Latein am Ende mir ein Szenario zu konstruieren, das irgendwie plausibel ist … vorausgesetzt Dekontamination ist nicht mit abgedeckt, wie ich es vermute. Falls dem doch so wäre, fallen mit ad hoc plötzlich wieder ein Menge Optionen ein, die die Versicherungen eeeecht viel Geld kosten könnten.
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