… ist eine der Fragen, die mir am häufigsten gestellt wird, gleich nach: “Ist Radioaktivität ansteckend?” Die Absicht ist dabei auch völlig legitim, denn die Aufnahme von Radioaktivität in den Körper ist die schädlichste Art, in der Strahlung “im Alltag” auf uns einwirken könnte. Leider ist die Antwort nicht sonderlich befriedigend, denn wenn man ehrlich ist, muss man sagen, dass die meiste Strahlung in Nahrungsmitteln, die uns gefährlich werden kann, nicht einfach mal schnell von einer Laiin mit einem Geigerzähler von Amazon oder ebay nachgemessen werden kann und man dafür eigentlich eine professionelle Strahlenschützerin mit dem entsprechenden Equipment brauchen würde.
Das kommt vor allem daher, dass manche Strahlung nur eine sehr kurze Reichweite hat. Vor allem weiche Beta-Strahlung und Alphas kommen nur durch ein paar Millimeter Material durch und sind daher harmlos, wenn wir sie von außen abbekommen. Sie kommen ganz einfach nicht durch unsere Haut (oder Kleidung) durch. Aber wenn wir solche Teilchen mit der Nahrung aufnehmen, dann können sie uns trotzdem sehr stark schädigen, weil ein paar Millimeter Reichweite völlig ausreichen, wenn diese Teilchen in unserem Darm liegen oder in anderen Körperzellen eingebaut werden.
Diese “paar mm Reichweite” sind aber eben das Problem, warum wir sie nicht mal einfach messen können. Geigerzähler detektieren Strahlung meist mit einem Gas in einer Kammer und um ein Zählereignis auszulösen, muss die Strahlung erst mal durch die Wand der Kammer in das Gas kommen. Das funktioniert aber bei den weichen Betas und Alphas nun nicht mehr und daher kann man sie nicht so einfach mit einem Geigerzähler messen (mal ganz abgesehen davon, dass bei den meisten Geigerzählern auch noch ein Plastikgehäuse drum herum ist).
Außerdem gibt es noch das Problem der kleinen Dosen. Je niedriger die Dosis ist, desto schwieriger ist sie zu messen. Während jetzt aber eine niedrige Dose von außen ziemlich harmlos ist, wird sie direkt wesentlich gefährlicher, wenn ich sie mit der Nahrung in den Körper aufnehme. Das heißt, dass für Radioaktivität in der Nahrung “wesentlich niedrigere Grenzen gelten, als für Radioaktivität in der Umgebung”. Ein Strahlungsmesser kann erst ab einem gewissen Schwellwert zwischen “gefährlich” und “harmlos” unterscheiden und dieser Schwellwert hängt unter anderem stark von der Qualität des Strahlungsmessers und der Expertise der Benutzerin ab.
Professionelle Strahlenschützerinnen haben Methoden und Geräte entwickelt, um solche geringen Dosen an kurzreichweitigen Strahlen trotzdem zu messen, aber die kann man halt nicht mal einfach so im Internet kaufen. Eine Methode ist z.B. die Flüssigszintillation. Dabei wird die zu messende Probe (sagen wir mal Spinat) verflüssigt (kleingehäckselt und in eine Lösung gegeben) und mit einem Farbstoff versetzt, der bei Kontakt mit Radioaktivität leuchtet. Dann wird die Probe in einem transparenten Behälter in eine vollkommen dunkle Kammer gegeben, in der die wenigen emittierten Lichtteilchen gemessen werden und dann darüber eine Aktivität bzw. Dosis bestimmt wird. Das kann man halt leider nicht zu Hause machen, denn man braucht halt nicht nur das teure Equipment, sondern auch noch die Erfahrung und die ständige Kalibrierung und Überprüfung der Messergebnisse.
Die gute Nachricht ist allerdings, dass sehr hohe Dosen (von Gammas und harten Betas) auch sehr leicht nachgemessen werden können. Sprich im wirklichen Katastrophenfall, wenn ernsthaft die Dinge in den Ventilator fliegen und der Spinat sehr stark verseucht ist, dann kann ich ihn auch leicht messen. Aus Fukushima wird z.B. berichtet, dass auf gewissen Feldern Spinat und andere Pflanzen mit Dosisleistungen im Bereich von 10-100µSv/h gemessen wurden. Diese sollten auf keinen Fall mehr gegessen werden und sind auch einfach mit einem billigen Strahlungsmesser zu kontrollieren. Aber auch bei diesen Maximalkontaminationen kam die Kontamination meistens von radioaktiven Teilchen, die sich auf der Pflanze oder in der Erde angesammelt hatten und nach gründlichem Waschen weggespült werden konnten. Wenn jetzt nach dem Waschen aber nur noch z.B. 1µSv/h gemessen wird, dann sind wir wieder bei dem Problem von weiter oben und ich brauche die Profis …
Unter dem Strich kann man also sagen, dass Werbung, wie “Protect your Family from Radiation in Food” auf handelsüblichen Strahlungsmessern, einfach nur eine simple und klare Lüge ist. Ja, bei einem GAU, wie in Fukushima, oder Tschernobyl kann so ein Gerät vielleicht ein paar der am schlimmsten kontaminierten Lebensmittel aussortieren, aber wenn gerade mal kein Atomkraftwerk oder keine Atombombe in der näheren Umgebung in die Luft geflogen ist, dann ist es völlig sinnlos einen Geigerzähler an ein Blatt Spinat zu halten. Da muss man halt, wie bei Giftstoffen in Nahrungsmitteln auch, zu einem gewissen Teil den Profis und/oder Behörden vertrauen … mit allen Vor- und Nachteilen, die das eben so mit sich bringt.
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