Irgendjemand hat meinem Chef verraten, dass ich gerne Sachen aufs digitale Papier bringe (ich habe da durchaus ein paar der SB Leser hier im Verdacht) und seit einiger Zeit schreibe ich den ein oder anderen Antrag auf Finanzierung, Förderung oder Messzeit. Damit bin ich nun endlich auch in der Zwickmühle gefangen, in der sich so manche Wissenschaftler in Deutschland und der ganzen weiten Welt sehen. Bastel ich im Labor an meinen Messgeräten herum, versuche wichtige Erkenntnisse zu gewinnen, die ich dann zum Wohle der Menschheit veröffentlichen kann oder setze ich mich vor den Rechner und schreibe Politiker-BlaBla-Geschichten um die nächste Finanzierung für mich und meine Mitarbeiter zu bekommen?
Natürlich habe ich das jetzt überspitzt ausgedrückt und natürlich ist die richtige Antwort auf diese Frage eine ausgewogene Balance zwischen Wissenschaft und Wissenschaftsadministration. Außerdem bin ich einer der Letzten, die sich beschweren dürften, denn in den deutschen Forschungszentren gibt es noch mal wesentlich bessere Grund- und Rahmenfinanzierungen, als in der Universitätslandschaft. Aber trotzdem fragt man sich immer mal wieder (vor allem wenn man vor einem solchen Antrag sitzt), welchen Mehrwert für das Land im Speziellen und die Menschheit im Allgemeinen denn jetzt mit meiner Administration erreicht worden ist.
Grundsätzlich ist die Idee natürlich klar. Mehrere Bewerber konkurrieren mit ihren Ideen um begrenzte Steuergelder und es sollen dann die Projekte ausgewählt werden, bei denen das Geld der Steuerzahler den meisten Profit (im Sinne von Mehrwert für die Gesellschaft – oder manchmal auch nur banalen Patenten und wirtschaftlichen Verbesserungen) abwirft. Das ist sowohl im Sinne einer meritokratischen Leistungsgesellschaft als auch die einzige Möglichkeit, im Sinne des Zahlers solche Gelder zu verteilen, wenn man von dem fundamentalen Ansatz ausgeht, dass die Forschungsgelder begrenzt sind. Trotzdem ist der Habitus auch in anderen Ländern und politischen Systemen mehr oder weniger der gleiche. China ist von allen Ländern, in denen ich Wissenschaftler persönlich kennen gelernt habe, das mit den größten politischen Unterschieden zu uns und auch dort funktioniert es mehr oder weniger genauso.
Über die konkrete Verteilung der Gelder könnte man jetzt auch wieder Seiten füllen, denn politische und persönliche Überlegungen der Entscheidungsträger spielen realistisch gesehen immer eine signifikante Rolle. Aber selbst in einem absolut idealen System würde die Zuweisung von Ressourcen immer von der Qualität der Anträge abhängig sein und damit kann ich auch endlich wieder den Bogen zur Überschrift schlagen. Oftmals führt es im Einzelfall darauf zurück, dass man seine Zeit entweder in einen guten Antrag mit schönen Grafiken und aufpolierten Texten investieren kann oder in Messdaten. Daher ist es in der Realität oft so, dass nicht die besten, sondern die hübschesten Projekte und Ideen verwirklicht werden, genauso, wie oft nicht die besten Doktoranden, dann nachher auch zu Wissenschaftlern werden, sondern in der Industrie landen. Außerdem hat auch schon mehr als ein Forschungsinstitut den Gedanken gehabt: “Ja, wenn ich jetzt einen Germanisten (oder so) einstelle, der die Anträge aufpoliert, dann haben die eine 10% höhere Chance akzeptiert zu werden und damit holt er nicht nur sein Gehalt wieder rein, sondern es springt unter dem Strich noch mehr für uns heraus.”
Zugegeben, das Ganze hört sich jetzt nach einer Menge Meckerei an, aber das soll es eigentlich gar nicht sein. Mein letzter Antrag ist, gegen deutliche Konkurrenz, angenommen worden und ich kann mich an die Ausschreibung für eine neue Doktorandenstelle in unserer Arbeitsgruppe machen. Das System, über das ich gerade doch recht kritisch meine Meinung zum Besten gegeben habe, hat mich bislang immer sehr verwöhnt und mir in die Hände gespielt. Das heißt aber natürlich nicht, dass ich nicht auch mal eine Lanze für die Kollegen brechen kann, denen es eben nicht so gut ergangen ist und die Schwachstellen benennen kann, die ich so sehe.
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