Die Welt der wissenschaftlichen Journals wird von wenigen großen Playern dominiert, die die wissenschaftlichen Erkenntnisse dieser Welt hinter hohen Paywalls verstecken und nur den großen Bildungseinrichtungen Zugang gewähren, wenn diese dafür ordentlich bezahlen. Gleichzeitig sehen weder die Autoren noch die Reviewer irgendwelches Geld und arbeiten für das reine Privileg, dass ihre Artikel (vielleicht) veröffentlicht werden und sie damit das persönliche Kapital (Publikationen und Zitationen) in der Wissenschaftswelt mehren. Über das ganze Thema haben sowohl Florian Freistetter, als auch viele andere hervorragende Artikel geschrieben, so dass ich mich an dieser Stelle nicht wiederholen möchte. Stattdessen will ich lediglich berichten, wie ich persönlich damit umgehe, denn ich hatte vor kurzen die Gelegenheit mich direkt an dem Kampf für mehr Open Access zu beteiligen.
Florian hatte in seinen Artikeln schon mal sinngemäß angemerkt „… und daran wird sich auch nichts ändern, solange bei Einstellungen nur auf die Publikationsliste geguckt wird und alle dazu getrieben werden das System zu unterstützen. Alles nur damit sie so viele Publikationen, wie möglich bekommen um einen Job zu ergattern oder zu behalten.“ Naja, da kann man ja was dran tun.
Auf der einen Seite gibt es die Verhandlungen der deutschen Hochschulrektorenkonferenz und Forschungszentren mit den Verlagen, so dass in naher Zukunft über 60% aller Publikationen als Open Access publiziert werden sollen. Das führte aktuell sogar soweit, dass alle deutschen Wissenschaftszentren ihre Verträge mit Elsevier auslaufen ließen, als die Verhandlungen in einer Sackgasse gelandet waren. Zum anderen gibt es natürlich die Möglichkeit für jeden einzelnen Wissenschaftler den Prozess zu unterstützen, indem einfach in anderen Journalen veröffentlicht wird oder Anfragen für unentgeltliche Arbeit als Reviewer abgelehnt werden. Eine Abstimmung mit den Füßen sozusagen.
Gerade zu letzterem hatte ich letztens die Gelegenheit, als ich von dem Verlag Elsevier die Anfrage bekam, ob ich als Gutachter für einen Artikel zu Verfügung stehen würde, den sie demnächst veröffentlichen wollen. Ich habe bislang erst wenige Artikel begutachtet (konkret gesagt zwei) und vor allem mit meinem niedrigen Status in der Wissenschaftlerhackordnung stellt so eine Anfrage natürlich schon eine gewisse Ehre da. Diese Ehre hat allerdings weniger mit meiner Person zu tun, sondern mit dem absoluten Nischendasein meiner Forschung – kurz gesagt wahrscheinlich haben sie einfach keinen besseren gefunden.
Da ich mich schon seit längerem mit den Open Access Verhandlungen auseinander gesetzt hatte und ganz konkret vor ein paar Wochen den Jülicher Verhandlungsführer gefragt hatte „Hey, wie kann ich euch unterstützen? Soll ich die nächste Anfrage ablehnen?“ passte die Situation jetzt natürlich, wie die Faust aufs Auge. Trotzdem hatte ich natürlich schon Angst mir meine Zukunft zu versauen. Was ist, wenn Elsevier mich auf eine schwarze Liste setzt und nicht nur meine eigenen Artikel, die ich in Zukunft bei ihnen veröffentlichen will, ablehnt, sondern auch die meiner Kollegen, die mich nur als Co-Autor führen? Damit würde ich mir nicht nur selber ins Bein schießen, sondern auch den Kollegen, die mich unterstützen und unserem tollen Projekt. Einfach auf den Verlag verzichten und nur bei anderen Verlagen publizieren funktioniert auch nur bedingt, denn es passiert oft genug, dass man durch die Bedingungen einer Konferenz oder eines Foschungsvorhabens an einen speziellen Verlag gebunden ist und sich eben nicht aussuchen kann einfach woanders hin zu gehen.
Naja lange Rede kurzer Sinn, ich habe es einfach gemacht und dem Redakteur des Verlages eine freundliche E-Mail zurückgeschickt, in der ich erläutert habe, warum ich in diesem Fall nicht als Gutachter zur Verfügung stehe.
Dear XXX,
thank you for the invitation as a Reviewer to the mentioned article. As you are surely aware, Elsevier is currently in negotiations with the German HRK and my employer the FZ-Jülich in the DEAL-negotiations about open access Gold-standards. So as long as this negotiations continue, I see myself unable to support Elsevier with the “pro bono” activities of a Reviewer.
I sincerely hope, that the negotiations will reach a mutual beneficial conclusion in the near future. As soon as these are concluded, It would be my pleasure to work for the benefit of the science community again, by reviewing articles published by Elsevier. Until then I hope, that you will find a suitable other candidate and wish you all the best for publishing this interesting article.with best regards
Tobias Cronert
Das wurde auch ohne größeres Nachfragen akzeptiert und damit bin ich erst mal raus. Ich gehe nicht davon aus, dass ich persönlich in irgendeiner Form Feedback darüber erhalten werde, ob meine Verweigerung irgendwelche Wirkung gezeigt hat oder auch nur registriert worden ist. Also ist und bleibt es ein totaler Schuss ins Blaue hinein.
Aber ich kann jeden Wissenschaftler nur ermutigen mitzumachen und sich in ähnlichen Situationen auch gegen den stark verbesserungswürdigen, etablierten Habitus auszusprechen. Natürlich erfordert es ein wenig Mut, aber unterm Strich denke ich, dass vor allem wir jungen Wissenschaftler davon profitieren werden, wenn diese verdammte „Publish or Perish“ Kultur aufgebrochen wird und wir anhand unserer Fähigkeiten einen Job kriegen und nicht daran gemessen werden, wieviel Geld wir durch unbezahlte Überstunden in die Taschen der Wissenschaftsverlage spülen.
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