Unter “sichtbar machen” werden in den Schulbüchern recht oft Methoden angepriesen, die indirekt die Existenz von irgendwas nachweisen und gerade bei Magnetismus werden uns allen noch die Bilder von Eisenfeilspänen im Hinterkopf herumspuken, die wir mal um Magneten auf weißem Papier herumgestreut haben, um die “Magnetfeldlinien” sichtbar zu machen. Obwohl solche indirekten Verfahren eigentlich die Regel sind, so haben doch wirklich echte “direkte” Verfahren immer einen besonderen Reiz.
Sowohl Infrarot-, als auch Röntgenbilder und -filme (oft “Transmissions-Imaging” genannt) hinterlassen in unserem Bewusstsein meist sehr viel Eindruck. Wahrscheinlich, weil unser Gehirn einfach dafür ausgelegt ist, verschieden stark abgeschwächte EM-Strahlen, die auf einen Detektor fallen, zu interpretieren (also das, was unser Auge und Gehirn so machen). Leider ist das mit Magnetismus und EM-Strahlen nicht so einfach möglich, weil diese durch Ladungen wesentlich stärker beeinflusst werden als durch Magnetismus und man letzteren somit nicht direkt sehen kann… egal in welchem Frequenzbereich man “guckt”, auch wenn er theoretisch die EM-Strahlen beeinflussen sollte.
Seit kurzem gibt es aber jetzt eine Technik mit polarisierten Neutronen, die zufällig genau das kann, was wir uns für EM-Strahlen wünschen: Eine Kamera, die direkt und ohne irgendwelche Zwischenschritte Bilder und Filme von Magnetfeldern machen kann und quasi Echtzeitaufnahmen auf den Bildschirm bringt. Hier ist auch schon mal direkt ein ganz normales Bild eines Elektromotors mit sichtbarem Licht, Neutronen (schwarz/weiß) und dann mit dem Magnetfeld drumherum, das im laufenden Betrieb produziert wird und sich dann auch bewegt. Leider habe ich keine Möglichkeit gefunden, das Video zu bekommen und hochzuladen, aber ich hoffe, dass ihr mir glaubt, dass es echt schön aussieht, wenn die Magnetfeldlienien im laufenden Betrieb mit der Frequenz des Elektromotors um die Kupferspulen herumtanzen.
Um aber zu diesem Bild bzw. den Videos zu kommen, ist extrem viel Aufwand nötig und ich muss hier schon direkt am Anfang eingestehen, dass diese simplistische Anwendung von tollen Magnetfeldbildern wirklich eher ein Nebenprodukt einer echt komplexen, aufwendigen und teuren Maschinerie ist. Um nämlich nur den ersten Schritt zu gehen, braucht man schon die aktuell leistungsfähigste Spallations-Neutronenquelle der Welt … den J-Parc. Dieser ist ein riesiger Teilchenbeschleuniger in Japan, der unter anderem auch Neutronen für viele verschiedenen Experimente produziert. Dabei wird MW-Leistung in einem Target aus flüssigem Quecksilber deponiert, um freie Neutronen herauszuschlagen und diese nutzbar zu machen. Der Vorgänger der ESS-Spallationsquelle.
Die freien Neutronen werden von vielen verschiedenen Instrumenten benutzt und eines davon ist das RADEN-Experiment, das sich auf die Untersuchung von Energiematerialien wie Brennstoffzellen, Li-Akkus und eben auch Elektromotoren mit Hilfe von direktem “Transmissions-Imaging” spezialisiert hat. Dabei werden Objekte relativ simpel durchleuchtet – wie beim Röntgen am Flughafen, nur mit dem essentiellen Unterschied, dass eben nicht Röntgen, sondern Neutronen benutzt werden. Beim Röntgen am Flughafen wird auch erst mal nur ein Modus benutzt: Das Transmissionssignal wird um so mehr abgeschwächt, je höher die Kernladungszahl des Objektes ist. Also ein heller Koffer (Plastik) mit heller Kleidung (Baumwolle, Kohlenhydrate) vor einer dunklen Pistole (Eisen und andere Metalle). Da eine Röntgenröhre eigentlich nur eine Wellenlänge an Röntgenlicht produziert, kann man nun noch etwas mit dem Kontrast zwischen Hell und Dunkel herumspielen, aber eigentlich war es das dann auch schon, während bei Neutronen jetzt der Spaß eigentlich erst richtig anfängt.
Bei Neutronen wird der Hell/Dunkel-Kontrast durch die Wirkungsquerschnitte bestimmt, die wiederum von den Kerneigenschaften abhängen und eben nicht nur einfach von der Kernladungszahl. Daher kommt es z.B. dass Mangan und Eisen, die im Periodensystem direkt nebeneinander liegen und somit für Röntgen genau gleich aussehen, für Neutronen total verschiedene Abschwächungen und damit Hell/Dunkel Kontraste haben (wie in dieser Grafik angedeutet). Dazu kommt nun noch, dass die Wirkungsquerschnitte abhängig von der Energie bzw. Wellenlänge der Neutronen sind. Das heißt, ein 1 Angström-Neutronenbild hat einen anderen Kontrast, als ein 3 Angström-Bild etc. pp. Da Röntgenteilchen alle mit Lichtgeschwindigkeit unterwegs sind, sind da auch alle verschiedenen Wellenlängen gleichzeitig auf der Probe und dem Detektor und man kann nicht direkt zwischen ihnen unterscheiden. Bei Neutronen dagegen haben verschiedene Wellenlängen verschiedene (sub c) Geschwindigkeiten, so dass man bei einer gepulsten Neutronenquelle wie dem J-Parc einfach nur den Detektor auf “Film”-Modus stellen muss und man bekommt in den verschiedenen Timeframes automatisch verschiedene Kontraste je nach den entsprechenden Wellenlängen.
Aber das sind ja erst mal nur die Basis-Features, die man so mit Neutronenimaging machen kann, wir wollen ja Magnetismus sichtbar machen. Dazu müssen wir uns den Spin des Neutrons zunutze machen. Dieser ist eine quantenmechanische Eigenschaft des Neutrons und sowas, wie ein “Minimagnet”, den man sich so in etwa wie einen kleinen Stabmagneten mit Nord- und Südpol aus dem Schulunterricht vorstellen kann. Diese sind in einem normalen Neuronenstrahl alle zufällig ausgerichtet, werden aber, wenn sie durch ein Magnetfeld fliegen, von diesem beeinflusst. Da sie aber zufällig verteilt sind, sind sie dies auch immer noch am Detektor und wir können da keine zusätzliche Informationen herausziehen. Wie das genau funktioniert, hat unser Institut mal in einem professionellen Video zusammengefasst.
Wenn wir jetzt allerdings unseren Neutronenstrahl polarisieren, das heißt, alle Spins in eine Richtung ausrichten und diese polarisierten Neutronen dann auf ein Magnetfeld (z.B. um einen Elektromagneten herum) treffen, dann werden sie je nach Ausrichtung des Magnetfeldes stärker (oder schwächer) aufgehalten. Das erzeugt dann einen Hell/Dunkel-Kontrast, genauso wie verschiedene Materialien beim Röntgen oder verschiedene Temperaturen bei Infrarot-Bildern. Da das physikalisch gesehen ein anderer Effekt ist, kann man den natürlich dann auch noch schön einfärben und die roten/blauen Magnetfeldlinien um den schwarzen/weißen Elektromagneten herumtanzen lassen, was echt sehr toll aussieht, ich euch leider aber nicht zeigen kann, da J-Parc die Videos (noch) nicht freigegeben hat.
Eine Kilometer große, Milliarden Dollar Quelle mit einer 10 Millionen Dollar Kamera ist auf den ersten Blick vielleicht ein wenig Overkill, um Bilder vom Magnetfeld eines kleinen Elektromotors zu machen. Aber diese Methode ist natürlich nur eine von vielen, die an diesem Instrument entwickelt und benutzt wird und wenn man auf die nackten Zahlen guckt, dann ist gerade diese Technik eine von denen, die schnell viel Return for Investment ausspuckt. Denn Elektromotoren sind dermaßen weit verbreitet und so stark am Energieverbrauch der Industrienationen beteiligt, dass eine minimale Effizienzsteigerung durch Optimierung der Magnetfeldgeometrie in einer Spulenanordnung direkt Millionen Euro für die Firma und letztendlich auch die Volkswirtschaft bringt/einspart und damit die wissenschaftlichen Kosten rechtfertigt. Bislang muss man für diese tolle Technik noch nach Japan zum J-Parc fahren. Die haben zwar ein tollen Access-Programm für die großen japanischen Firmen mit festen Kontingenten für deren R&D Abteilungen, aber grundsätzlich kann man auch als Europäer Beamtime für solche Untersuchungen bekommen, …. bis dann in 5 Jahren in Schweden die ESS-Spallationsneutronenquelle ihren Dienst aufnimmt und solche Sachen hier vor Ort untersucht werden können.
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