Eine Anwohnerin des Fliegerhorst Büchel in der Eifel hat gegen eine Stationierung von amerikanischen Atomwaffen geklagt und ist dabei bis zum Verfassungsgericht gekommen. Über die juristische Seite hat die Kölner Kanzlei WBS ein YouTube video gemacht, weshalb ich auch mal die Gelegenheit nutzen will, mir die physikalischen Umstände einer solchen Atomwaffenstationierung vorzunehmen. Dabei befinde ich mich in guter familiärer Gesellschaft, denn meine Anti-Atomkraft-Mutter hat in den letzten Jahrzehnten auch immer mal wieder gegen genau diese Stationierung an ebenjenem Ort demonstriert und Unterschriftenaktionen (mit)gemacht. Das ist vor allem in Richtung Eifel eine gute Tradition und fußt in der Regel auf einer Ideologie, was wohl auch bei der Anwohnerin, um die es in diesem Rechtsstreit geht, der Fall ist. Es ist mir wichtig, darauf hinzuweisen, denn ein solcher Rechtsstreit unterscheidet sich doch wesentlich von der typisch deutschen Klage gegen den Nachtlärm am Flughafen, das Atomkraftwerk in der Nachbarschaft oder die Windkrafträder im Garten. Ich versuche dabei, wie immer in diesem Blog, eine möglichst neutrale Meinung an den Tag zu legen und mich eher an dem wissenschaftlichen bzw. technischen Aspekt auszutoben.
Damit möchte ich dann auch direkt anfangen. Ein Aspekt bei den Klagen war wohl die erhöhte Terrorgefahr durch die Stationierung der Atombomben und die konkrete Frage des Rechtsanwaltes im Video: “Geht das, wenn man so ne Atombombe selber in die Luft sprengt?” Also ist die Befürchtung (mehr oder weniger), dass man eine Atombombe durch einen Terroranschlag und/oder irgendeine Einwirkung von Außen zünden könnte.
Darauf ist die Antwort aus Sicht eines Neutronenphysikers ziemlich einfach. Eine moderne Atombombe kann nicht (versehentlich oder absichtlich) durch Beschuss mit einem Maschinengewehr oder eine Explosion mit konventionellem Sprengstoff oder ein Feuer gezündet werden. Bei allen modernen Atombomben braucht es einen einen sehr präzisen Sprengmechanismus, um das Uran und/oder Plutonium lange genug in einem kleinen Gebiet zu konzentrieren, um die “Kettenreaktion” auszulösen, die dann den allseits beliebten Atompilz produziert. Bei modernen Atombomben erfordert dies eine präzise Zündung im Nanosekunden-Bereich und muss vorher aufwändig am Rechner simuliert werden. Wenn man da nur ein kleines bißchen daneben liegt, dann findet keine Kettenreaktion statt und es fliegen nur ein paar Metall- und Uransplitter im Raum herum, in dem die Bombe aufbewahrt wird. Soweit so gut und undramatisch. Die einzigen Atombomben, die man vielleicht von außen durch eine Explosion hätte zünden können, waren die, die so aufgebaut waren wie die Hiroshima-Bombe “Little Boy” aus dem zweiten Weltkrieg. Aber so ein vorsintflutliches Design wird heutzutage noch nicht mal mehr Nordkorea benutzen.
Das heißt, das Schlimmste, was der Anwohnerin in 3km Entfernung vom Luftwaffenstützpunkt passieren könnte wäre, dass irgendwelche Uran- oder Plutonium-Teile vom Kern der Bombe auf ihrem Grundstück landen, nachdem ein Terrorist, der den vorherigen Abschnitt nicht gelesen hat, besagte Bombe in die Luft gesprengt hat. Ein Kilo Uran auf dem Grundstück ist jetzt nicht gerade gesund, aber auch nicht so schlimm wie meine Mutter immer denkt. Da gilt wieder die Faustregel: Je länger die Halbwertzeit einer Substanz, desto weniger strahlt sie. Sprich die Strahlung des Urans (oder Plutoniums) ist nur mittelmäßig schlimm und nach einer entsprechenden Dekontaminierung durch das Umweltbundesamt kann das Grundstück wieder ganz normal bewohnt werden. Atomwaffen sind also nur dann gefährlich, wenn jemand den eingebauten Zündmechanismus nach Vorgaben bedienen kann. Ergo nur stabile Genies mit den entsprechenden Codes *seufzt*.
Eine weitere Frage, die ich des öfteren gestellt bekommen habe ist, ob es möglich ist mit einem Geigerzähler (oder ähnlichem) herauszufinden, ob auf einem Militärstützpunkt Atomwaffen stationiert sind. Darauf lautet die Antwort: Theoretisch ja. Wenn ich, mit meinen Jahren Erfahrung in der Neutronenphysik, alles Equipment aus dem Forschungszentrum Jülich (oder einer vergleichbaren Einrichtung) zur Verfügung hätte, dann könnte ich unter bestimmten Bedingungen herausfinden, ob und welche Atombomben dort stationiert sind. Ich hatte da auch schon vor Jahren mal einen Artikel drüber geschrieben, wie man eine Atombombe findet. Ob es legal ist, mit Neutronenstrahlen auf ein Militärgelände zu schießen… da müsste ich mich mal mit den YouTubern von WBS an einen Tisch setzen und Gesetzestexte wälzen (mMn könnte das tatsächlich legal sein). Aber theoretisch wäre es unter optimalen Umständen möglich und neben den entsprechenden Forschungszentren sind da wohl auch noch die ein oder anderen Geheimdienste zu in der Lage, wie man z.B. in der Biografie eines Ex-BND Agenten nachlesen kann, der das wohl nach der Wiedervereinigung mit russischen Bomben (mit)gemacht hat. Der Durchschnittsbürger und auch die Atomexperten von Greenpeace sind dazu aber (leider) nicht in der Lage und eine einfache Möglichkeit zum Aufspüren von Atombomben gibt es nicht.
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