Ihr Scienceblogs-Leser seid Schuld. Nachdem die Idee einmal in den Kommentaren unter einem meiner Artikel aufkam (ich glaube, es war, als ich mir begleitend zum Chemo-Haarausfall die Haare abgeschnitten hatte) hat sie sich irgendwie in meinem Kopf festgesetzt und mich seitdem nicht mehr in Ruhe gelassen. Nicht, dass ich jetzt sonderlich qualifiziert dazu wäre, irgendjemandem Beauty/Mode-Tips zu geben (eher im Gegenteil), aber das hält gefühlte 60% aller YouTube-Nutzer ja auch nicht davon ab, ihren Content mit der Welt zu teilen. Wie passt denn nun ein Lifestyle-Thema in ein Portal für Wissenschaftsjournalismus? Das werde ich mal versuchen hier klarzustellen, bevor ich mich ins eigentliche Thema stürze.
Wissenschaftskommunikation ist auf populärwissenschaftlicher Ebene immer sehr stark mit den kommunizierenden Wissenschaftlern verbunden und hat charismatische Stars wie Neil deGrasse Tyson und Bill Nye hervorgebracht. Im nationalen Bereich funktioniert das mit Ranga Yogeshwar und Harald Lesch zwar leicht anders, aber die fundamentalen Prinzipien sind die Gleichen. Es ist immer eine Art sympathischer “Nerd”, der (ja irgendwie sind es fast alles Männer) trotzdem so reden kann, dass ihn der Großteil der Bevölkerung nicht nur versteht, sondern auch noch von seiner (fundamental jedem Naturwissenschaftler innewohnenden) Passion für das Thema angesteckt und mitgerissen werden kann. Dabei bin ich erklärter Feind des Begriffes “Nerd”, denn auch wenn es diesen Gesellschaftstyp in den USA der 80ger bis 90ger mal gegeben hat, so denke ich nicht, dass sowas in Deutschland jemals in dieser klaren Stereotypisierung existierte und spätestens seit dem Jahrtausendwechsel und der “Herrschaft der Nerds” sowieso obsolet ist. Dennoch gibts es in unseren Kreisen eine relativ klare Vorstellung von Nerd-Kultur und was damit zusammenhängt. Meist sind es eben Physiker, Mathematiker, Informatiker und artverwandte Menschen, die eben auch die entsprechende (Pop)Kultur und Humor teilen … und ich behaupte, dass ich qualifiziert bin um über Dinge aus dieser “Nerd-Wissenschaftler-Kultur” zu berichten und dass es hinreichend Relevanz für die Wissenschaftskommunikation besitzt um hier auf Scienceblogs einen Platz zu verdienen… wie zum Beispiel Socken!
Als ich letztes Jahr zu Konferenzen und Workshops nach Japan geflogen bin, wurde ich vorher von meinem japanophilen Umfeld bestens auf die dortigen Business-Protokolle vorbereitet. Dazu gehört dann natürlich vor allem auch Businesskleidung und während man als deutscher Physiker (unterhalb der Institutsleiter-Ebene) wie der letzte Schlonz herumrennen kann, wurde mir penibel eingeimpft, dass dies eben nicht für das Land der aufgehenden Sonne gilt. Insbesondere müsse ich darauf aufpassen, dass ich keine Löcher in den Socken hätte, denn durch das häufige Schuhe wechseln oder sogar nur auf Socken laufen, wären diese halt auch wirklich Business-relevant und nicht, wie in Deutschland, häufig zu vernachlässigen.
Tja, es kam, wie es kommen musste und direkt am ersten Tag wurden wir von unseren Gastgebern in ein traditionelles japanisches Restaurant eingeladen, in dem man in Seiza-Sitzposition vor dem niedrigen Tisch auf dem Boden sitzt. Ich saß zwischen dem jungen Postdoc, Wakabayashi (der seine Doktorarbeit bei dem Fund des neuen Elementes Nihonium geschrieben hatte und ungefähr meine Hierarchiestufe hat) und der Institutsleiterin. Ich hatte mich natürlich brav an die Indoktrination bzgl. Businesskleidung gehalten, aber in Wakabayashis Socken prangten zwei große Löcher. Eines, durch die der große Zeh herausguckte und eines an der Ferse … tja, Physiker sind wohl doch überall auf der Welt irgendwie gleich *g*. In den kommenden Tagen habe ich dann auch über meine neuen Kollegen erfahren, dass deutsche Physiker keinesfalls ein Monopol auf Socken in Birkenstock-Sandalen haben, obwohl ich zumindest keine weißen Tennissocken finden konnte… anscheinend gibt es in Japan keine weißen Tennissocken, was natürlich einen herben Nachteil der Kollegen im Vergleich mit ihren deutschen Counterparts darstellt.
Ich bin jetzt wirklich kein Sockenfetischist, aber nachdem, was ich in meinem Leben so bei vielen, vielen Kollegen gesehen habe, muss ich doch tatsächlich mal die Gelegenheit nutzen, um mich für ein Minimum an Sockenkultur einzusetzen. Ich selber kaufe meine Alltagssocken im Supermarkt im 5er- oder 10er-Pack. Meistens die sog. Arbeitssocken und meistens in Schwarz. Sprich, wenn das Sockenmonster in der Waschmaschine mal einen Socken von einem Paar verschluckt, dann habe ich nicht direkt ein ganzes Paar verloren. Wenn die Socken durchgelaufen sind und/oder ich ein Loch sehe, dann reiße ich das Loch auf (um nicht in Versuchung zu kommen, sie dennoch anzuziehen) und schmeiße sie weg. Ja, ich kann auch Socken stopfen, aber das ist mir bei den billigen Supermarktdingern die Arbeit nicht wert. Das hört sich jetzt erst mal nicht nach einem hohen Sockenniveau an (eher im Gegenteil), aber ich würde das hier nicht schreiben, wenn ich nicht genug Gegenbeispiele kennen würde, wo selbst diese Latte mit Anlauf gerissen wird. Einer meiner Profs, der mit löchrigen Socken in Hauspantoffeln am Bahnhof stand und meinte “Ich fahre auf eine Tagung nach Paris”, ist zwar ein Extrembeispiel, aber sicher nicht alleine.
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