Was macht der Strahlensphysiker, wenn ihm im Krankenhaus langweilig ist? Ja genau, er bestellt bei einem der billig günstigen Internetversandportale Leuchtstäbchen mit Tritium von einer fremden Atommacht. Als besagter Strahlenphysiker dann drei Wochen später wieder zu Hause ist, kommt das Päckchen ohne weitere Probleme bei ihm mit der regulären Post an, was ihn ein wenig verwundert… auf der anderen Seite aber auch wieder nicht.
Also, grundsätzlich gibt es bei dem Bestellen von Artikeln mit Tritium einige Besonderheiten, die manchmal zu Tage treten können und dann für Ärger sorgen. Theoretisch ist Tritium radioaktiv, aber eben kein Gefahrstoff oder ähnliches. Obwohl man radioaktive Stoffe, unter gewissen Auflagen, durchaus legal verschicken kann, haben die meisten großen Versandagenturen (also Post, Paketdienste wie UPS etc.) eine pauschale “keine radioaktiven Inhalte”-Politik, ebenso wie starke Magnete, Sprengstoffe etc. pp.. Bei manchen Versanddiensten ist der Transport von radioaktiven Materialien dann mit entsprechender Anmeldung und unter entsprechenden Auflagen und Aufpreisen dann doch wieder möglich, aber das ist dann meist nur für den Neutronenphysiker interessant, der seine Proben vom Reaktor nach Hause schicken will, während er noch zu einer Konferenz fliegt und für den Besteller von Uhren im Internet eher schon viel zu viel Arbeit. Dazu kommt, dass das Überschreiten von Grenzen mit radioaktivem Gepäck auch nicht ganz so trivial ist und man eigentlich alles genau beim Zoll angeben und kontrollieren lassen müsste. Innerhalb der EU geht das zwar mittlerweile, aber wer schon mal mit einer strahlenden Kupferspule im Kofferraum durch die Schweiz gefahren ist, weiß, was ich meine.
Daher hatte ich mich schon mal darauf eingestellt, in Köln zum Zoll zu dackeln und dort meine Bestellung auslösen zu müssen. Geistig hatte ich mich auch schon mit Geigerzähler und all meinen Papieren und Genehmigungen bewaffnet, um dem Zollbeamten zu erklären, dass ich es eben doch darf, aber wie schon erwähnt war das Ganze vollkommen unnötig. Das wird praktisch wohl vor allem daran gelegen haben, dass der chinesische Lieferant den Inhalt außen auf dem Päckchen einfach mit “tube” angegeben hat und nicht “radioaktives Tritium” geschrieben hat. Wie der grüne Aufkleber “von der zollamtlichen Behandlung befreit” von der deutschen Post auf dem Päckchen zustande gekommen ist, kann ich mir aber nicht erklären, vielleicht kennt sich einer der Leser da besser aus als ich.
Im Gegensatz zu vielen anderen EU-Ländern wird in Deutschland kaum Tritium-Leuchtmittel benutzt, weil hier die Bevölkerung einfach wesentlich sensibler für alles ist, was das Wort “radioaktiv” enthält, obwohl es von der Gesetzeslage her absolut kein Problem wäre. Ich hätte auch einfach nach Holland fahren und mit dort meine Tritiumlichter kaufen können (https://www.betalight.nl/) . Das liegt vor allem daran, dass diese total harmlos sind. Wenn ich eines der größten Tritium “Notausgang”-Schilder aufbrechen und das ganze Gas einatmen bzw. die ganze Flüssigkeit trinken würde, dann bekäme ich soviel Strahlendosis ab wie bei einer Woche Skifahren in den Alpen… also quasi nix.
Das ist auch der Grund, warum der ganze Hokus-Pokus mit dem Tritium legal ist. Denn in Deutschland (und der EU) gibt es die sog. Freigrenze. Das heißt unter einem gewissen Schwellwert (es gibt da sowohl eine absolute als auch eine Aktivität pro kg Grenze) gilt ein Stoff vor dem Gesetz als nicht radioaktiv. Das heißt, obwohl meine Leuchtelichter einen Betastrahler enthalten, der 15keV Betastrahlung in der Gegend herumschickt, gelten sie vor dem Gesetz als nicht radioaktiv und werden daher behandelt wie jeder andere nicht radioaktive Gegenstand auch. Deshalb sind auch Bananen so günstig. Obwohl sie 10 radioaktive Gammaquanten pro Sekunde in die Weltgeschichte entlassen, sind sie unter der Freigrenze, so dass der Spediteur keinen radioaktiven Sondertransport auf Deutschlands Straßen anmelden muss, wenn er den Supermarkt beliefert (und ich keinen, wenn ich die Bananen nach Hause bringe). Bei Tritium ist der Grenzwert sogar noch 10000mal höher als bei meinen Bananen … oder Uran.
Dass der Versand oder der Kauf doch trotzdem mal Probleme macht liegt daran, dass bei halbinformierten öffentlichen Quellen eben manchmal die Alarmglocken angehen. Wenn der Zollbeamte nämlich gerade noch so weiß, dass Tritium radioaktiv ist, aber eben nicht weiß, wie da die exakte Gesetzeslage zu ist, dann kann das zu Missverständnissen führen. Da kehren dann die Behörden auch gerne mal die Nachweispflicht um und verlangen eben vom “Kunden” den Nachweis darüber, dass das Tritium unter der Freigrenze liegt. Das allerdings kann gerne mal etwas komplizierter werden, denn wie schon häufig hier gesagt, lässt sich die extrem weiche Betastrahlung von Tritium nur sehr schwer messen. In dem konkreten Beispiel mit den Leuchtstäbchen würde man sie nur messen können, wenn man die Glasbehälter aufbricht und den Inhalt direkt misst und das ist im Zollamt eher umständlich, mal ganz abgesehen davon, dass man dann eben seine Lieferung zerstört.
Ansonsten bin ich mit meinen kleinen Leuchtstäbchen allerdings recht zufrieden. Sie sind mit 7-10€ pro Stück jetzt auch nicht super billig, selbst in China nicht, aber sie leuchten. Das heißt, ich werde wohl in Zukunft da noch mal eine größere Bestellung aufgeben, nachdem das alles so gut geklappt hat. Theoretisch könnte man jetzt noch testen, wie frisch das Tritium ist (denn 12 Jahre Lebensdauer ist jetzt nicht sooooo lang), indem man zweimal mit einem Abstand von einem halben Jahr die Aktivität misst und dann einen exponentiellen Abfall durch die zwei Punkte legt[1]. Aber da das Messen eben recht kompliziert ist, werde ich das wohl lassen und einfach nur mal gucken, wie sie nach ein paar Jahren im Dunkeln dann noch aussehen.
Ich würde mich grundsätzlich schon darüber freuen, wenn in Deutschland mehr Tritiumleuchten eingesetzt werden würden, aber wie gesagt sind die jetzt auch nicht so furchtbar praktisch, weil man eben damit rechnen muss, dass nach 12 Jahren die Leuchtkraft erheblich reduziert und nach 15-20 Jahren ganz erloschen ist. Das liegt nebenbei hauptsächlich bzw. auch an der radiolumineszenten Farbe, die dann “verbraucht” ist und nicht (nur) an der kurzen Halbwertszeit des Tritiums. Daher wird das ganze wohl eine Spielerei bleiben, aber als solche kann sie ja durchaus Spaß machen.
[1] Das ist soooo nicht ganz richtig. Siehe Kommentar #27 und #28
Kommentare (29)