Christian Solmecke bzw. die Kanzlei WBS unterhält einen YouTube-Channel, auf dem sie sich mit kuriosen und interessanten Rechtsgeschichten auseinandersetzen. Ich war schon immer ein Fan und letzte Woche kam dann mit der Fragestellung: “Darf ich mir nach deutschem Recht einen Fusionsreaktor zu Hause bauen?” auch mal eine Frage direkt für mein Kerngebiet (badabum). Dabei hat Christian Solmecke schon ein paar interessante Paragraphen herausgebuddelt und angegeben, aber bei der eigentlichen Fragestellung Kernfusion und Kernspaltung in einen Topf geworfen. Dies führte in der Kommentarspalte dazu, dass viele Physikbegeisterte erklärend eingesprungen sind, aber die eigentliche Frage nicht wirklich klar beantwortet wurde. Letzteres möchte ich dann hier an dieser Stelle tun.
https://www.youtube.com/watch?v=Lu0L1Bj17ho
Ganz kurz: Eine Kernfusion könnte man unter bestimmten Auflagen privat im Keller machen, einen Kernreaktor leider nicht… wirklich.
Aber erst mal zu dem 12-14-Jährigen, um den es hier geht. Der hat sich einfach eine Vakuumkammer gebaut und mit Hochspannung Deuteriumkerne fusioniert. Das ist gar nicht mal so schwer und mit dem coolen Equipment meines Institutes kann ich das Experiment auch innerhalb einer Woche reproduzieren. Für einen richtigen Physiker nur ein kleines Problem, aber natürlich eine riesige Sache für einen 12-14-Jährigen und eine herausragende Leistung.
Jetzt kommt natürlich die eigentliche Frage nach der Legalität und da hat der Christian Solmecke leider die Kernfusion mit der Kernspaltung in einen Topf geworfen und gefolgert, dass es nicht legal möglich ist. Wenn man sich allerdings wirklich nur Kernfusion anguckt, dann fallen viele Sachen weg. Betriebsgenehmigungen für Kernkraftwerke, Atomgesetz, Plutonium und Uran gibt es nämlich bei der Kernfusion nicht, so dass man sich damit nicht herumschlagen muss. Das heißt, unterm Strich bleibt nur die Erzeugung ionisierender Strahlung, die, wie WBS da schon recht präzise gesagt hat, in Deutschland eben verboten bzw. gesetzlich per § 311 StGB (Strahlenschutz- und Röntgenverordnung) geregelt ist.
Da gibt es jetzt aber auch wieder genug Hintertüren, denn in dem Gesetz steht: “die geeignet sind, Leib oder Leben eines anderen Menschen, fremde Sachen von bedeutendem Wert zu schädigen oder erhebliche Schäden an Tieren oder Pflanzen, Gewässern, der Luft oder dem Boden herbeizuführen”. Diese Einschränkung trifft auf ein kleines Fusionsexperiment wirklich nicht zu, denn die dabei erzeugte ionisierende Strahlung ist zu gering, um solche Schäden anzurichten.
Jetzt bliebe noch die Zulassung bzw. verwaltungsrechtliche Pflicht bzw. Betriebserlaubnis für eine Quelle ionisierender Strahlung, die nach den entsprechenden Verwaltungsvorschriften bzw. der Röntgen-VO geregelt ist und besagt, dass jede Quelle ionisierender Strahlung unter gewisse Auflagen fällt. Aber auch hier gibt es ein Schlupfloch, denn sog. Störstrahler, also Geräte, die zwar ionisierende Strahlung erzeugen, bei denen das aber nur ein unerwünschtes Nebenprodukt ist, haben gewisse Freiheiten. Grundsätzlich zählt zu diesen Störstrahlern auch jeder Röhrenmonitor, der eben bei der Beschleunigung von Elektronen nebenbei ungewollte ionisierende Strahlung verursacht. Bei diesen Störstrahlern braucht man keine Genehmigung, sondern nur eine Anzeige und selbst diese kann sehr gering ausfallen, wenn Spannungen von 30kV nicht überschritten werden. Daher sehe ich kein Gesetz, was die Fusion im Kinderzimmer verhindern sollte.
Selbst der tolle Paragraph 307 des StGB , das Herbeiführen einer Explosion durch Kernenergie, zieht hier auch wieder nicht, weil, wie oben geschrieben, nichts und niemand wirklich geschädigt wird.
Ganz anders sieht das Ganze bei der Kernspaltung aus. Sobald ich induzierte Kernspaltung betreiben möchte, greift das AtG – egal, ob wir jetzt nun von einem richtigen Reaktor oder einer sog. “Kritischen Anordnung” oder nur einer chemischen Quelle sprechen. Sobald ich Kernspaltung erzeugen möchte, habe ich es mit riesigen Auflagen zu tun. Da bringt es auch nur bedingt etwas, das Ganze zu verkleinern. Zwar nutzt man dann grundsätzlich das “keinen Schaden” Schlupfloch von weiter oben aus und selbst Plutonium und Uran sind unterhalb der Freigrenze völlig legal, aber zum Einen braucht man für so ziemlich alle Anordnungen immer ein Mindestmaß an Material und wirklich alle Verwaltungsvorschriften, die hier natürlich auch gelten, zu umschiffen, sollte meiner Meinung nach unmöglich sein.
Da stellt sich dann auch schnell die Frage, was noch wirklich ein “Kernreaktor” und was “nur” eine chemische Strahlungsquelle ist. Diverse Versuche hat es ja in der Geschichte z.B. mit dem “radioaktive boyscout” durchaus gegeben. Die politische Komponente mit Dual Use, Proliferation etc. pp. möchte ich mal einfach außen vorlassen, da dabei ja erfahrungsgemäß die Regelungen immer so ausgelegt werden, dass es den Leuten gerade passt.
Also in einem Satz zusammengefasst kann man sagen, dass es durchaus möglich ist in Deutschland legal Fusion, aber keine Kernspaltung im heimischen Keller zu betreiben.
PS: Ich finde es übrigens sehr toll, dass es wohl in der Kriminalstatistik bis zu 7 Fällen von § 307 StGB https://de.wikipedia.org/wiki/Herbeif%C3%BChren_einer_Explosion_durch_Kernenergie
“Herbeiführen einer Explosion durch Kernenergie” gegeben hat. Wenn ich einen Eintrag im Vorstrafenregister haben sollte, dann doch bitte diesen … oder Verstoß gegen das Kriegsaffenkontrollgesetz, vor allem ohne das “w” 😉
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