Das hier ist Ultrahochvakuum - noch mal ne Nummer größer und besser *g*

Kernfusion ist doch das mit den riesigen Reaktoren und dem superheißen Plasma, wie im Inneren der Sonne, oder? Ja, grundsätzlich schon, aber das Ganze kann man auch kleiner, quasi im Keller bauen. Da bekommt man zwar nicht mehr Energie raus als man reinstecken muss, aber es ist immerhin echte Kernfusion, wo zwei Atomkerne fusionieren und dabei Energie und Neutronen produzieren. Genau das ist dem 12-14jährigen Jackson Oswalt 2018 bei sich zu Hause gelungen, womit er den vorherigen Altersrekord eines 14jährigen um eine paar Monate geschlagen hatte. Nicht nur für das Alter, in dem ich es gerade mal geschafft habe, ein paar LEDs auf eine Platine zu löten, ist das eine tolle Leistung, sondern auch im Allgemeinen. Mit den Ressourcen meines Institutes würde ich das zwar auch machen können, aber für eine Privatperson? Chapeau!

Aber mal zur Gebrauchsanweisung, wie er es angestellt hat. Dabei gehe ich allerdings nicht auf alle Details ein und orientiere mich erst mal nur an dem Foreneintrag im “Fusor.net”-Forum. Ich denke, dass wir nachher auch noch gerne über alle offenen Fragen in den Kommentaren diskutieren können.

Turbopumbe mit integrierter Vorpumpe und Vakuummesstechnik

Der erste Schritt ist eine vernünftige Vakuumkammer. Die Deuteronen müssen mit hohen elektrischen Feldern beschleunigt werden und wenn da noch andere Gase im Vakuum sind, passiert alles andere, nur keine D-D-Interaktion. Aus dem Bauch raus hätte ich ein Vakuum um die 10^-3 mbar benutzt und die Lektüre des Foreneintrags bestätigt meine Vermutung (10^-5 -10^-6 bar). Das lässt sich verhältnismäßig einfach mit einer Vakuumkammer aus CF-Flanschen, einer Membra- und einer Turbopumpe realisieren. Dichtungen mit normalen Gummi-O-Ringen und ein bischen Vakuumfett und alles ist okay. Die Bilder, die Jackson von seiner Kammer gemacht hat, zeigen auch UHV-Komponenten, die mit Cu-Dichtungen etc. theoretisch ein Vakuum von 10^-5 mbar erreichen könnten. Da müsste man dann aber schon ausheizen und/oder auskühlen und ob es das wert ist? Denn dabei heißt es jetzt nicht unbedingt, dass ein besseres Vakuum immer besser ist. Immerhin wird ja Gas injiziert. Da ist es wichtiger, einen stabilen Zustand hinzubekommen.

Vakuumflansch, nichts wirklich tolles.

Hier können dann auch schon die ersten Probleme auftauchen. Ohne professionellen (also guten *g*) Lecksucher dabei ein Mikroleck zu finden ist schon aufwendig und es kann durchaus passieren, dass man sich in der Konstruktion irgendwelche Gas-Reservoirs aufbaut, die dann noch Tage lang ausdünsten. Außerdem sind so Sachen wie Sichtfenster und Vakuumdurchführungen immer Schwachpunkte, die Ärger machen können.

Jetzt muss man das Gas injizieren und zwischen Anode und Kathode beschleunigen. Das ist auch dann der Punkt in dem ich am wenigsten Erfahrung habe. Unser kommerzieller Fusor arbeitet mit einer Plastikfolie mit Tritium, auf die die Deuteronen beschleunigt werden. D-T-Reaktion. Aber grundsätzlich kann man eine solche Folie auch mit D bekommen. Wenn das nicht hinhaut, dann muss man sich halt irgendwie ein Target basteln, auf dass man schießen darf. Da gibt es aber im Bereich Sputtertechniken und MBE genug Dinge, die 1001 mal ausprobiert worden sind. Einfach irgendwas übernehmen. Für die Injektion des Deuteriums sollte ein Nadelventil mit entsprechender Düse ausreichend sein.

Neutronen-Zählrohr mit professioneller Befestigung

Wenn dann die Deuteronen (oder anderen leichten Teilchen) aufeinandertreffen und die kinetische Energie hoch genug ist, dann passiert die Fusion auch schon von alleine. Diese muss man jetzt nur noch nachweisen und das macht man am besten, indem man die Neutronen zählt, die dabei entstehen. Da das mein absolutes Spezialgebiet ist und ich Stunden drüber schwafeln könnte, will ich gar nicht erst in Versuchung geraten. Jackson hat ein Neutronenzählrohr in einen Plastikblock (wird in Deutschland “Schwein” genannt) gesteckt und die durch das Plastik thermalisieren Neutronen gemessen. Dadurch, dass er Neutronen gemessen hat, kann er mit Sicherheit sagen, dass es Kernfusion gewesen ist und die Zählereignisse bzw. die Strahlung nicht von Bremsstrahlung oder ähnlichem herrühren. Da die schnellen Neutronen der Fusion nur nach dem Thermalisieren gemessen werden können, kann man auch hier noch mal während des laufenden Betriebs überprüfen. Schwein da -> Signal ; Schwein weg -> kein Signal => schnelle Neutronen => Kernfusion.

Jackson hat sicher Hilfe gehabt. Das Equipment allein kostet um die 10.000€ …mindestens und die Theorie und Erfahrung fällt sicher auch nicht vom Himmel. Sowohl Vakuum als auch “Plasma”, als auch Detektortechnik muss man einfach mal gemacht haben, bevor man es erfolgreich anwenden kann. Wenn wir einen neuen Doktoranden einarbeiten, dann rechnen wir für sowas immer mit ein paar Monaten für jede der einzelnen Disziplinen und die haben das ggf. schon im Studium mal gemacht. Soweit ich es verstanden habe, hat er mit 12 angefangen und dann mit 13 die erste erfolgreiche Fusion hinbekommen. Wenn ich daran denke, was ich in dem Alter gemacht habe… und ich war schon ein arg umtriebiger Geselle.

Ich hatte vor Jahren auch mal an einem Gymnasium unterrichtet und wenn ich mir jetzt vorstellen würde, eine Nachmittags-AG mit diesem Thema aufzubauen, bin ich mir nicht sicher, wieviele Leute ich bekommen könnte, die bei sowas mit Eigendynamik und mehr oder weniger selbstständig mitmachen könnten. Ich meine, unter klarer Anleitung und “Bau mir einfach mal nach und tu, was ich sage”-Attitüde findet man bestimmt Leute, aber Kinder – wir sprechen ja hier echt noch von Kindern – die das aus eigenem Antrieb schaffen und selber Problemlösungsstrategien entwickeln … nunja … Bewerbungen bitte an tobiascronert@gmail.com 😉

Kommentare (19)

  1. #1 schorsch
    24. April 2019

    Ist es nicht gesundheitlich einigermaßen bedenklich, im heimischen Hobbykeller einfach so Neutronen rumflitzen zu lassen?

  2. #2 Tobias Cronert
    24. April 2019

    Naja schon, aber das ist die Kreissäge auch ☢️

  3. #3 Jürgen
    24. April 2019

    Hallo,
    @schorsch

    theoretisch könnte jedes einzelne Neutron …, aber eben nur theoretisch.
    Tobias hat sicherlich schon mal was zur Wirkung von Schnellen/Thermischen Neutronen sowie zu stochastischen/deterministischen Strahlenschäden geschrieben.
    Bei dieser Fusion werden über die Laufzeit sicherlich nur ein paar bis einige paar tausend Neutronen freigesetzt. Die allermeisten davon werden den Raum/Gebäude mit fast Lichtgeschwindigkeit verlassen ohne irgendwelche Wechselwirkung zu erzielen von dem Rest werden nur sehr wenige überhaupt Gefährdete Stoffe/Gewebe erreichen bzw. wirksam treffen.
    Ohne jetzt alles genau nachgerechnet/geprüft zuhaben würde ich in 1. Näherung abschätzen, die effektive Dosis geht im natürlichen Rauschen unter.

    jürgen

  4. #4 ullix
    24. April 2019

    Irgendwie vermisse ich den Teil Beschleunigung. Ich habe also ein festes Target, sei es Deuterium oder Tritium, und beschiesse dies mit Deuterium. Welche Energien brauche ich, und womit erreiche ich diese? Wenn einfach nur elektrisches Feld verfügbar ist, komme ich doch nicht über wenige 10keV? Das reicht?

  5. #5 Tobias Cronert
    24. April 2019

    Was Jürgen sagt. Unser kommerzieller Fusor kommt zwar in Bereiche, in denen es Strahenschutztecnichbedenklich wird, aber das ist die absolute Leistungsobergrenze. Bei dem Experiment oben konntest du die Neutronen an einer Hand abzählen. Um da in sensible Bereiche zu kommenbrauchs du min. 1.000 mal so viel Power.

  6. #6 Tobias Cronert
    24. April 2019

    Ullix, ja das ist ja auch men Schwachtpunkt *g*

    Also mit 100kV und einer geeigneten geometrischen Konrtruktion mit einer feinen Sitze etc. kommst du schon auf GV/m. Die sind dann wegen der Geometrie auch ncoh in ihrer Emerie verteilt, sprich es sind immer noch ein paar mit höheren Energien dabei. Dass reicht dann für die Fusion. Plasmaphysiker rechnen sowas aus. Unsereins probiert einfach so lange herum, bis genug Ionen die gewünschte Reaktion zeigen.

  7. #7 Chris
    24. April 2019

    Moment.

    Du hast mal eben so ne Leukämie überwunden (oder auf gutem Wege dahin) und siehst aus wie ein Typ der grad aus der Mucki Bude kommt….

    Ist das ein altes Bild? Gut getroffen?

    Oder bist du einfach ne krasse Maschine 😀

  8. #8 Tobias Cronert
    24. April 2019

    😉 Sorry. Das Bild ist gut ein Jhr alt und war ein paar Monate vor der Diagnose.
    Aktuell sehe ich eher so aus
    mit +10kg wegen Wassereinlagerugen und Kortison und -20kg wegen Muskelschwund.

    Ich wurde gestern noch von Medizinstudenten für eine Examination missbraucht, an der der dozierende Arzt Schwangerschafttreifen vorführen konnte.

  9. #9 rolak
    24. April 2019

    altes Bild? Gut getroffen?

    Beides ja, Chris, zu 1. sagt EXIF: “2017:11:07”; zu 2. sag ich: imho.

  10. #10 Ma
    Aachen
    24. April 2019

    Wer ist denn dieser Professor Lecksucher und wo und was unterrichtet er?

  11. #11 rolak
    24. April 2019

    Wer ist?

    Kannste ma sehn, Ma: kaum macht sich Prof. ordentlich klein, kann man nur noch erkennen, daß er/sie kein Laie ist.

  12. #12 zimtspinne
    24. April 2019

    @ Tobias

    Bekommst du für solche Aktionen #8 eine finanzielle Zuwendung oder wenigstens einen Gutschein für die Studentenpizzabude (die sind ja meist sehr gut)?
    Ansonsten tät ich da ma nachhaken……….!

    Ich mach mir ja eher Gedanken, was aus diesem Jackson später mal wird, wenn der erstmal groß ist. Man möchte es sich lieber nicht vorstellen……!! ^^

  13. #13 zimtspinne
    24. April 2019

    Dieses Bild mit dem Gekabel erinnert mich an einen alten Film in einer Zukunft, in der die Wohnungen komplett verkabelt und verrohrt sind, da kommt dann immer extra ein Rohr- und Kabelmensch zur Wartung.
    Da gab es dann einen Guerilla-Kabeltechniker, der über die Fassaden einstieg und statt ordnungsgemäßer Kabelwartung ganz viele Provisorien und Überbrückungen einrichtete (damit die Leute nicht so lange auf die legalen Kabeltechniker warten mussten).
    ja, irgendwie musste ich jetzt an diesen Film denken, der ging ja nicht gut aus, Stichwort Kabelchaos.

    Man (frau) müsste dort mal richtig durchputzen, entwirren und Ordnung reinbringen.
    Dann könntest du auch wieder vernünftig schaffen 😀

  14. #14 Tobias Cronert
    24. April 2019

    Na toll. Jetzt lag ich erst mal 10 Minuten von Lachen auf dem Boden, weil vor meinem geistigen Auge mein Prof. um die MBE herumgeschlichen ist und nach Lecks geschnüfelt hat … ich mein, nicht dass das so abwegig wäre, der weis halt, was er tut … aber gerade deshalb.

    durchputzen, entwirren und Ordnung reinbringen.

    BIST DU DES WAHNSINNS?
    never touch a running System.

    Da steckt das Lebens(Blut) von bestimmt 7 Doktoranden (und der ein oder andere Finger) über drei Generationen drin, bis das Ding halbwegs funktioniert hat. SAKRILEG

    Ich muss wohl noch ein paar Beaut-Blogs schreiben bis mir irgendwo kostenlose Pizza angeboten wird. Ist aktuell aber defintiv ein Fernziel. Also falls das jemand liest …. ich bin billig!

  15. #15 T-Truckle
    25. April 2019

    @zimtspinne
    Du meinst den Film “Brasil”, oder? Ein richtig guter Film allerdings mit keinem guten Ausgang.

  16. #16 Ccc
    25. April 2019

    Wie kann man denn 12 bis 14 jahre alt sein?
    Zeitreisender oder time flux in der Anlage?

  17. #17 Tobias Cronert
    25. April 2019

    Als er mit dem Experiment begonnen hat, war er 12 und mit 13 ist ihm angeblich die erste Fusion geglückt. Bei der ersten Nachgewiesenen war er dann 14 und heute aktuell müsste er 15 Jahre alt sein. … soweit ich das verstanden habe.
    Die Physik ist ein Kontinuum, oder so.

  18. #18 Marius
    Entenhausen
    21. Mai 2019

    Dein bild feier ich echt megaa. sihst frisch aus. aner du hast geschrieben dass banan radioaktiv strahlen? wieso hälst du sioe an deinen opf

  19. #19 Tobias Cronert
    21. Mai 2019

    Na weil das ein Bananaphon ist und ich damit telefonieren möchte.