Mit totaler High-Tech Ausrüstung herumspielen zu dürfen, ist ein wesentlicher Punkt, warum ich diesen Job überhaupt mache und Sätze wie “Ich habe Deutschlands modernsten Kernreaktor eigenhändig mit einem Stück Panzertape ‘repariert’” sind nicht nur ein toller Satz im Lebenslauf bei der nächsten Bewerbung, sondern auch ein super Gesprächseinstieg auf einer Party. Naja, die Art von Party, die man mit: “Hey Baby, willst du mal meine Turbomolekularpumpe sehen?” verlässt – auf dem einen oder anderen Weg 😉
Als ich letztens hier erklärt habe, wie der 14jährige Jackson in seinem Kinderzimmer eine stabile Kernfusion hinbekommen hat, da habe ich zur Bebilderung Fotos von meinem Laborequipment genutzt, die er in ähnlicher Form auch verwendet haben wird. Dabei ist mir aufgefallen, dass davon noch hunderte mehr auf meiner Festplatte herumliegen und Staub ansetzen, obwohl sie doch, zumindest für einen gewissen Teil der Leserschaft hier, durchaus interessant sein dürften. So will ich nun die Miniserie – Zeig her dein Laborequipment – ins Leben rufen und immer mal wieder unter einem groben thematischen Zusammenhang etwas von meinem Spielzeug vorstellen, in der Hoffnung, das etwas von meiner Begeisterung überspringt.
Ein Kryostat ist ein Behälter, in dem sehr tiefe Temperaturen erzeugt und gehalten werden können. Also unterm Strich nur ein Kühlschrank. Das kann aber bei wirklich tiefen Temperaturen von flüssigem Helium (4K aka -270°C) schon schnell mal kompliziert werden. Die meisten Kryostate verfügen über mehrere Vakuum-Kammern, um die zu kühlende Probe von der Umgebung zu trennen. In der Regel benutzt man billigen flüssigen Stickstoff für die erste Stufe und als Hitzeschild (bei 70K oder -200°C) und dann flüssiges Helium für den letzten Schritt runter bis 3-4K. Das Vakuum sollte von einer guten Qualität bei ca. 10^-3 mbar sein, damit die mittlere freie Weglänge der Restatome im Vakuum unter Kühlung kleiner wird als die Größe der Vakuumspalte (1-2cm). Damit wird verhindert, dass die Wärme per Konvektion oder Kinetik übertragen werden kann. Wenn dann nur noch Strahlung als Wärmeübertragung bleibt, dann kann so ein Kryostat mit gutem Vakuum auch mal Tage und Wochen ohne zusätzliches Kühlmittel auskommen. Wenn man die Bauteile poliert und/oder sehr dünne Alu/Isolationsfolie (100-1000 Schichten) mit einsetzt, dann kann man den Austausch über die Strahlung auch noch weiter verringern. Ein Vakuum von 10^-3 mbar verringert sich selber beim Runterkühlen durch Ausfrieren der letzten Moleküle auf 10^-5 mbar.
Irgendwo wird immer ein thermischer Kontakt entstehen. Da gilt es dann, Fläche und Wärmeleitfähigkeit zu reduzieren. Ein paar Edelstahlsorten und Spezialplastik wie Vespel sind da gute Kandidaten. Kabeldurchführungen für Sonden etc. sind Schwachstellen und Wärmeleiter, deswegen benutzt man kein Kupferkabel, sondern Edelstahl, Constantan oder ähnliches. Sonst braucht mal halt mehr Power, sprich Kühlleistung. Flüssiger Stickstoff kostet mit 1€/L quasi nix und damit kann man jede Menge Wärme abtransportieren. Bei Helium wirds schon wesentlich teurer. Auf der He-Stufe sollte die Kühlleistung nur noch 1-2W betragen… maximal.
Ich war absichtlich mit den Temperaturen etwas schluderig, denn oft werden die Kryostate tiefer als mit Raumdruck betrieben. Damit kann man dann mit flüssigem He auch noch auf 2-3K runterkommen, was ganz cool ist, wenn man im Hinterkopf behält, dass das Weltall ganze 2.7K warm ist (kosmische Hintergrundstrahlung). Mit He4/He3 Mischkryostaten und anderen Techniken kann man sogar noch in den 0.0X Bereich runter und da gibt es eine eigene Disziplin der Tieftemperaturphysik für. Wenn man keine Lust hat, jede Menge Gas in so ein Ding reinzukippen, dann kann man auch eine (mehrstufige) Wärmepumpe mit He als Austauschgas benutzen. 4W Kühlleistung auf 4K kostet ca. 140k€, läuft dann aber ohne Kühlmittel.
Kleine Anekdote: An einer Uni in der DDR kurz nach dem zweiten Weltkrieg gab es dann kein Helium aus den USA mehr. Daher hat man (vorübergehend) Wasserstoff statt Helium als Kühlmittel benutzt, welches natürlich durch die Mikrolecks in die Umgebung entkam und sich unter der Labordecke sammelte. Daher musste die letzte Doktorandin am Abend immer, nachdem sie alle Geräte und Gase abgestellt hatte, einen Besen anzünden und damit unter der Decke herumwedeln um den letzten Wasserstoff zu verbrennen, damit sich nicht über Nacht irgendwo explosionsfähige Gemische bilden konnten.
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