Kristallenergie ist nicht nur das, wovon die Esoterikheilerinnen auf den entsprechenden Fachmessen herumschwurbeln, sondern auch die Art von Proben, mit denen ich mich während meiner Diplomarbeit befasst habe. Das haben in Köln nicht nur meine Arbeitsgruppe und ich gemacht, sondern das halbe Institut. Denn wir sind Festkörperphysikerinnen und beschäftigen uns eben mit Kristallen und auch in Jülich bin ich erst mal in der Festkörperphysikerinnen Gruppe gelandet, bis wir dann am Ende meiner Promotion genug Mitarbeiterinnen an der neuen HBS-Neutronenquelle zusammen hatten, um ausgegliedert zu werden und unsere eigenen Subabteilung aufzumachen, in der wir nur noch drei richtige Festkörperphysikerinnen unter Chemikerinnen, Ingenieurinnen und Simulantinnen sind.
Was Festkörperphysikerinnen als Kristalle bezeichnen ist noch mal leicht anderes, als was Kristallographinnen mit Kristallen meinen und sicher was gaaaanz anderes, als sich die normale Bevölkerung unter einem Kristall vorstellt. Aber fangen wir mal dort an, wo wir uns noch einig sind. Dies hier ist ein Rubin, den ich selber im Spiegelofen gezüchtet habe. Eine Beschreibung, wie das funktioniert hatte ich mal an einem Valentinstag hier veröffentlicht. Da ein Rubin bzw Saphir (chemisch gesehen sind die fast das Gleiche (Al2O3 mit entsprechender Dotierung)) physikalisch ziemlich uninteressant sind habei ich sie als Probenhalter für meine echten Kristalle benutzt. Da hat dann Saphir wieder viele Vorteile, denn die sind super Wärme/Kälteleiter bei niedrigen Temperaturen und elektrische Isolatoren, beiden Eigenschaften brauchte ich in dem Moment und habe deshalb meine Rubine recycled, die ich vorher mit Schülern im Schulpraktikum hergestellt hatte.
Dann gibt es Kristalle, wie diesen Silizium-Einkristall, der im Czchoralski-Verfahren aus der Schmelze gezogen wurde. Daraus werden normalerweise Computerchips hergestellt, aber auch die Streuleute können damit viel Anfangen, weil man sie relativ leicht und relativ groß herstellen kann (das Ding hier ist eher klein), viele Reflexe abgibt und die Struktur sehr einfach ist. Also damit werden Detektoren und Geräte getestet, weil es eben so einfach ist. Das sieht jetzt nicht mehr unbedingt hübsch aus und ich beginne langsam die Esoterikerinnen zu verlieren.
Die kann ich aber noch mal kurz einfangen, mit einem hübschen Selenit Kristall, den ich tatsächlich im Kristall-Esoterikshop für 15€ als “Kristall-Massagestab” eingekauft habe. Als ich unserer Haus Kristallographin den Gutschein über 20% auf den nächsten Einkauf geben wollte hat sie mich beinahe erwürgt … irgendwie scheinen da berufsbedingte Spannungen zu bestehen.
Grundsätzlich sind Kristalle unsere Proben, die wir auf ihre besonderen Eigenschaften hin untersuchen. So wie Biologen das z.B. mit Proteinen tun. Deshalb montieren wir sie dann auf bestimmte Probenhalter und lassen kleine Teilchen dran streuen um Bilder auf dem Detektor und damit verwertbare Informationen zu bekommen.
Unterm Strich bezeichnen wir Festkörperphysikerinnen jeden Festkörper mit einer periodischen Struktur als “Kristall”. Auch Schichten, die nur mehrere Atomlagen dick sind und periodische Anordnungen von Nanokristallen – sog. Mesokristalle – … und an diesem Punkt habe ich dann auch erfolgreich die Kristallographinnen abgehängt. Ich hoffe euch aber weiter einen netten Einblick gegeben zu haben und verabschiede mich dann bis Teil 3 in der Reihe. Da mache ich dann entweder Öfen oder Detektoren.
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