In den Kommentaren unter besagtem Artikel ist es zwar nur bedingt aufgekommen, aber dafür hat es mich an mehreren anderen Stellen, vor allem in persönlichen Konversationen, eingeholt. “Gibt es wirklich keine erhöhten Mutationen, bei Kindern von Strahlenpatienten? Meine Erfahrung und die mir bekannten Studien sagen etwas anderes.”
Die klare Antwort darauf ist Nein! und JA! Und dafür muss ich tatsächlich noch ein wenig weiter ausholen und mich noch mal klarer ausdrücken. Die LSS-Studie sagt, dass die Kinder der Atombombenüberlebenden, die nach den Atombombenexplosionen gezeugt wurden keine erhöhte Wahrscheinlichkeit haben Krebs zu bekommen. Das ist so auch erst mal richtig so (nach dem aktuelle Stand der Wissenschaft). Das andere Studien und andere Lehrmeinungen etwas anderes sagen … ja das stimmt auch. Der Teufel liegt im Detail.
- Detail 1.)
Die LSS-Studie spricht von Krebsfällen bei Kindern von Verstrahlten. Sie sagt nichts darüber aus ob bzw. wie viele Mutation diese Kinder haben. Es sind bei der LSS keine flächendeckenden Gentests gemacht worden, die darüber eine Aussage treffen könnten.
- Detail 2.)
Die Atombombenüberlebenden haben eine rel. hohe Dosis an gemischten Neutronen und hochenergetischen Gamma Felder abbekommen. Nach aktuellem Stand der Wissenschaft kann das auf niedrige Dosen und andere ionisierende Strahlung extrapoliert werden. Diese Theorie hat aber viele Zweifler (siehe LNT-Theorie) die bezweifeln, dass man die Ergebnisse einfach auch für Niedrigdosen durch Röntgen (oder so) benutzen kann.
- Detail 3.)
Bei der LSS-Studie geht man (mehr oder weniger) davon aus, dass während Zeugung und dem Aufwachsen der Kinder keine erhöhte Strahlung und/oder Inkorporation vorhanden gewesen ist. Dies gilt natürlich nicht für Kinder die in der Nähe von Tschernobyl gezeugt, ausgetragen und aufgewachsen sind.
- Detail 4.)
Die LSS-Studie trifft keine Aussage über die Anzahl an Geburten bzw. Fehlgeburten aufgrund der Strahlenexposition. Wenn eine Person durch die Atombomben unfruchtbar geworden ist, dann kann sie natürlich auch keine Kinder bekommen, die Krebs bekommen könnten. Richtig unfruchtbar wird man bei hohen Dosen.
Das heißt mit den speziellen Aussagen, können auch zwei oder mehrere Studien “richtig” sein, auch wenn sie sich auf den ersten Blick widersprechen. Wie gesagt, der Teufel liegt im Detail und man muss schon sehr aufpassen, welche Aussage man genau belegt haben will. Bis dahin ist die LSS, wie gesagt, die beste Studie, was die Datenlage angeht da über 120.000 Personen für über 70 Jahre kontinuierlich begleitet wurden. Da kommt keine andere Studie auch nur annähernd heran.
Ich möchte aber hier die Gelegenheit nutzen und noch ein wenig auf Detail 2.) herumhacken. Meine persönliche Meinung ist eben, dass man hohe Dosen harter Strahlung nicht einfach mit niedrigen Dosen weicher Strahlung vergleichen kann. Aufgrund der mikroskopischen Wirkmechanismen. Der lineare Energietransfer (LET) ist für Neutronen und harte Gammas einfach wesentlich höher. Daraus folgt das pro Dosis mehr direkte DNS-Schäden und weniger oxidativer Stress erzeugt wird. Daraus folgt mMn, dass mehr Zellen pro Dosis absterben und weniger Zellen mutieren aber weiterleben. Das würde dazu führen, dass pro Dosis bei hohen Dosen und harter Strahlung weniger Krebs entsteht, wenn man Reparaturmechanismen außer Acht lässt.
Die Atombombenüberlebenden sind mit ihrer Dosis teilweise schon bei meiner netten Grafik zum Stochastischen Effekt von ionisierender Strahlung in dem Bereich wo die rote Linie eben keine Linie mehr ist, sondern einen Knick macht. Dieser Knick ist durchaus Teil einer fortwährenden Diskussion, aber bei so hohen Dosen weitaus akzeptierter, als irgendwelche Abweichungen von den linearen Verhalten im Niedrigdosisbereich.
Also um noch mal auf den ursprünglichen Artikel zurückzukommen. Passt auf die exakte Aussage der jeweiligen Studie auf. Auch wenn sie sich ggf. auf den ersten Blick widersprechen muss das beim zweiten und dritten Blick schon gar nicht mehr so sein. Teufel und Detail und Kleingedrucktes und so.
Kommentare (2)