Es ist Jahrestag! Diesmal nicht nach der Diagnose, sondern nach der Stammzellentransplantation. Das, was viele Patienten als ihren zweiten Geburtstag feiern und das, wie selbst ich zugestehen muss, einen gewissen, bedeutenden Wendepunkt in der ganzen Krankheitsgeschichte/Leben darstellt, ist jetzt ziemlich genau ein Jahr her.
Wie man meinen regulären Tagebucheinträgen entnehmen kann, ist die Situation nicht die beste, aber eben auch nicht die schlechteste. Irgendwo dazwischen. Ein paar Krebszellen sind wieder zurück, aber es sind zum Glück noch so wenig, dass die mittelmäßigen Medikamente (TK-Inhibitoren, Dasatinib) ausreichen und keine schweren Geschütze aka. hardcore Chemo-Therapie aufgefahren werden müssen. Gleichzeitig bin ich noch aufgeblasen wie ein Pufferfisch und schleppe 10kg Wassereinlagerungen und billiges Kortison-Fett mit mir in der Gegend herum und mein neues Immunsystem ist der Meinung immer mal wieder ein bischen meinen eigenen Körper attackieren zu müssen. Das Ganze führt dazu, dass ich keinen Sport oder sonstige körperliche Belastung ausüben kann und meist noch nicht mal die Konzentration aufbringe, um vernünftig was am Rechner zu tun. Tja, vor drei Monaten sah es da noch wesentlich besser aus.
Auf der positiven Seite: Ich lebe noch! *g* Naja, das ist gar nicht so selbstverständlich und bei dem einjährigen Jubiläum durchaus ein guter Tag, um das mal entsprechend zu würdigen. Dass ich es bis hier hin geschafft habe, heißt dann auch, dass meine Chancen, es bis in die 50 zu schaffen, durchaus zugenommen haben. Wie schon oft gesagt, waren die Heilungschancen bei meiner speziellen Art der Leukämie vor 20 Jahren noch wesentlich schlechter und dafür kann man auch schon mal dankbar sein. Was ich mit meinem tollen zukünftigen Leben machen werde? Da lasst uns doch mal in einem weiteren Jahr drüber reden, wenn ich wieder ein paar mehr cerebrale Kompetenzen in den Ring werfen kann als aktuell.
Habe ich mich stark im letzten Jahr, bzw. den letzten anderthalb Jahren verändert? Hm, schwierige Frage und eine, die wahrscheinlich andere Leute beantworten müssten und nicht ich. Und vielleicht sollte man damit auch noch ein Jahr warten, oder so. Ich denke, dass ich mich nicht sehr verändert habe. Mein Mitgefühl für BS aka “Erste-Welt-Probleme” war früher auch schon recht bescheiden und ich kann wenig Toleranz für Leute aufbringen, deren größtes Problem darin besteht, dass an ihrem Arbeitsplatz die Parkplatzsituation so bescheiden ist, dass sie 15min länger jeden Morgen brauchen oder der Küchenmonteur die Küche falsch eingebaut hat. Dass meine Probleme auch sehr relativ sind ist mir letztens erst wieder bewusst geworden, als ich ein längeres Gespräch mit einer Freundin hatte, die als Entwicklungshelferin in El Salvador arbeitet und gerade mal wieder auf Landgang in Deutschland war. Aber fundamental nichts neues an der Front.
Mich nerven weiterhin Menschen, die dumm in der Gegend herumstehen. Sei es, dass sie mit ihrem Einkaufswagen die ganze Reihen blockieren oder auf dem Gang im Krankenhaus in der Mitte so langsam herumschlurfen, dass einem nichts anderes übrig bleibt als sich an der Seite vorbeizuquetschen. Das gilt, obwohl ich selber oft genug in der Situation bin, aus gesundheitlichen Gründen nur so schnell schlurfen zu können, dass ich noch vom rüstigen Rentner im Rollator überholt werde. Aber ich bemühe mich zumindest, Platz zu machen und ein wenig achtsam und aufmerksam meinen Mitmenschen gegenüber zu sein und nicht zu sehr den Verkehr aufzuhalten… Arghs… naja, wie auch immer.
Ich finde es schon etwas betrüblich, dass ich zum einjährigen Jubiläum nicht viel mehr sagen kann als: Ja, bei mir geht es erst mal weiter, wie gehabt. Man muss Geduld haben und Rom wurde nicht an einem Tag erbaut etc. pp. aber das ist leider die aktuelle Situation. Ich werde euch hier weiter auf dem Laufenden halten und soweit es meine Konzentrationsfähigkeiten erlauben, mal wieder das ein oder andere interessante nuculare Thema aufgreifen, das ich so im Internet finde. An der arbeitstechnischen Front gibt es leider auch keine großen Neuigkeiten und es ist eben auch ein wenig schade, dass ich keine lustigen neuen Anekdoten aus der Neutronenphysik berichten kann. Naja, das wird sich auch hoffentlich bald mal wieder ändern und darauf freue ich mich schon sehr.
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