Verhalten gute Nachrichten. Die Anzahl an Krebszellen geht zurück, das heißt, dass das neue Medikament (TKI, Dasatinib) seinen Dienst tut und funktioniert und wie vorerst nicht auf harte Geschütze aka harcore Chemo umsteigen müssen. Zur Zeit liegt das Verhältnis im Blut bei 10^-4 im Gegensatz zu dem letzten Messergebnis von 10^-3. Die Nachweisgrenze ist bei 10^-5 und damit quasi unser vorläufiges Ziel in der Behandlung. Wenn wir diese längere Zeit stabil erreicht haben und gleichzeitig die Immunsuppressiva losgeworden sind, dann können wir endlich mal Antibiotika und antiviralen Medikamente absetzen. Das wäre mal ein echter Zugewinn an Lebensqualität.

Die Ergebnisse von der letzten Knochenmarkpunktion habe ich quasi jetzt erst bekommen und die sind mit 10^-2 leider gar nicht mal so toll. Zeitlich gesehen stammen sie vom gleichen Zeitpunkt, wie das 10^-3 er Ergebnis aus dem Blut, aber man kann halt Blut und Knochenmarkwerte nicht unbedingt 1:1 vergleichen. In meinem Fall könnte das allerdings heißen, dass in meinem Knochenmark mehr Krebszellen sind, als in meinem Blut. Diese Erkenntnis wäre auch im Einklang mit dieser komischen Clusterbildung, die wir im MRT gesehen hatten und die für ALL eigentlich atypisch ist. Naja, egal was es nun genau ist, es würde vorerst nichts an meiner Behandlung ändern, also brauchen wir uns darüber auch nicht verrückt zu machen.

Derweil habe ich weiter mit einer mittleren Graft vs. Host Reaktion zu kämpfen. Das heißt mein neues Immunsystem ist etwas hyperaktiv und greift weiterhin meinen eigenen Körper an. Daher können wir die Immunsuppressiva noch nicht absetzen, aber zumindest mit dem normalen Kortison können wir endlich mal ein wenig sparsamer umgehen. Normales Kortison heißt hierbei das stinknormale Prednisolon, dass auch die Katze meiner Mutter bekommt. Weiter dabei bleibt das spezielle Kortison, dass nur lokal im Darm wirkt und nicht von der Leber aufgenommen wird und in den Blutkreislauf gelangt. Das soll aber weniger von den üblichen Nebenwirkungen haben.

Ansonsten war ich bei der Dissertation/Verteidigung einer Kollegin an der Uni. Wenn man geforscht und darüber seine Doktorarbeit geschrieben hat, dann muss man traditionell diese Doktorarbeit vor der Uni bzw. Fakultät vorstellen und sie in einer Fragerunde vor einem bestimmten Publikum verteidigen. Erst danach darf man Doktor genannt werden … also wenn man diese Fragerunde bestanden hat. Diese Prozedur ist voll mit Traditionen und Regeln die von Fakultät zu Fakultät unterschiedlich sind. Manchmal ist die Verteidigung offen für jedwedes Publikum, manchmal offen nur für die Fakultät und manchmal nur für die drei Prüfer. Wieviel Zeit man für die Präsentation hat ist auch immer sehr unterschiedlich, ebenso, wie die Zeit für die Fragenden.

Mein alter Chef in Köln war gleichzeitig auch der Vorsitzende des Uniweiten Doktorandenausschusses. Er motivierte seine eigenen Doktorenden gerne mal mit dem dem Spruch: “Ich glaube vor 4 Jahren ist mal jemand in der Biologie bei der Prüfung durchgefallen.” Äh ja interessanterweise hat sich diese 4 Jahres Grenze in den 3 Jahren in denen ich “Leute aus der AG kannte” nicht geändert. Unterm Strich ist es sehr selten, dass man wirklich jemand durch diese Prüfung fällt. Das hängt vor allem daran, dass die entsprechenden Professoren, die ihre Ph D Kandidaten der Fakultät vorstellen, schon penibel darauf achten, dass diese auch den Qualitätsansprüchen genügen, die man an sie stellt. Jemand, der durch die Prüfung fällt, wäre eine große Schande für den Doktorvater/Professor, der sich dann von seinen Kollegen die Frage gefallen lassen muss, warum er so einen unwürdigen Kandidaten überhaupt aufgenommen hat.

In der Realität ist die Antwort auf diese Frage meist simpel “Geld”. Ein Doktorand kostet weitaus weniger, als ein regulärer Arbeiter und wenn ein Professor sein Mitarbeiter Budget optimieren will, dann stellt er besser mal ein paar Doktoranden ein. Aber dabei will er sich natürlich nicht erwischen lassen, vor allem nicht von seinen Kollegen, die vor dem gleichen Problem stehen. Sprich, im Idealfall reguliert sich das System von selber.

Aber ich schweife weiter ab. Ich habe Post bekommen von der Berufsgenossenschaft. Diese hat meinen Widerspruch, den ich ja auch hier mal ausführlicher diskutiert hatte, zurückgewiesen. Jetzt bleibt mir nur noch die Möglichkeit innerhalb von drei Wochen (oder so) Klage beim Sozialgericht einzulegen. Ob ich das tatsächlich machen will muss ich mir jetzt mal schwer überlegen. Schwer überlegen heißt, dass ich erst mal meine Rechtsschutzversicherung anrufe und dann mit meinem Anwalt überlege inwiefern sich das ganze überhaupt lohnt. Mit der Zurückweisung kam auch wieder ein fünfseitiger Bericht der Fachabteilung Strahlenschutz, warum der Bescheid zurückgewiesen worden ist. Darauf freue ich mich ja immer besonders, da es ja ein erklärtes Hobby von mir ist mit fremden Leuten über Strahlenschutz und dergleichen zu philosophieren … ich betreibe da so einen Blog … vielleicht haben manche Leser hier schon mal was davon gehört *g*.

Dieser Bericht war aber beim ersten Lesen erst mal eine kleine Enttäuschung. Er ist zwar einzeln auf alle meine Punkte aus meinem Widerspruch eingegangen, aber hat sich de facto nur vor seinen Rechner gesetzt und Sachen runtergetippt. Er hat keine zusätzlichen Informationen eingeholt oder Arbeitsorte besichtigt oder sonstwas. Das bestätigt meine Vermutung vom ersten Gutachten ein wenig, dass die Strahlenschutzabteilung der BGETEM einfach faul ist bzw. sich wenig Arbeit machen möchte. Inwiefern das für mich von Vorteil ist muss ich noch ausloten, wenn es geht hier leider nicht nur um die Wissenschaft dahinter, sondern auch um die Gesetzgebung. Ganz konkret ist der springende Punkt (der mich ggf. den Fall kosten kann) die Regelung, dass laut BK-Recht die haftungsbegründenden Expositionsumstände nachgewiesen werden müssen. Sprich in gewissem Sinne eine Beweislastumkehr vorliegt. Ich werde dazu mal einen eigenen Artikel schreiben, sobald ich mehr weis.

Die Crux an der Sache ist, dass ich das ganze ja eigentlich nur mache um ein Licht auf die Sache zu werfen und die Beteiligten dazu zu bekommen quasi rechtsverbindliche Texte zu verfassen. Wenn sich aber nur der Gutachter (oder nachher die Gutachter des Sozialgerichtes) das Leben leicht machen und sich nur einfach ein Stündchen vor den Rechner setzen um etwas herunterzutippen … ja dann kann ich mir den ganzen Zinober ja auch schenken. Naja erst mal mit dem Anwalt sprechen und gucken ob man die faule Bagage in der BGETEM nicht doch noch zum Arbeiten kriegen kann.

 

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Kommentare (13)

  1. #1 noch'n Flo
    Schoggiland
    17. Oktober 2019

    Weiterhin alles Gute und viel Kraft! Möge das Mark mit Dir sein.

    Er ist zwar einzeln auf alle meine Punkte aus meinem Widerspruch eingegangen, aber hat sich de facto nur vor seinen Rechner gesetzt und Sachen runtergetippt. Er hat keine zusätzlichen Informationen eingeholt oder Arbeitsorte besichtigt oder sonstwas.

    Sowas kenne ich leider nur allzu gut – beruflich wie privat.

  2. #2 RPGNo1
    17. Oktober 2019

    @Tobias Cronert

    Zeige den Krebszellen, mit wem sie sich angelegt haben. Alles Gute und weiterhin viel Kraft.

    Er ist zwar einzeln auf alle meine Punkte aus meinem Widerspruch eingegangen, aber hat sich de facto nur vor seinen Rechner gesetzt und Sachen runtergetippt.

    Kommt mir irgendwie bekannt vor.
    Kunde/Behörde verlangt irgendwelche Erklärungen/Dokumente von der Firma.
    Wir weisen höflich darauf hin, dass diese Forderung nicht in den Regularien steht.
    Kunde/Behörde kopiert seine erste Antwort und ergänzt ein paar nichtssagende Beisätze.
    Wir weisen nochmals höflich, aber auch mit deutlichem Verweis auf die Quellenlage logisch argumentierend darauf hin, dass er falsch liegt und wir die Erklärung/Dokumente nicht liefern werden.
    Kunde/Behörde blablabla

    Fazit: Kunde/Behörde hat entweder keine Lust, gründlicher zu recherchieren, denn das macht Arbeit(!). Oder noch schlimmer, sie haben keinen blassen Schimmer, worüber sie überhaupt diskutieren, und verschanzen sich hinter Paragraphen und Worthülsen, um ihre Unwissenheit zu kaschieren.

  3. #3 Tim
    17. Oktober 2019

    @ Tobias Cronert

    dann können wir endlich mal Antibiotika und antiviralen Medikamente absetzen.

    Was genau ist das Unangenehme daran? Allgemeine Schlappheit? Nebenwirkungen?

  4. #4 stone1
    17. Oktober 2019

    dass das neue Medikament seinen Dienst tut und funktioniert

    Na, das hört man ja gerne.
    Wird denn die Graft vs. Host Reaktion mit der Zeit von selbst schwächer damit Du irgendwann auch auf die Immunsuppressiva verzichten kannst? Sorry falls Du dazu schon mal was geschrieben hast, ist mir entweder entgangen oder ich habs wieder vergessen.

    Auf jeden Fall weiterhin Ohren steif und die Krebszellenanzahl klein halten. Alles Gute.

  5. #5 Tobias Cronert
    17. Oktober 2019

    Tja, notfalls muss man die halt vor Gericht dazu bringen den Hintern hoch zu bekommen. Aber im Zweifelsfall ist es für mich halt schon von Vorteil, wenn die ihre Arbeit nicht vernünftig machen … hoffen wir mal. 😉

    Ansonsten ja, vorallem die viralen Medikamente schlagen schon arg aufs Knochnemark und reduzieren die Trombozyten, das Hämoglobin etc. pp. vorallem letzteres macht schlapp, auch im Kopf. Dazu kommen zitternde Finger, Harausfall, Ödeme usw.
    Aber unterm Strich läuft alles.

    Wenn das Immunsystem mitspielt und keine GvHd mehr macht, dann können wir die Immunsuppresiva absetzen. Aber wann das soweit ist? Gedult und so hab ich mir sagen lassen.

  6. #6 Peter K.
    18. Oktober 2019

    Hallo Tobias,
    mit Deiner ALL das ist ja wirklich eine Never-Ending-Story – da könntest Du ein Buch drüber schreiben. Aber mal eine andere Frage: Gesetzt den Fall Du ziehst vor Gericht – und gewinnst. Außer dem theoretischen Lustgewinn – was hättest Du praktisch von Deinem “Sieg”?#
    Gute Besserungswünsche
    Peter

  7. #7 Till
    18. Oktober 2019

    @Peter K.
    So lange die Berufsgenossenschaft zahlt, ist Tobias quasi privat versichert und bekommt die entsprechenden Vorteile (kürzere Wartezeiten auf Termine, Einzelzimmer, Behandlung vom Oberarzt, weniger/keine Zuzahlung zu Medikamenten/Physiotherapie etc.).

  8. #8 Tobias Cronert
    18. Oktober 2019

    Joa, was Till sagt + das das ganze auch für Folgeerkrankugen etc. gilt.

    Ggf hat das dann auch noch Auswirkugen auf die Strahlenschutzmaßnahmen in meinem Job. Ich rechne halb damit, dass wenn ich wieder arbeite einen Anruf vom zentralen Strahlenschutz bekomme mit “Herr Cronert, sie müssen beim HBS die Strahlenschutzmaßnahmen nach Blatt c und d ändern, es hat uns irgendein Idiot verklagt.” 😉

  9. #9 Dr. Webbaer
    19. Oktober 2019

    Wichtig ist, dass Sie wieder vollständig genesen, werter Herr Cronert, diese rechtliche Sache ist für den Schreiber dieser Zeilen interessant, aber der hält sich mit Einschätzung zurück, dies hier – ‘Ein Doktorand kostet weitaus weniger, als ein regulärer Arbeiter und wenn ein Professor sein Mitarbeiter Budget optimieren will, dann stellt er besser mal ein paar Doktoranden ein.’ – deutet auf einen unbefriedigenden Zustand hin, wenn “Hard Science” gemacht wird.

    Ihnen alles Gute und danke für Ihre Nachrichten.

    Mit freundlichen Grüßen
    Dr. Webbaer

  10. #10 NHL-Opfer
    19. Oktober 2019

    Über Jahrzehnte sollte sich global Vergleichbares angehäuft haben.
    Daraus das Optimum für die Lebenserwartung ableiten und die neuesten Entwicklungen einbeziehen.
    Lokalen Behandlungseinrichtungen könnte einiges daraus entgehen.
    Sofort denkt man an KI, die in komplexesten Zusammenhängen eruieren könnte.
    Data analysis im beginnenden KI-Zeitalter.
    Konditionierung fremder Immunsysteme erscheint Laien als ein tief in das Leben führender Erkenntnispfad mit vielen weiteren Effekten.
    DNA als codierte hardware modifizieren könnte uns einen Jungbrunnen erschießen.
    Zelltypspezifisch Codesequenzen ersetzen oder entfernen, Telomere regenerieren.
    Es geht zäh voran, weil sich viel zu wenige damit befassen während die Spezies mit von ihr erzeugten Konfrontationen unsere Zeit vergeudet.
    Z.B. statt Brexit forever young wenigstens als EU-Projekt.
    Je älter wir werden, desto wahrscheinlicher droht ein elendes Ende.

    • #11 René
      21. Oktober 2019

      Ähm, was bedeuten diese Wörter? O.O

  11. #12 Sommerwind
    21. Oktober 2019

    Lieber Tobias,
    ich drücke dir so fest die Daumen. Was sind das für “Krebszellen”, die in deinem Knochenmark nachgewiesen wurden?
    Bei mir werden immer die Blasten gecheckt und Zellen, die eine bestimmte Mutation aufweisen (FLT3). Bei dir ist es wahrscheinlich auch so eine spezifische Mutation, die dann mit dem Medikament *tinib bekämpft wird?

    Ich nehme auch so ein *tinib und setze lebensrettende Hoffnung drauf gegen die Wiederkehr der AML. Das zerstört allerdings ganz schön das Blutbild und ich bewege mich mit sehr wenig Leukozyten durch die (dadurch sehr kleine) Welt. Das ist bei dir vermutlich ähnlich?

    Bei wieviel Prozent liegt denn dein Chimärismus?

    Alles alles alles Gute!!!

  12. #13 Tobias Cronert
    23. Oktober 2019

    Hiho,

    also bei mir wird immer nach einer BCR/ABL Translokation gesucht. In meinem B-Zellen Lebenszyklus werden da auch fröhlich Blasten produziert und dann mit *tinib kaltgestellt. Also aktuell. Zum “Glück” hab ich da einen rel. klassischen Philadelphia “Stamm” abbekommen.

    Das Blutbild wird aktuell mehr von den Antiviralen Medikamenten zerpflückt, aber grundsätzlich ist es natürlich eine Gesamtleistung.

    Mein Chimerismus war nach der Transplantation immer bei 100%, aber da sind bei mir die MRD Werte aussagekräftiger.