Als ich das erste mal Japanerinnen in der Grippesaison in Düsseldorf mit diesen OP-Masken herumlaufen sah, da habe ich mich noch über sie lustig gemacht: Wissen die denn gar nicht, dass die OP-Masken nur die Patientin schützen sollen und der Trägerin quasi nichts bringen? – Naja, ich wurde aufgeklärt: Ja, sie wissen es und machen es, um die Allgemeinheit zu schützen.
Das war jetzt irgendwie peinlich, in mehrerlei Hinsicht. Seitdem habe ich viel gelernt und möchte mich dann auch hier in meinem Beauty-Blog mit dem tollen Lifestyle-Accessoire Atemmaske beschäftigen. Wer nicht weiß, warum ich auf die dämliche Idee gekommen bin, einen Physikerin-Beauty-Blog zu eröffnen, mag in Teil 1 – Socken – noch einmal nachlesen.
Biostoffe können über Tröpfchen, Tröpfchenkerne oder Staubpartikel bis zu 3m weit übertragen werden. Also in einem Gebäude überall hin. Die haben verschiedenen Größen, können aber auf 5µm Partikelgröße heruntergehen. Für mich ist das wieder riesengroß, die kann man ja noch mit Licht sehen *kopfschüttel*. Kein Wunder, dass sich die ganzen Arbeitsschützerinnen bei unseren Nanopartikeln in die Hose machen. Sissis.
So wie wir Physikerinnen unsere Strahlenlabore in unterschiedlichen Sicherheitsstufen haben, so haben die Biologinnen ihre S1-S4 Labore, je nachdem mit was für ekelhaften fleischfressenden Bakterien sie denn gerade wieder herumspielen dürfen. Das ist doch für eine Wissenschaftlerin mal ein guter Anhaltspunkt, um auf die Suche nach einer sinnvollen Maske zu gehen.
Kandidat 1: Gebläse-gestützte Haube/Helm-System nach DIN 12941. Also quasi ne dichte Plastiktüte über den Kopf und ein Staubsaugerrohr mit gutem Filter dran. Hat den Vorteil, dass frei geatmet werden kann und die Biologin sowohl eine Brille, als auch einen Bart haben darf. Hat den Nachteil einer Plastiktüte überm Kopf und einer klobigen Kiste am Gürtel. Biologinnen haben wohl auch Probleme mit den Dingern Mikroskope zu bedienen, aber was soll man auch von Leuten erwarte, die zum Sehen sichtbares Licht und Augen benutzen. *kopfschüttel*
Dann gibt es die FFP3 (Filtering Facepiece Particle) Masken nach DIN 149:2001 + A1:2009, die max 1% der Paraffinöl-Konzentration aus der Umluft durchlassen dürfen. Die Norm sagt zwar nichts über Bakterien und Viren aus, aber man kann davon ausgehen, dass die sich ähnlich wie der Teststoff verhalten (die Größe ist entscheidend und 5µm reichen aus). Hier ist die Dichtigkeit wichtig, ob die Maske gut an der Haut anliegt. Bärte, Narben, Grübchen und Brillen behindern. Außerdem muss direkt durch den Filter geatmet werden, was zu einer wesentlich reduzierten Luftaufnahme führt, dumm, wenn der Sauerstoff sowieso schon knapp ist. Der Arbeitsschutz beschränkt das Tragen auf 120 Minuten, falls eine G26 Genehmigung für feuerwehrtauglichen Atemschutz besteht. Die habe ich ja zum Glück noch von meiner Zeit bei der Berufsfeuerwehr Köln *g*. Dann machen die Biologinnen noch FIT-Tests mit Bitrex – Bitterstoffen oder Saccarin und Geruchsstoffen, die die Schleimhäute reizen, ob eine FFP3 Maske für den Einsatz in der Biologie taugt. Joa, Wissenschaftlerinnen und ihre Hobbies halt.
Dann sollte man sich natürlich noch die medizinischen Produkte angucken. Das läuft effektiv aber nur auf den OP-Mund-Nasen-Schutz heraus, der nicht nach irgendwelchen Normen getestet bzw. eingesetzt wird. Eben, weil es diese Normen nicht gibt, haben sich schon über Jahre diverse Arbeitsschutzleute darauf gestürzt, um zu gucken, wie die sich im Vergleich mit FFP-Masken schlagen. Das Fazit ist recht ernüchternd und notorisch schlecht.
- https://publikationen.dguv.de/dguv/pdf/10002/aifa0296.pdf
- https://www.dguv.de/ifa/forschung/projektverzeichnis/bgia_3102.jsp
Unterm Strich kann man sagen, dass es eine gute Bandbreite von Filterpapier gibt. Von “Bringt gar nichts” bis zu welchen, die die FFP3 erfüllen, ist alles dabei. Aber gleichzeitig reduzieren die qualitativ hochwertigeren Filterpapiere den geforderten Volumenstrom von 95 l/min auf bis zu 20% (was nach den FFP nicht zulässig wäre) und erhöhen die Leckage deutlich. Dies ist der riesige Nachteil der OP-Masken. Dass sie nicht richtig abschließen und paradoxerweise schließen sie um so schlechter ab, je besser das Filtermaterial ist. Je besser das Filtermaterial, desto schlechter der Volumenstrom und damit die Bewegung des Mundschutzes an den Seiten, was eben zur Leckage führt. Als kleinen Erfolg kann man werten, dass immer auch ein kleiner Benefit für den Träger dabei ist (min. 2% Schutz gegen Viren und Bakterien bis zu 20%) und damit das Tragen auch für die immunsupprimierte Strahlenphysikerin niemals gaaaanz umsonst ist.
Das wären jetzt mal so die sinnvollen Dinge gewesen. Darüber hinaus gibt es natürlich noch die ganzen Vollmasken mit teilweise extrem guten Filtern aus Lackiererei und Feuerwehr und manche davon lassen noch nicht mal Nanopartikel durch. Da hat selbst der kleinste Virus keine Chance, aber die sind allesamt nicht alltagstauglich. Ich mein, in der Medizin versagen ja schon die FFP3-Masken beim Alltagscheck, weil sie zu oft an- und ausgezogen werden müssen und zu teuer sind.
Wenn das hier ein Beauty-Blog sein soll, dann muss auch die Alltagstauglichkeit mindestens genausoviele Sterne geben wie die Wirksamkeit gegen Bakterien und Viren … und extra Bonus-Sternchen gibt es für Strasssteine und Hello-Kitty-Katzen. Ne ehrlich, ich bin mal wieder voll in die Physikerfalle gerannt und habe mit der Wirksamkeit angefangen, obwohl doch eigentlich das Lifestyle-Element hier im Vordergrund stehen sollte. In Peking liefen auf der Straße sehr hübsche Menschen mit sehr stylischen Mundschutz-Masken herum. Bei vielen stand Versace oder Prada drauf und ich bin sicher, dass einige von denen sogar von den entsprechenden Labels produziert worden sind… und das zurecht. Zum einen ist die Luft dort so beschissen, dass ich ohne Maske ständig einen Geschmack auf der Zunge und Belag auf den Zähnen hatte, nur durchs Atmen, und das Taschentuch nach Rückkehr im Hotel erst mal im Sondermüll entsorgen werden musste. Zum anderen verdeckt die Maske mal locker ein Drittel des zur Verfügung stehenden Beauty-Porzellan-Real-Estates und muss daher durch ihre eigene Fancygkeit überkompensieren. Nur so kann man sich die ganzen Nullen an den Designerstücken im Haute-Couture de Paris erklären. In Japan fährt man da mit Straß und Hello-Kitty wesentlich billiger.
Vielleicht wird die Luft überall auf der Welt ein Stück sauberer werden. Vielleicht auch nicht und bis dahin gibt es auch jeden Fall Möglichkeiten, etwas für die Atemwege zu tun ohne direkt wie eine deutsche Autolackiererin auszusehen und zumindest ansatzweise wollte ich das mal ausprobieren. Da ich weiterhin kein extra Geld für den Namen eines Kerls ausgeben werde, der Kroketten an seine Katze verfüttert hat, habe ich mich auf einen Mittelweg geeinigt. Versteht mich nicht falsch, ich würdige High-End-Design durchaus und ich habe mal in der Bahn geschlagene 10 Minuten auf die Louis Vuitton-Handtasche meiner Sitznachbarin gestarrt, weil ich noch niemals ein so perfekt verarbeitetes Stück Leder gesehen habe, aber ernsthaft Geld würde ich dafür nicht über die Theke schieben.
Daher muss der fiese Sport herhalten und ich habe mir eine sog. Trainingsmaske gekauft, um sie hier zu unboxen. Also grundsätzlich gibt es die Dinger in verschiedenen Wirkungsweisen und Varianten von: “Bitte keine Staub und Pollen” bis zu “in Stellung 3 erhöht der PEEP-Modus den alviolischen Druck um 12mbar(a) mit einer Oxigenierung der Bläschenmembranen um 4%.” Vielleicht haben ein paar von denen vielleicht sogar einen Effekt. Also einen weiterführenden Effekt, als der fancy Joggerin das Geld aus der Tasche zu ziehen. Das mag ich mir jetzt erst mal nicht pauschal anmaßen, aber viele von diesen Dingern haben ein Rückschlag oder Durchflussventil und gerade dieses sollte bei einer entsprechenden Normprüfung als erste offensichtliche Schwachstelle durchfallen. Ich meine, die höchste getestete Schutzklasse, die ich bei den Teilen gesehen habe, war IP54 und damit würde ich sicher nicht zu den Biologinnen ins Labor gehen. Dafür habe ich viel zu viel Angst vor denen.
Unterm Strich kann man sagen, wer einen Effekt haben will, der nimmt eine FFP3-Maske. Als Lifestyle-Accessoire sind die aber gänzlich ungeeignet und alle, die damit zufrieden sind, sich den groben Dreck Pekings aus den Lungen zu halten, können gerne mit Prada oder Sporty oder Hello Kitty gehen. Nur wer jetzt wirklich einen echten, harten Cyberpunk-Stil pflegt wird effektiv Aussehen und Wirksamkeit kombinieren können … fände ich ehrlich gesagt schon recht reizvoll, ist aber halt extreme Nische..
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