So, alles wird langsam wieder besser. Die ganzen “kleinen” Baustellen und triviale Nebenwirkungen aka Lungenembolie können abgearbeitet werden und es geht frohen Mutes in Richtung des nächsten drastischen Schrittes, auch bekannt als zweite Stammzellentransplantation. Ok, ok, ok mit kleinen Umwegen, ich geb es ja zu. Grundsätzlich war ich wieder friedlich zu Hause und habe die Zeit nach dem ersten Blinatumomab Durchgang genossen, als ich zunehmend kurzatmiger wurde. Das war dann erst mal ein kleiner Grund zur Beunruhigung, denn das hätte sowohl heißen können, dass sich weitere Thromben in der Lunge entwickelt hätten, als auch die Möglichkeit für Krebszellen bzw. Blasten, die die guten roten Blutkörperchen verdrägen. Beides echt schlechte Optionen. Aber ja, durchaus etwas, was man abklären kann.
Das haben wir dann auch ambulant getan und mich mal wieder in das MRT geschoben. Diesmal war es das hochauflösende MRT (weil das andere wohl gerade besetzt war), das sich vor allem dadurch auszeichnet, dass die Röhre enger ist. Hab ich mal erwähnt, dass ich recht breite Schultern habe? Also auch, nachdem ich so viel Muskelmasse abgebaut habe? Presswurst ist eine gute Umschreibung, aber was macht man nicht alles für ein paar fancy Fotos für die sozialen Medien? Das erinnert mich daran, dass ich mal meine ganzen tollen medizinischen Bilder vernünftig aufbereiten muss, um sie hier irgendwie präsentieren zu können. Naja, kommt auf die Todo-Liste. Langer Rede wenig Sinn, ich habe nicht nur keine neue Lungenembolie, sondern die alte ist auch so gut wie weg und alle Adern sind wieder frei. Dann bliebe ja nur, dass die Tumorzellen wieder zurück sind und mit zwar soviel Wumms, dass die Blasten das ganze Blutbild kaputt machen. Aber bevor ich mir dazu all zu viel Angstgedanken machen kann, habe ich zum Glück die ganz reguläre Knochenmarksbiopsie und die kann per Mikroskop schon am Tag darauf ausschließen, dass sichtbar viele Tumorzellen vorhanden sind. Also alles Schlimme vom Tisch (sogar gute Nachrichten), aber doch kein Stück weiter.
Zwei Tage später bin ich wieder ambulant im Krankenhaus und beim ganz regulären Aufstehen aus dem Sessel in Wartebereich mache ich eine hervorragende Imitation meiner Oma und lege mich mit Tunnelblick und mit ohne Aktivierung von Schutzreflexen auf die Schnauze… direkt vor den Füßen meiner üblichen Pfleger und Ärzte…. Wunderbar. Während meine Oma nun die Ausrede hat, kurz vor 100 Jahre alt zu sein und sich bei sowas den obligatorischen Oberschenkelhalsknochen bricht, habe ich solche tollen Ausreden nicht. Dafür habe ich mir auch nur das Knie ein wenig verstaucht und ein paar blaue Flecken eingefangen, die dank Blutverdünner von der Lungenembolie nicht nur richtig prächtig aussehen, sondern auch in den nächsten Monaten nicht so schnell weg gehen werden. Suckers.
Unterm Strich habe ich mit der Aktion einen sofortigen Aufenthalt in der Klinik gewonnen und man hat mich direkt wieder auf die Isolierstation gepackt. Der erste Tag wurde sogar doppelt isoliert und sowohl ein Test auf diverse Influenza als auch einer auf den tollen COVID-19-Virus gemacht. Weniger, weil man um mich besorgt gewesen ist, sondern mehr aus der Angst heraus sich irgendwas fieses IN die Isolierstation zu holen. Das wäre gerade mit dem Coronavirus eine sehr, sehr schlechte Sache.
Tja, bei der Sache mit dem Schwächeanfall und dem “Nase voraus-Sprung” auf den Klinikboden kommen wir derzeit nicht wirklich weiter. Aber meine Ärzte freuen sich richtig, dass ich da bin und schmeißen mir so ziemlich jede Untersuchung entgegen, die sie sowieso geplant hatten. Also zum Beispiel eine Lumbalpunktion mit Chemo-Medikament in den Spinalkanal, der sowieso irgendwann vor der Transplantation ansteht und einem weiteren MRT-Scan des Beckens zur Verlaufskontrolle der Clusterbildung und eine Herz-Sonographie, damit die Studenten noch was üben können etc. pp. Ach ja, jeder, der hier im Hause auf die Nase fällt, bekommt auch noch ein obligatorisches Röntgen. Ich muss ehrlich mal alle meine Bilder sammeln und aufbereiten. Mittlerweile habe ich so viele , dass ich einen Film namens “dicker Physiker von Innen im Wandel der Zeit” zusammenstellen kann… gruselig ich weiß.
Wir haben die zweite Blinatumomab-Phase angefangen, was ich ein wenig befremdlich finde. Das Krebs/gesunde Zellen-Verhältnis via BCR/Abl liegt bei 1:10^-6. Vor einem halben Jahr wäre das noch unter der Nachweisgrenze gewesen und man hätte keine Zellen mehr gefunden und ich wäre offiziell in molekularer Remission gewesen. Dadurch, dass das Messverfahren verbessert worden ist und es nun eine 10ner Potenz mehr hergibt, bin ich nicht mehr in molekularer Remission… zumindest nicht offiziell, sprich wir machen eine zweite Tour. Ich hätte ja lieber mit der Stammzelltransplant angefangen, aber die Richtlinien wollen noch mal eine zweite Tour haben. Ok, wirklich was gegen die neue Runde habe ich jetzt nicht, denn die Nebenwirkungen hielten sich in Grenzen und die Wirkung war geradezu spektakulär… aber trotzdem arbeite ich ja so schnell wie möglich auf die Stammzellen hin und auf dem Weg ist das halt leider noch mal ein 4 wöchiger Umweg, mindestens. Da ich dieses Mal mit wesentlich weniger Blasten und Krebszellen gestartet bin, hatte ich auch nur einen Tag Fieber und war danach wieder total fit. Also außer den Schwächeepisoden, aber da raten wir jetzt auch nur mal fröhlich weiter und setzen mich mal auf Cortisonentzug um zu gucken, ob’s vielleicht daran liegt. Ich sag Bescheid, sobald ich Näheres weiß.
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