Hurry up and wait. Mal wieder eine dieser wochenlangen Warteperioden, in denen gefühlt nichts passiert. Diese, das muss ich ehrlich gestehen, knabbern am meisten an mir. Ich tue gerne Dinge und mache Sachen und Untätigkeit, vor allem erzwungene, ist mir ein Graus. Nun ja, das Bloggen hilft mir ein wenig dabei und wenn ich so auf einer Seite noch mal zusammenfasse, was letzten Monat alles passiert ist, dann sieht es auch meist gar nicht mal soooo furchtbar leer aus, wie ich vorher gedacht habe.
Also erst mal die gute Nachricht vorweg, entgegen der Befürchtung im letzten Beitrag bin ich doch nicht aus dem molekularen Rezidiv heraus und immer noch unter der Nachweisgrenze von 10^-6, was das BCR/ABL Verhältnis angeht. Sprich, obwohl mein Chimärismus (also neue Immunzellen vs. alte körpereigene Zellen) bei 90% ist, sind die (einen/anderen Philadelphia) Krebszellen noch zurückgedrängt.
Wie schon gesagt, arbeiten wir jetzt mit dem neuen Tyrosinkinaseinhibitor und den ersten Monat habe ich dann auch schon bei niedriger Dosis ohne nennenswerte Nebenwirkungen überstanden. Zwischenergebnisse gibt es noch nicht. Die nächste Knochenmarkpunktion ist für nächste Woche geplant und das heißt, dass wir mit den finalen Ergebnissen erst in einem Monat rechnen können. Bis dahin ist dann mal wieder Warten angesagt… und natürlich fit werden für die Transplantation, denn meine körperliche Fitness lässt aktuell doch arg zu wünschen übrig und für die Chemo werde ich jedes bisschen Energie brauchen, das ich kriegen kann.
In meinem Rechtsstreit mit der Berufsgenossenschaft hat sich noch ein bisschen was getan, indem ein externer Strahlen-Sachverständiger bestimmt werden wird, aber das ist jetzt leider auch nichts, wo ich irgendwie sinnvoll tätig werden könnte. Sprich, das läuft auch irgendwie weiter, ohne dass irgendwelche signifikanten Dinge passieren… Tja. Diese Beweiserhebung ist interessant genug, dass ich da einen eigenen Artikel zu schreiben werde. Ok, ok, halbwegs interessant genug, aber wenn jemand meinen Blog als Anleitung für eine eigene Berufskrankheitsanerkennungsklage benutzen will, dann gehört über diesen Schritt schon eine eigene Seite dazu und dem will ich Genüge tun.
Es ist jetzt schon ein paar Tage her, aber über Twitter @weitergen kam von dem anderen Tobias die kurze Nachricht: “Titien ist austherapiert.” Das hat mich tatsächlich noch mal mitgenommen, denn diese Nachricht, so kurz und knapp mit all der Aussagekraft, die dahintersteckt ist mein Alptraumszenario. Für die Erklärung muss ich wohl nun ein wenig weiter ausholen. Also der andere Tobias ist Biologe und postet unter @weiterGen seit Jahren. Seine Frau hat einen Gehirntumor, auch einen eigenen Blog (https://titien.de/) und wird daran sterben… also an dem Gehirntumor, nicht an dem Blog. Mit Tobias habe ich zwar kommuniziert, aber ich kenne weder seine Frau noch ihn persönlich.
Obwohl ich auf der Krebsstation wöchentlich mit Patienten zu tun habe, die austherapiert sind und ab jetzt nur noch palliativ behandelt werden, hat mich diese kurze Twitter-Nachricht wesentlich härter getroffen als die Einzelschicksale, die mir so in meinem aktuellen “Alltagsleben” über den Weg laufen. Das liegt vermutlich an der bewusst simplen Aussage, die ja nur drei Worte umfasst und damit irgendwie die Endgültigkeit noch mal unterstreicht. “Hier ist die Fahnenstange zu Ende”, “das war’s”, “Ende Gelände” – klarer kann man es kaum sagen. Und dabei stimmt das ja noch nicht mal.
Denn tun kann man immer noch was. Man könnte immer noch theoretisch eine Gehirnoperation machen, eine weitere Strahlentherapie, Senfgas-Chemotherapien etc. pp. Aber es ist medizinisch absoluter Schwachsinn und für alle Beteiligten nur mit Leid und nichts Gutem verbunden. Diesen Moment fürchte ich mehr als alles andere. Wenn ich bei einer Transplantation oder Chemo im Fieberwahn in drei Tagen an multiplem Organversagen sterbe … Tja, schön ist das sicher nicht, aber zumindest ein vernünftiges Ende, aber effektiv an einem Telefonanruf meines Arztes “Sie sind austherapiert” zu sterben ist… irgendwie… wage ich es auszusprechen – unspektakulär.
Wie auch immer. Davon bin ich zum Glück noch ein gutes Stück entfernt und wie ich ja schon immer wieder fasziniert berichtet habe, ist gerade im Bereich der Leukämie der wissenschaftliche Fortschritt (vor allem jetzt gerade aktuell mit CRISPR/Cas) so rasant, dass fast alle 2-3 Jahre neue Therapiemöglichkeiten kommen und noch mehr Optionen bestehen “die Uhr auszurennen”. Ich habe schon aus mehr als eine Ecke gehört, dass, wenn man sich schon eine Art von Krebs aussuchen könnte, doch eine dieser Arten von “Flüssigkrebs” nehmen sollte. Das hätte eben viele Vorteil gegenüber den soliden Tumoren und die rasante Therapieentwicklung ist definitiv eine davon.
Irgendwie ist dieser Beitrag jetzt wieder ins Negative abgeglitten und eigentlich ist es mir ja wichtig auf einer positiven Note zu enden … OK, wie kriege ich jetzt noch die Kurve? Ich habe entdeckt, dass ich doch wieder Shrimps und Gambas und so mag. Mit ca. 14Jahren mochte ich die plötzlich nicht mehr, obwohl ich vorher ein riesiger Seafood-Fan war und danach habe ich sie nie wieder probiert. Asche über mein Haupt – und schade für die ganzen tollen Gelegenheiten, die ich in Japan und Korea an gutem Essen verpasst habe. Das werde ich jetzt rigoros nachholen.
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