Raus aus dem Krankenhaus und direkt wieder rein. Beim letzten Mal musste ich ja noch ein paar Tage in der Einrichtung verbringen, weil ich mir eine Infektion eingefangen hatte, aber aktuell ist es nur eine einzelne Übernachtung geworden, um sicher zu gehen, dass ich nach der Leberpunktion nicht innerlich ausblute. Ach ja, man hat mir eine dicke Hohlnadel in die Leber gejagt, um ein Stückchen herauszuholen und das mit der Post quer in Deutschland herumzuschicken… ein bisschen, wie bei Prometheus eben, wobei ich immer noch nicht weiß, welche Götter ich versehentlich erzürnt habe, die Möglichkeiten sind mannigfaltig.

Das “man” in “man hat mir eine dicke Hohlnadel in die Leber gejagt” war in diesem Fall eine junge Ärztin in der Spezialausbildung, die die ganze Prozedur mal an einem lebenden Objekt üben musste. “Der Herr Cronert ist groß und dick und hat eine große und dicke Leber” ist mittlerweile hier in der Uniklinik in so manchen Abteilung zu einem geflügelten Satz geworden. Tja, was soll man sagen, ich bin halt immer dabei, wenn es um die Wissenschaft oder Ausbildung geht. Die Punktion hat die junge Ärztin auch wunderbar gemeistert und weder Gallenblase noch irgendwelche anderen wichtigen Teile perforiert. Außerdem war sie sehr bestimmt und energisch, als sie mir den kalten Stahl durch den Brustkorb getrieben hat. Ich sehe eine vielversprechende Karriere als Ärztin oder Auftragskillerin auf sie zukommen. Hat auch gar nicht weh getan.

Mehrere andere Patienten im klinischen Umfeld (Zimmernachbarn und reguläre Bekanntschaften im Wartezimmer) haben mir des öfteren erzählt, dass sie “schon ein sehr merkwürdiges Gefühl” hätten, wenn die Ärzte deutlich jünger sind als sie. Etwas, das in einem universitären Ausbildungskrankenhaus doch des öfteren passieren kann, wenn man erst mal die 30 geknackt hat. Diese Vorbehalte hatte ich irgendwie noch nie und kann sie nur sehr bedingt nachvollziehen. Das wird aber an meinem Umgang mit hochkompetenten jungen Menschen liegen (ich hatte z.B. einen Matheprof, der 28 Jahre alt war) und ist sicher nicht repräsentativ. Natürlich führe ich schon eine mentale Liste der Fachkompetenz meiner Ärzte (soweit ich diese einschätzen kann), aber Alter, Geschlecht oder Körperphysiologie waren da bislang noch keine Kriterien. Herkunft dagegen sehr wohl und auch auf die Gefahr hin rassistisch zu sein, habe ich ein ernsthaftes Problem damit, wenn ich mich mit der asiatischen Strahlenmedizinerin auf Englisch unterhalten muss, weil ihr Deutsch zu schlecht für ein Fachgespräch ist und selbst ihr Englisch weit hinter dem meiner asiatischen Physikerkollegen zurücksteht. Naja, jeder Mensch ist einzigartig.

Das Highlight meiner einzelnen Übernachtung war jetzt aber nicht die Punktion, sondern mein Zimmernachbar und das Skelett, dass ich gesehen habe. Mein Zimmergenosse war nämlich verrückt… oder hatte eine Hirnhautentzündung. Äh ja, also, was ich damit meine ist folgendes: Ich komme mit den meisten Menschen super aus, auch wenn ich mit ihnen ein Krankenhauszimmer teilen muss. Ich war oft genug mit Pfadfindern und anderen komischen Leuten auf Zelttouren und Festivals unterwegs, so dass ich auch bei bester Hitze mit Musikbeschallung und 10 schnarchenden Waldarbeitern bestens schlafen kann. Frei nach dem Motto “Wenn die anderen nicht das Problem sind, bist du wahrscheinlich das Problem” werden meine Zimmerpartner in der Regel mit meinen Marotten mehr Probleme haben, als ich mit ihren… obwohl ich mich schon um Zurückhaltung bemühe.

Das gilt aber offensichtlich nur für geistig gesunde Menschen, zu denen ich den normalen Physiker trotz aller Indizien immer noch zähle. Wenn einer der beiden Zimmergenossen eine oder mehrere psychische Erkrankungen hat, dann ändert sich die Dynamik in einer solchen Zwangsgemeinschaft doch deutlich. Ohne jetzt ins Detail zu gehen sind Zwangsstörungen wie OCD nur noch bedingt lustig, wenn man tierisch Hunger hat und sie an dem Mittagessen drüben ausgeübt werden. Naja es gibt Schlimmeres. Schlimmer wäre zum Beispiel eine Hirnhautentzündung gewesen, die diagnostisch bei meinem Nachbarn ebenfalls im Raum stand und auf die auch mit fehlender Diagnose schon mal mit Antibiotika hin behandelt wurde. Eine solche Entzündung hätte auch neuronale Defizite erklären können und weil in dem Intervall meines Aufenthaltes keine Lumbalpunktion hatte durchgeführt werden können, um im Liquor einen bakteriellen Nachweis auszuschließen, hing da der Elefant halt auch noch im Raum.

Naja, langer Rede kurzer Sinn ich habe mich am folgenden Tag so schnell wie möglich auf Italienisch verabschiedet und Tage später per Telefon die Bestätigung bekommen, dass mein Zimmernachbar wohl doch keine Hirnhautentzündung hatte und einfach nur verrückt war. Also “verrückt” im Sinne von fehlender Fachkompetenz auf meiner Seite, der einfach mal keine wirkliche Ahnung von echten psychologischen Erkrankungen hat und sich bestenfalls Infos über Wikipedia zusammen liest, wenn dies von Nöten ist.

Ach ja, ich wollte noch von dem Skelett erzählen, das ich gesehen habe. Mein Zimmer hatte Ausblick auf die  Grünfläche/den Raucherbereich der Psychatrie. Da wurde dann Abends ein Patient im Rollstuhl herausgebracht, der nur mit einem Handtuch um die Hüften bekleidet eben aussah wie ein Skelett aus einem AD&D-Quellenbuch. Man sagt ja manchmal Person X bestehe nur noch aus Haut und Knochen, aber dieses Extrem hatte ich bis dato noch nicht gesehen oder meine jahrelange Abwesenheit vom aktiven Rettungsdienst hat mich vergessen lassen zu welchen Extremen ein menschlicher Körper fähig ist. Seine Handmittelknochen waren alle einzeln sichtbar weil die untere Hautschicht auf der oberen lag, mit keiner nennenswerten Fleischmasse dazwischen. Ganz zu schweigen von den Extremitäten oder dem Brustkorb. Dass man solchen Patienten heutzutage (in einem bestimmten Rahmen) helfen kann, empfinde ich immer noch als eine der tollsten Dinge der modernen Medizin. Hoffnung ist eine super Sache.

Ich habe ja schön öfter mal erzählt, dass ich früher als Rettungssanitäter für die Berufsfeuerwehr Köln sog. Zwangseinweisungen gefahren bin. Dabei habe ich auch wirklich extreme Beispiele im körperlichen und psychologischen Bereich kennen gelernt, was bei mir zu einer fundamentalen Einstellung geführt hat: Der Mensch an sich ist körperlich und geistig zu extremen Leistungen in der Lage. Zu Zuständen, die wir im Alltag längst vergessen und verdrängt haben. In uns allen lebt irgendwo noch dieser kleine Höhlenmensch, der wirklich alles dafür tun würde zu überleben und auch wenn wir bei vielen anderen Erbschaften aus dieser Zeit (wie z.B. die Angst vor dem Säbelzahntiger *g*) gut daran tun, sie hinter uns zu lassen, ist es doch nett zu wissen, dass wir geschaffen wurden (evolutioniert wurden) um zu leben.

Kommentare (9)

  1. #1 Tim
    26. August 2020

    Ich hoffe, ich liege richtig, wenn ich zwischen den Zeilen Zuversicht und neue Frische herauslese. Falls das so ist, freue ich mich sehr und bin gespannt, wann die nächsten guten Nachrichten kommen!

  2. #2 Tobias Cronert
    26. August 2020

    Momentan ist halt leider diese lange Phase mit dem Warten und nichts großes passiert. Das ist zwar etwas zermürbend, aber die Hoffnung, dass es bald wieder ein wneig Action gibt ist durchaus vorhanden *g*

  3. #3 RPGNo1
    26. August 2020

    Der Humor ist (immer) noch nicht abhanden gekommen. Sehr schön! 🙂

  4. #4 Nikolai
    27. August 2020

    ” Da wurde dann Abends ein Patient im Rollstuhl herausgebracht, der nur mit einem Handtuch um die Hüften bekleidet eben aussah, wie ein Skelett aus einem AD&D Quellenbuch.”

    Ich hoffe, dass eine Hiebwaffe bereit lag. Mit Klingenwaffen kommt man da nicht weit.

  5. #5 RPGNo1
    27. August 2020

    Ich hoffe, dass eine Hiebwaffe bereit lag. Mit Klingenwaffen kommt man da nicht weit.

    ROFL

  6. #6 Captain E.
    1. September 2020

    Angst vor dem Säbelzahntiger? Dagegen hilft eine ordentliche Infektion mit Toxoplasmose.

  7. #7 Tobias Cronert
    1. September 2020

    ” Da wurde dann Abends ein Patient im Rollstuhl herausgebracht, der nur mit einem Handtuch um die Hüften bekleidet eben aussah, wie ein Skelett aus einem AD&D Quellenbuch.”

    Ich hoffe, dass eine Hiebwaffe bereit lag. Mit Klingenwaffen kommt man da nicht weit.

    Na der arme Mann sah aus, als hätte er genug eigene Probleme und war keine Bedrohung für irgendjemanden … aber ich fürchte so fangen die meisten Weltuntergangszenarien an.

    Toxoplasmose? Also seit ich täglich meinen Medikamentencocktail aus der Hölle nehmen muss hat mich keine einzige Mücke mehr gestochen. Anscheinend wissen die, was gut für sie ist. Ob das jetzt auch bei Katzen funktioniert, wie beim WW-Z Film? … also ich bin nicht unbedingt sehr begeistert es auszuprobieren.

  8. #8 S.P.
    Koblenz
    14. Oktober 2020

    Du hast lange nichts mehr von dir lesen lassen. Ich hoffe, dass die Auftragskillerin nicht erfolgreich war…?

  9. #9 Peter K.
    Titz
    21. Oktober 2020

    Moin,
    ich wundere mich auch schon und frage mich, ob der “Tag 666” nicht ein schlechtes Omen war.

    Gruß und mögest Du wieder auf die Beine kommen.
    Peter